Twitter: Wieder ein bisschen reingewachsen
Scheint mal wieder ein Wochenende, an dem man sich über den Sinn und Unsinn des Twitterns Gedanken macht. Dann tu ich das auch mal. Es ist nach inzwischen gut zwei Monaten dann auch Zeit für ein weiteres Resumée und eine weitere Folge von “ich wachse da rein”.
Alles in Allem kann ich nun nach acht oder neun Wochen mit dem zwitschernden Vögelchen sagen: es hat sich gelohnt, dran zu bleiben. Erst jetzt kann ich mir langsam ein Urteil bilden, erst jetzt finde ich mich zurecht und erst jetzt kann ich mich der Frage widmen, was ich von Twitter erwarte, was meine Benetfits sind (vielleicht auch die anderer). Und jetzt erst beginne ich, die Chancen und die Grenzen des Ganzen zu sehen. Ziel des Ganzen war ja ursprünglich mal, dem, was man total überflüssig findet, ins Auge zu blicken.
Gehversuche
Es hat lange gedauert, bis ich mich mit Twitter so weit anfreunden konnte, dass es zu einer “Selbstverständlichkeit” wurde. Damit habe ich dann wohl auch meine totale Abneigung schon überwunden. Anfangs kam ich mir etwas seltsam vor. Was mir auch fehlte, war schlicht der Mut zur Spontaneität und meine ganz eigene Vorstellung vom Mix aus Job und dem “Privatanteil” -jenem persönlichen Touch. Twitter lebt vom “man selbst sein”, auch wenn es um Fachthemen oder um Berufliches geht. Die Sprache darf ruhig gelegentlich ein bisschen flapsig sein. Nur Businessslogans will da wahrscheinlich keiner hören.
Gut, man muss sich also trauen. Dann klappt das auch mit dem Twittern. Da gibt es zwar die beneidenswerten Plauderer, zu denen gehöre ich aber nicht. Der Smalltalktyp tut sich also um einiges leichter. Jemand wie ich hat da wohl eine innerliche Hemmschwelle und tut sich schwerer.
Was mir auch fehlte, war der Überblick. Wem folgen bei dieser ganzen Masse? Wie finden, was einen selbst interessiert?
Unterhaltungswert
Ja: Wer auf Twitter Unterhaltung sucht, wird sicherlich schnell fündig. Natürlich gibt es auch hier ganz klar Qualitätsunterschiede: die Dampfplauderer, die Komödianten, die Spaßvögel und - auch das sollte man nicht außer acht lassen- auch eine Reihe an Idioten. Übrigens gibt es da auch noch die Selbstdarstellungskünstler… An der Stelle muss ich mich wohl mal als Comedy-Hasser outen… mein Humor sieht irgendwie anders aus.
Ich wollte Twitter nicht als Ersatz zum Unterhaltungsfernsehen (das schaue ich ja auch nicht), aber ab und zu und in Maßen empfinde ich diese “Berieselung” aus sämtlichen Ecken ganz passend. Prima wäre es übrigens, wenn man einzelne Kanäle einfach ein- und ausblenden könne. Eine Gruppierung derer, denen man folgt, beispielsweise. Oder gibt es sowas schon? Eine “Twitter Regel” zur Vermeidung zu großer Zeitverschwendung lautet ja: Lies nicht jeden Tweet. So einfach ist das aber gar nicht, wenn man auch Berufliches “abhört”. Ein Filter würde hier wirklich großartige Dienste leisten. Dann würde ich alles, was Unterhaltung ist, tagsüber einfach ausblenden und mich erst abends dem LotterTwitter hingeben.
Informatives
Man neigt ja leicht dazu, einfach nur die Followerlisten derer durch zu gehen, denen man so folgt oder die man sowieso schon kennt. Nicht sonderlich ergiebig. Dauerhaft zumindest. Man kennt sich ja -irgendwie. Genau das stört mich an XING und anderen Netzwerken. Twitter ist doch eigentlich eine Riesenchance, über ein paar Klicks, ein paar Retweets und ein paar gezielte Suchen (ja, ich weiß, schwieriges Thema…) ziemlich schnell “ziemlich weit weg” zu kommen und interessante Menschen zu finden, auf die man über andere Wege kaum gekommen wäre.
Da wirklich nicht jeder jedem folgen muss und viele, die sich kennen, aus ähnlichen Quellen schöpfen, ist es spannender, sich hier ein bisschen weiter weg zu hangeln. Ein gutes Prinzip, um die Informationsquellen gut gestreut zu halten. Twitter - für mich auch gegenseitiges Nehmen und Geben. Nicht nur ich profitiere davon, dass ich von hier und von dort was höre. Ich kann das auch weitergeben. Dazu kommt ein bisschen das “andere Länder, andere Sitten” und “überall mal reinschnuppern” Feeling - Multikulti und Multiinterest find ich gut!
Was Twitter als Informationsmedium betrifft, sehe ich also durchaus einige Strategien, um einfach Spaß und vor allem Mehrwert zu haben:
- Suche dir die, denen du folgst ganz genau aus. Die meisten laufen nicht davon und sind auch morgen noch aktiv.
- Folge nur jedem dritten, dem du eigentlich folgen würdest. Auch die anderen laufen nicht davon.
- Folge wirklich nur und genau denen, denen du folgen willst und auf die du Lust hast. Fühl dich zu nichts verpflichtet.
Ich glaube, damit lässt es sich in Twitterworld ganz gut leben.
Störendes
Es gibt Dinge, die mich stören und daher sind zwei andere Aspekte ganz wichtig:
- man muss nicht zurückfolgen
- man kann Follower blocken
Denn es gibt gelegentlich ein Ungleichgewicht in Twitterland. Die, die Hunderten oder Tausenden folgen, selbst aber kaum Menschen finden, für die sie interessant sind. Meistens gibt es dafür einen guten Grund. Und meistens habe zumindest ich darauf auch überhaupt keine Lust und nehme mir die Freiheit, ein solches Trauerspiel nicht weiter zu unterstützen. Oft gehören genau die natürlich auch zu den Spammern oder den “Geschäftstüchtigen”. Ohne mich.
Übrigens gibt’s auch eine Reihe an “tu dies und tu das nicht bei Twitter”. Alles schön und gut. Meistens haben die Autoren solcher Listen wirklich über die Maßen recht, auch wenn sie sich dabei nur ihren eigenen Frust von der Seele schreiben, weil sie vielleicht “meine drei goldenen Twitterregeln” oben nicht befolgt haben. Was soll’s? Dann folgt man eben nicht mehr. Genauso wie ich den Fernseher oder das Radio ausmache. Man kann aber auch einfach mal eine Zeit lang weghören. Twitter ist wie alles andere doch einfach nur ein Bild unserer Gesellschaft. Im ganz realen Leben findet man auch nicht alles und jeden klasse.
So und was erwarte ich mir?
Da hatte ich das letzten Mal noch lange ausgeholt. Inzwischen kann ich schlicht sagen: Nichts!
Ich stelle fest, dass Twitter Spaß machen und eine wirklich nicht zu unterschätzende Goldgrube an Information sein kann, wenn man es richtig einsetzt. Erwarten darf man sich aber ganz bestimmt einfach gar nichts. Wahrscheinlich sollte man sich einfach freuen, wenn man auf etwas wirklich Bemerkenswertes stößt. Ohne Twitter ginge es definitiv auch. Hier findet man weder den Traumjob, noch sonst irgendwas wirklich Relevantes. Am allerwenigsten das Glück.
Es ist einfach ein weiteres, sehr direktes, sehr zeitnahes Medium. Es gibt inzwischen so ziemlich zu jeder Fragestellung eine Menge sinnloser, aber auch eine Menge wirklich sinnvoller Twitter Tools. Die richtig eingesetzt, können wahrscheinlich durchaus helfen, sich da irgendwie effektiver durchzuhangeln. Für mich beispielsweise ist und bleibt die Erweiterung meiner Twitterliste eine Wochenendbeschäftigung - oder eine spontane Sache.
Die Geschichte mit Marketing und ROI
Immer mal wieder versuch ich weiterhin nebenher, der Frage auf den Grund zu gehen, ob ich Twitter als zusätzliche Marketingstrategie empfehlen kann - und demzufolge auch, ob es einen Return of Investment gibt oder geben kann. Und eigentlich kann die Antwort, was das Marketing betrifft, im Moment nur nein sein. Zumindest in den Bereichen, über die ich dabei nachdenke. Oder anders gesagt kommt es auf die Zielgruppe an. Die Zielgruppen, an die ich denke, bedient Twitter nicht in der nötigen Masse, fürchte ich.
Vielleicht wäre es einen Versuch wert, einem noch nicht so recht internet Web 2.0-affinen Kunden das Twittern schmackhaft zu machen und ihn eine Zeit lang zu begleiten? Alle reden von ROI und die Schwierigkeiten, diesen Faktor zu messen. Da man selbst ja dazu neigt, den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen, wären der Blick von außen und die Unterstützung von innen vielleicht gar nicht so schlecht?
Ach ja, auch hat heute was zum Twittern geschrieben. Beim Verfolgen der Links des Artikels bin ich auf folgenden gestolpert
Follow ich meinen Kunden, so bekomme ich raus wo es klemmt und kann evtl. eingreifen.
Das klingt toll! Das klingt nach Service! Der Kunde tut also immer den ersten Schritt, indem er sein Problem überhaupt artikuliert. Der Rest ergibt sich. Twitter also als Kundenservice und damit Mittel zur Kundenbindung und erst im zweiten Schritt und indirekt damit auch zur Kundenakquise. Perfekt! So kann es sein und kein bisschen anders. Der Anbieter immer mit einem Ohr bei seinen (bereits bestehenden!) Kunden - aber dezent. Vielleicht meint Herr Zoerner das aber auch alles ganz anders?
Meinen letzten Artikel dazu habe ich geschlossen mit “richtig gut ist Twitter nicht”. Stimmt! Aber seit ich meine Erwartungshaltung so weit zurückgeschraubt habe, sehe ich das alles zumindest lockerer. So richtig gut ist Twitter nicht. So richtig wichtig ist Twitter vor allem nicht… Wer sich businessmäßig damit auseinandersetzt, braucht eine Strategie und sollte, um der “Menschlichkeit” Willen, die Twitter so erfrischend macht, vielleicht auch etwas Smalltalk-tauglicher sein als ich. Auch hier sollte man aber, um sich nicht zu desillusionieren, zunächst mit reduzierter Erwartungshaltung rangehen.
Twitter macht nur Sinn, wenn man es nicht verbissen sieht.
Wow! Sehr guter Artikel mit viel Einblick der zudem auch noch gut geschrieben.
Und zu deinem Punkt, Kanäle, ja das geht in vielen Clients Tweetdeck (Group) und auch Eventbox (Smartfolders). Leider hat Tweetie noch keine solche Funktion. Aber grundsätzlich packst du dir alle Leute die du “wirklich” lesen willst in eine dieser Gruppen und siehst dort sofort wenn sie etwas schreiben.
Anne-Kathrin
Ah, das ist natürlich cool. Danke für den Hinweis.
Typisch ich. Nehm einfach das nächstbeste Tool ;-) Und nicht mal das verstehe ich so richtig, fürchte ich.
Tweetie nutze ich übrigens nicht - ich hab daher den Titel geändert, um keine MIssverständnisse aufkommen zu lassen. Ich mach das nach wie vor mit Tweetdeck und vor allem nie mobil… (soweit will ich es nicht kommen lassen, sonst komme ich nie “raus”… Internet-lose Zeiten braucht der Tag)
“Follow ich meinen Kunden, so bekomme ich raus wo es klemmt und kann evtl. eingreifen.”
Das hört und liest man oft. Wie auch die Nähe zum Kunden. Aber machen wir uns nichts vor. Bei noch unter 30.000 Nutzern in Deutschland funktioniert das maximal für sehr bekannte Unternehmen und Marken.
Anne-Kathrin
Genau darin seh ich auch das Problem.
Unter den Kunden müssen genau die sich ja auch erstmal als Kunde zu erkennen geben, denn man kann nicht potenziell allen folgen, die Kunde sein könnten.
Mein Fokus lag daher ein bisschen darauf, mir zu überlegen, wie das Prinzip überhaupt funktionieren kann. Und es kann nur so funktionieren:
1. der Kunde gibt sich als solcher zu erkennen, ggf mit einer Problemstellung
2. alternativ folgt der Kunde in seiner Rolle als Kunde einem Unternehmenstwitterer
3. der Kunde wird zurückverfolgt
Alles andere ist fragwürdig. Die Spammerei macht auch vor Twitter nicht Halt und zumindest mich nervt das gewaltig.
Meine Versuche, nach ganz normalen Themen und damit auch Produkten zu suchen und daraus zu analysieren, ob ein Markt für die Marketinggeschichte auch dort liegen könnte, scheitern ja schon daran, dass man das Alltagsgezwitscher so schlecht von “richtigen Problemstellungen” und Diskussionen filtern kann.
Es funktioniert wahrscheinlich im Moment zumindest hierzulande nur bei den Großen oder eben bei Nischenprodukten. Dann sicher mit viel persönlicher Note.
Ganz generell dauert es wahrscheinlich noch Jahre, bis sich da überhaupt haltbare Analysen machen lassen. Nehmen wir außerdem mit ins Kalkül, dass Twitter ja immer noch das wahre Geschäftsmodell fehlt und hier ja allerhand Richtungen denkbar sind, dann kann das sowieso noch alles kippen.
[...] Twitter: Wieder ein bisschen reingewachsen: Anne zu ihren bisherigen Erfahrungen und Gedanken zu Twitter [...]
[...] von Twitter lesen wollt empfehle ich noch den super Artikel von Mediamind denn ihr hier finden [...]
Sorry, dass es etwas länger gedauert hat, bis ich den Beitrag gefunden und gelesen habe :( … besonders da ich ja bewusst angesprochen wurde. Aber (Vorsicht, verssuch einer Aussrede): Der Trackback auf die https Seite hat scheinbar nicht funktioniert.
[ZITAT]
Der Anbieter immer mit einem Ohr bei seinen (bereits bestehenden!) Kunden - aber dezent. Vielleicht meint Herr Zoerner das aber auch alles ganz anders?
[/ZITAT]
Doch so meine ich es… Wobei es natürlich Zeit Aufwand bedeuted das Geschehen nicht nur bei Twitter nachzuverfolgen. In der Praxis sind bei uns dadurch bereits eine Vielzahl von Twitter-Accounts entstanden, wo wir bewusst bestimmten Gruppen/Personen folgen. Um so eventuelle Schieflagen erkennen zu können. Die Annahme, dass und dabei nichts entgeht ist natürlich falsch. Aber in Zeiten von Abmahnungen sagen Menschen nicht immer ganz ehrlich was sie denken. Per Twitter kann man zumindest eine Stimmung erkennen und so eine Bindung zum Kunden erzielen. Um ehrlich zu sein freut man sich doch auch, wenn der Vertrieb etwas besser informiert ist über einen selbst.
Noch ein Eigenzitat: Bei mir würde jeder Call Center sofort ein Abo verkaufen können, wenn er wenigstens das wüsste was er bei Twitter in 5 Sekunden über mich lesen kann.
[...] hinterlassen zu Twitter: Wieder ein bisschen reingewachsen | medamind unter http://www.medamind.de/anwendungen/2009/tweetie-wieder-ein-bisschen-reingewachsen/#comment-651 No TweetBacks yet. (Be the first to Tweet this post) Ähnliche Beiträge:Twitter: Wieder ein [...]