Leidenschaftlich oder: Idealvorstellungen?

“passionate user” kam mir heute irgendwann unter: der leidenschaftliche User. Es bringt das auf den Punkt, was ich mit dem emotionalen Aspekt positiver User Experience verbinde. Und plötzlich wurde mir klar, dass genau das eigentlich auch meiner ganz persönlichen Idealvorstellung in meinem eigenen, kleinen Business nahe kommt: ein Kunde, der leidenschaftlich dabei ist, wenn es darum geht, ihn mit einem neuen Internetauftritt zu versorgen und im Netz zu positionieren.

Vielleicht fiel es mir deshalb so auf, weil mir kürzlich jemand sagte, er hasse Computer (und natürlich auch das Internet und diesen ganze technischen Schnickschnack?), - wolle aber trotzdem eine Website. Ein klarer Fall fürs “Nein!” - oder?  Denn hier ist der Misserfolg schon vorprogrammiert: das Projekt würde schwierig werden, die Erwartungshaltung des Kunden an einigen Stellen falsch, gepaart mit einer gewissen Verweigerungshaltung, und später gäbe es dann eine Website, die wie so viele Websites irgendwo im Internet steht und wartet, bis jemand zufällig darüber stolpert. Nicht mehr, nicht weniger. Eine unbefriedigende Aussicht…

Das Problem ist also klar: zur Verwirklichung meiner ganz persönlichen Idee braucht es nicht nur den passenden Service sondern auch eine Zielgruppe, zu der dieser Service passt, Menschen, die genau das zu schätzen wissen.

Ich hasse Computer - ich glaube, diesen Satz vergesse ich so schnell nicht. Er hat mich entsetzt…

Der Internetauftritt ist dauerhaft nur ein Kanal

Wir brauchen ein bisschen mehr Service Design im Webdesign, hatte ich kürzlich geschrieben. Es ist richtig, den Kunden dort abzuholen, wo er steht. Wege zu finden, dem Kunden nicht zuviel abzuverlangen, ihn aber gleichzeitig zu leiten, um ihn dazu zu befähigen, selbst Entscheidungen treffen zu können (und später eigenständig eine Website zu pflegen, falls er das möchte).

Ziel eines kundenorientierten Services sollte es sein, dem Kunden ein auf ihn zugeschnittenes Produkt anbieten zu können und den Kunden selbst dazu zu befähigen, Alternativen zu analysieren, Entscheidungen zu treffen und Ergebnisse bewerten zu können.

Ich hatte in diesem Kontext iteratives Webdesign als “Derivat” eines Extreme Programming, eines agilen Softwareentwicklungsprozesses in den Raum gestellt. Dies ist aber nur ein Teil des Ganzen. Wie während eines Projekts ein Internetauftritt wächst, so sollte auch der Kunde selbst “wachsen” - hineinwachsen in seine durchaus verantwortungsvolle Rolle als Websitebetreiber und auch in die Rolle als Unternehmer im Internet.

Nein- so klar ist das nicht, auch wenn viele  Unternehmen heute ganz selbstverständlich sofort mit Firmengründung auch online vertreten sind. Erstens sind es viele nicht - beispielsweise kleine Handwerksbetriebe (hier muss man sich fragen, ob sie das überhaupt müssen, vor einiger Zeit erklärte mir jemand, der mit Handwerk am Rande zu tun hat, das seien die, die “gebeten” werden wollen - und überraschte mich damit sehr), zweitens sind es viele nur sehr halbherzig. Eine Internetseite ist ja ganz nett, aber das Internet als virtuelle Welt verstehen (die durchaus einige Analogien zur realen Welt mit sich bringt) und versuchen, sich dort zu etablieren - das tun dann doch die wenigsten. Schade eigentlich…

Der Internetauftritt, die eigene “Homepage” wird dauerhaft nur ein Kanal unter vielen sein, die genutzt werden können, ja sogar müssen, um online Fuß zu fassen.

Etwas mehr Natürlichkeit?

Hier sind wir natürlich schnell in der Marketingschiene. Ein Thema, das ich, wie regelmäßige Leser wissen, besonders liebe, weil ich kein Freund dieser Guerillafraktion bin, ebenso wie kein Freund derer, die meinen, Marketing sei ein bisschen “massives SEO”, insbesondere aber bin ich kein Freund der Marketingagentur, die für “das Template” dann noch schnell den externen Webdesigner anheuert. Vielleicht, so überlege ich mir, gewinnt Marketing einen ganz anderen Aspekt, wenn man sich mit dem Medium Internet und seinen Kanälen wirklich auseinander setzt? Versucht, sich dort (in “virtuellen Welten”) zu etablieren? Vielleicht gewinnt Marketing so wieder ein bisschen an Natürlichkeit?

Immer noch bin ich am Überlegen, wie Twitter und Freunde für das Marketing des kleinen Business genutzt werden könnten. Ich behaupte inzwischen mal: gar nicht! Zumindest gibt es, verstehen wir das “webzweinullige” mal als Mitmachnetz, gerade für den, der neu dazu kommt, keine isolierte Website, kein isoliertes Marketing via Twitter, Facebooks oder ähnliches - sondern nur sowas wie “eine Marke” oder besser vielleicht “ein Gesicht” im Netz, gestreut durch verschiedene Kanäle.

Und das Internet begreifen als Kommunikationsmedium wie auch Informationsquelle, kann nur, wer es nutzt, wer mitmacht und sich so eine Meinung bildet.

Der Kunde wächst mit

So stelle ich mir also vor, der Kunde wachse mit seinem Projekt - egal, wo man ihn ursprünglich abholen musste.  Er mag unbedarft sein, ein Laie eben, aber er muss eines mitbringen, das unverzichtbar ist: Begeisterungsfähigkeit. Das betrifft einmal den Wunsch, vielleicht etwas Technisches zu lernen, sich professionell beraten zu lassen (auch das ist nicht immer klar, denn es gibt den “beratungsresistenzen Kunden”), aber auch unvoreingenommen auszuprobieren und mitzumachen.

Sind diese Kriterien erfüllt, dann steht eigentlich dem “Wachsen des Kunden mit seinem Projekt” nichts im Weg.

Schlimmer aber noch ist folgendes: ich bin überzeugt davon, dass es keine Alternative dazu gibt. Der mit der “Verweigerungshaltung” (”Ich hasse Computer!”…) wird schlicht keine Chance haben. Natürlich wird er jemanden finden, der ihm eine Website nach seinen Wünschen ins Netz stellt. Aber er wird damit keinen Erfolg haben können, weil der letzte Kick, etwas draus zu machen, im Zweifel fehlt. Und der, dem das KnowHow fehlt, muss die Chance wahrnehmen.

Ich habe meine eigene, sicher auch nicht ganz richtige, vor allem aber nicht vollständige “Idee vom Web”. Eine dynamische Sicht auf die Dinge übrigens, denn wir kommen nie richtig an, - wobei mich übrigens gerade Twitter ein Stück unterstützt hat! Die würde ich gerne öfter anbringen können. Ich würde vor allem gerne die Begeisterung weitergeben können, die mich selbst gelegentlich packt. Und ich würde meine Kunden gerne ein Stück weit mehr führen.

Dass es heute übrigens wirklich Menschen gibt, die ohne sich dabei in irgendeiner Form lächerlich zu fühlen, sagen können, sie hassen Computer, finde ich persönlich erstaunlich. Das sind entweder die, die einfach nicht neugierig genug sind oder nicht begriffen haben, dass sie irgendwann abgehängt werden - wenn sie das nicht schon längst sind…

 

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