Ängste vor Anpassung oder vor Veränderung?

Irgendwie scheinen Nicht-Programmierer (Nicht-Techniker - als Gegenstück zum Techniker, als der ich mich nie gesehen habe, aber gerne gesehen werde…?) gelegentlich Angst zu haben vor Programmierung und Anpassung. Insbesondere vor der Konzeption.

Nicht, dass sie es selbst machen müssten. Aber allein Sätze wie “Das kann und sollte angepasst werden.” oder “Diese Anforderung ist individuell, man müsste man noch…” lassen offenbar Schreckliches vermuten… Oder ist es das Entsetzen darüber, dass auch die ausgereifteste Softwarelösung eben allgemein gehalten ist?

Immer wieder erlebe ich es, dass ein Feature, nein mehrere Features komplett gekippt wurden, weil Anpassungen nötig gewesen wären. Und das, obwohl genau diese Tatsache längst bekannt war. Und das obwohl die Konzeption bis dahin Anklang gefunden hatte. Es scheint fast, als höre man an den komplexen Fragestellungen und an manchen Aspekten gerne vorbei, auch wenn sie oft genug Thema sind.

“Das brauchen wir doch nicht…”, “Ach machen wir es doch lieber wie gehabt…”  sind da ganz typische Reaktionen. Immer dann, wenn es ans Wesentliche ging - die Feinkonzeption nachdem die Richtung bekannt war und die Umsetzung. Nein, man spart dabei nicht nur an Funktionalität, sondern an Aspekten wie Usability, schlicht also an Bedienbarkeit und Übersichtlichkeit.

Für mich hinterlassen solche Erlebnisse immer wieder eine Menge an Fragezeichen. Es gibt sie nicht, die Software, die alles kann. Höchstens man hat keinerlei Ansprüche oder keinerlei individuelle Anforderungen.

Angst vor…?

Ist es, weil Programmierung Zeit und damit Geld kostet? Ist es, weil Programmierung und Anpassung ein durchdachtes Konzept erfordern? Weil man als Anwender nicht sofort sehen kann, wo es hinläuft? Weil der Ablauf des Programmierens für den Laien einer Black Box gleich kommt? Ist es, weil man sich vielleicht schon für die Enterprise Variante entschieden hat, die vermeintlich eierlegende Wollmilchsau, die doch schon bei der Installation wissen sollte, was Anwender später damit machen möchte? Sind es falsche Erwartungen an den Funktionsumfang einer Software? Ich weiß es nicht…

Kürzlich habe ich diesen durchaus richtigen Satz

Gesagt: “Das haben wir schon immer so gemacht!”

Gemeint: “Ich habe Angst vor Veränderung und Entwicklung.”

Das ist schon richtig, aber es ist bestimmt nicht das einzige, zumindest in diesem Fall nicht des Rätsels Lösung. Oder doch?

Was ich weiß ist, dass ich bei Sonderwünschen erstmal Informationen sammle, dann denke, probiere (ob und wie und vor allem auch wie schnell und unkompliziert es gehen kann) und dann neben Vorschlägen oft noch notgedrungen mit allerhand “komplizierten” Fragen komme, die sich vor allem mit der Logik des Ganzen beschäftigen. Kompliziert deshalb, weil sie sich bisher niemand gestellt hat. Kompliziert deshalb, weil sie sich mit alltäglichen Arbeitsabläufen beschäftigen, an denen man genauso alltäglich einfach vorbeischaut. Programmierung zur Schaffung von Problemen, die vorher nicht existent waren? Das Schlimme ist, dass ich nach Beantwortung der Fragen oder auch nach deren Nicht-Beantwortung, weiter denke.

Einfach nur eine Lösung

Kunden wollen niemanden, der denkt, sie wollen vor allem keine Fragen beantworten. Sie wollen aber auch niemanden, der sowas “analysiert”. Sie wollen einfach nur eine Lösung.  “Genau so wie jetzt, nur besser…”

Nur um den späteren Anwendern eine gelungene Anwendung umsetzen zu können, muss ich wissen,

  • was der Anwender braucht
  • wie er arbeitet
  • wo bisherige Zeitkiller und Fallstricke lagen
  • wo man sich Verbesserungen zu bereits bestehenden Lösungen wünscht

Und diese Information bekomme ich durch Fragen und Antworten, durch Beobachten, durch Analyse und durch Konzepte - eine Menge unheimlich klingener Begriffe für jemanden, der einfach nur eine Lösung haben will. Ich rede da noch gar nicht von “Return of Investment” und von “Effizienz” oder “Beratung”.

Genau da prallen also Welten aufeinander. Mehr noch als eine Website funktioniert Programmierung überhaupt nicht ohne ein wirklich in alle Richtungen durchdachtes Konzept. Die schnelle Änderung, die dann im Nachhinein vielleicht noch gewünscht wird, kann fatale Folgen haben.

Klingt das zu pessimistisch? Ich finde nicht… vielleicht habe ich mich an diesen realistischen und auch realen Blick aber auch nur einfach gewöhnt?

Noch schlimmer aber gibt es eben die Software noch nicht, die dem Benutzer nicht nur die ein oder andere Aufgabe abnimmt oder erleichtert sondern auch das Denken…

Eine sehr informative und interessante zweiteilige Reihe zum Thema User Experience und Usabilityfragen im Kontext “Enterprise Software” gibt es auf uxmatters:

Richtigerweise heißt es auch:

Enterprise software products are complex, powerful tools. Their complexity is one of the reasons businesses sometimes fail to fully realize the expected return on investment from these products.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Ängste vor Anpassung oder vor Veränderung?”

  1. am 23 Apr 09 um 00:07 meint

    Sieh mal an, die “Eingehende Links”-Funktion von Wordpress hat ja doch ihre Daseinsberechtigung. Warum hast du keinen Trackback geschickt? :-)

    Nochmal mein Senf dazu: Die Äußerung ist genau so provozierend wie anregend gemeint. Dass man nicht alles immer mit der Musterlösung abhandeln kann, ist klar und bedeutet auch, dass dieses von mir beschriebene Schema nicht immer zutrifft - dummerweise doch häufiger als man will.

    Ich habe jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass die meisten “Sonderlösungen” dann doch schneller umgesetzt waren, als alle befürchtet waren und meistens das Geplänkel länger dauert als die Schuldtilgung.

Auch was dazu sagen?