Aus jedem Projekt lernen

In habe ich neben vielem Richtigen und Wichtigem auch eine für mich etwas irreführende Formulierung gelesen, die hat weiterdenken lassen.

Es ging um den “schlechten Kunden” und dort dann auch die Frage, was das denn eigentlich sei, ein “schlechter Kunde”.  Es gibt wenig lukrative Anfragen, es gibt allerlei problematische Projekte und es gibt schwierige(?) Menschen. Es gibt  eine falsche Einstellung. Es gibt…

Wahrscheinlich…

Ich gehe davon aus, mit dem schlechten Kunden ist  primär die wenig lukrative Anfrage gemeint (alles andere macht für mich keinen Sinn). Das “low budget” Projekt. Bereits zu Beginn meiner Selbstständigkeit durfte ich damit einschlägige Erfahrungen machen, wurde oft von Kollegen gewarnt und später auch mit müdem Lächeln bedacht: “Anne, das hätte ich dir schon eher sagen können” oder “Hast du es immer noch nicht gelernt”. Ich bin ein gebranntes Kind, was die “low budget” Anfrage angeht. Ich war gutgläubig und gutmütig. Gutmütig bin ich heute immer noch.

Spätestens dann ist Schluss mit lustig, wenn man in Emails recherchiert, um die ganze Angelegenheit schwarz auf weiß zu haben, sich bei Kollegen ausheult, wieder mit müdem Lächeln bedacht wird, weil man eben mal schnell am Telefon ein neues Feature Request angenommen hat, das im Nachhinein nicht reproduzierbar ist, wenn man dann schließlich Mahnungen schreibt und von einem Anwalt die lapidare Erklärung bekommt, das hätte doch alles keinen Sinn.

Hat man sich dann wieder aufgerappelt, dann wird es Zeit nachzudenken. Spätestens dann fällt auf, dass es den schlechten Kunden nicht gibt, wenn man es richtig macht.

Low Budget

Es gibt eigentlich nur ein paar Interpretationsansätze für Low Budget Anfragen.

  • der Kunde hat wirklich keinen Cent
  • der Kunde schätzt den Auftrag falsch ein
  • der Kunde probiert’s halt mal

Halt! Eigentlich ist der ja noch kein Kunde, er ist ein potenzieller Kunde. Man erkennt recht schnell, ob es sich um Punkt eins, zwei oder drei handelt. Auf alle drei kann man reagieren.

Punkt 1 kann man lösen, indem man dem Kunden entgegen kommt. Es gibt Finanzierungsmodelle, man kann das Projekt abspecken, man kann den Kunden selbst mit in die Pflicht nehmen. Oder aber man kann sagen, er möge sich an die Konkurrenz wenden.

Punkt 2 kann man lösen, indem man den Kunden aufklärt. Er kann sich dann überlegen, ob er die Idee gänzlich ad acta legt, ob er bereit ist, mehr zu investieren oder aber ob man ihn ebenfalls zur Konkurrenz verweist. Letzteres wäre schade, denn die meisten Laien wissen einfach wenig und schätzen daher vieles falsch ein.

Punkt 3 ist der kritischste. Hier nein zu sagen, ist opportun. Vielleicht geht es aber doch anders. Zeigen, dass es eben so nicht geht. Geschäftssinn beweisen. Das Projekt akkurat zu den eigenen Bedingungen durchführen. Nur so, nicht anders. Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob diese Kunden tatsächlich die für weitere Geschäftsbeziehungen sind, - auf beiden Seiten. Die Chemie muss irgendwie stimmen. Das tut sie in dem Fall wahrscheinlich nicht (mehr).

Das schwierige Projekt

Viel häufiger entpuppen sich ja die Projekte als schwierig. Da hat man zwar alles erklärt, aber leider ist mangels Verständnis oder Kommunikation nicht alles angekommen. Dann irgendwann diesen Satz über die Lippen zu bringen, dieses und jenes sei aber nun nicht mehr im Budget enthalten, ist schwierig, insbesondere wenn es sich um einen netten Kunden handelt und um ein schönes Projekt, das eben nur leider etwas aus dem Ruder gelaufen ist, weil der Auftraggeber plötzlich inspiriert ist oder sich der ganzen Tragweite seines Unternehmens bewusst wird. Vielleicht auch, weil mangels Kommunikation einfach das ein oder andere Detail nicht zur Sprache kam.

Hier hilft eines: der Dialog. Aufklärung. Erklärung. Beratung. Für mich ist inzwischen das, was man neudeutsch Briefing nennt, mit das Allerwichtigste, um sich schon mal vernüftig in Richtung Angebot und Konzept zu hangeln. Regelmäßiger Austausch mit dem Kunden ebenso. Weiterdenken. Vorausdenken. Wichtiger als alles andere. Denn, wenn alles geklärt ist, kann man sich in Ruhe zurücklehnen und die Aufgaben abarbeiten, während man weiß, was es zu tun gibt. Alles andere artet gelegentlich in langwierige Diskussion aus, während sich das Projekt in die Länge zieht.

Der schwierige Kunde? - der individuelle Kunde.

Oft wird es doch einfach schwierig, weil dem Auftraggeber die Erfahrung fehlt. Er weiß nicht, wie komplex seine Wünsche auf technischer Seite umzusetzen sind. Für den Laien wirkt das alles im Zweifelsfall ganz einfach.

Und auch hier kann man reden. Man kann erklären, man kann schulen. Genau das muss man lernen, wenn man beispielsweise Websites macht oder Software entwickelt. Jeder Kunde hat eine andere, ganz eigene Vorstellung von Themen wie Internet, Website, Content Management System - das was man mentales Modell nennt. Jeder Kunde hat auch einen anderen Kenntnisstand, was den Umgang mit dem späteren Produkt betrifft (egal was es ist und egal, wie sehr man sich um Fragen der Usability bemüht haben mag).

Fazit

Es gibt vor allem schwierige Projekte und es gibt individuelle Kunden. Das, was ich glaube, gelernt zu haben ist:

Ziehe aus jedem Projekt irgendwas, lerne aus jedem Projekt. Was war gut? Was war weniger gut? Wie war die Kommunikation? Wo lagen die konzeptionellen, technischen und inhaltlichen Fallstricke? Wo hat man selbst Fehler gemacht? Wo hat man falsch reagiert?

Sieh jeden Kunden genauso individuell und setze dich intensiv mit ihm auseinander, wie man es mit den Endkunden des Kunden auch macht, wenn es um Usability Fragen geht. Das in unseren Augen beste Projekt ist nicht gut, wenn der Kunde nicht zufrieden ist.

Was dabei herauskommen kann, wenn man diese Schwierigkeiten nicht rechtzeitig erkennt, ist ja bekanntermaßen vielfältig. Dann nämlich sind meist am Ende des Ganzen alle einfach nur noch genervt und sind froh, dass es vorbei ist. Glücklich, wer da mit einem blauen Auge herausgekommen ist.

Das alles muss nicht sein. Lerne aus jedem Projekt. Sieh jeden Kunden als Menschen.

Okay, das klingt nun alles etwas hochtrabend und wenn ich sowas schreibe, kann ich mich gleich selbst nicht so richtig leiden. Aber hätte ich das nicht alles schon durch, diese traurigen, frustrierenden Erlebnisse genauso wie die schönen, stünde ich wahrscheinlich heute immer noch irgendwo am Anfang. Die unschönen Geschichten sind lehrreich, auch wenn sie weh tun. Theorie und Praxis klaffen immer mal wieder.

Eine andere Sache vielleicht auch noch, die mir bei den 11+ Tipps vor lauter “verschwende nicht deine Zeit” gefehlt hat, geht genau in die andere Richtung: Gönn dir eine Auszeit! Nein, keinen Urlaub (den auch mal, ja!), sondern Abstand vom Projekt. Klar ist es richtig, seine Zeit nicht zu verschwenden oder zu vertrödeln. Aber den Umgang mit Zeit halte ich für etwas ziemlich Individuelles.

 

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