Infopath: an was man noch denken sollte

In den letzten Tagen habe ich wieder einmal viel mit Infopath gearbeitet. Zu kaum einem anderen Programm verbindet mich eine derartige Hassliebe. Ein Faktor, der mir das Leben immer wieder schwer macht, ist die kaum zu kalkulierende Zeit für einige ganz typische, vor allem aber ganz alltägliche Handgriffe - und das mit einem Werkzeug, das ich nun seit 4 Jahren intensiv nutze. Denn Infopath ist ein Programm, das Uberraschungen bereit hält: Wichtig zu wissen für den, der ein Projekt plant und dabei insbesondere auch druckbare Ansichten nutzen möchte.

Mein dauerhaftes Problem liegt weniger darin, dass ich Infopath nicht gerne bediene. Das Problem liegt vielmehr darin, dass ich trotz absoluter Routine oft nur schwer sagen kann, wie lange es denn nun dauern wird, denn die Fallstricke sind dann doch immens und lauern dort, wo man sie gar nicht vermutet. Ein Problem für alle die, die Infopath-Projekte relativ genau kalkulieren müssen oder wollen. Meiner Erfahrung nach geht das eigentlich kaum.

Meine Erfahrungen mit Infopath (ein Auszug)

Einige Probleme sind eigentlich schnell auf einen Nenner gebracht: das Layouten von Ansichten. Hier stößt Infopath an seine Grenzen und verhält sich, sagen wir mal, fast schon kontraproduktiv. Aber es gibt weitere Zeitkiller. Die Liste der Merkwürdigkeiten und weniger schönen Programmfunktionalitäten, die mir begegnet sind, ist lang. Beispielsweise:

  • Copy und Paste ist nur bedingt möglich, vor allem aber nur innerhalb einer Infopath-Vorlage (auch wenn zwei Vorlagen jeweils ein identisches Schema zugrunde liegt). Alle XPath Informationen gehen verloren. - Man muss das einfach wissen.
  • Copy und Paste kann dazu führen, dass Formatierungen ebenfalls mit übernommen werden, es kann aber auch dazu führen, dass die Formatierung nicht mit übernommen wird. Eine Auswahl, wie man sie aus Word kennt (Zielformatierung) ist nicht möglich. Hier hilft gelegentlich nur Try and Error
  • Manchmal passiert es, dass eine vom Entwickler vorgegebene Schriftformatierung schlicht gar nicht übernommen wird, sich dafür aber die Formatierung an anderer Stelle ändert.
  • Ein Carriage Return (sprich das Einfügen eines neuen Absatzes) kann dazu führen, dass sich eigenmächtig die Formatierung einzelner, anderer Absätze ändern.
  • Die Änderung einer Schriftart über eine gesamte Ansicht kann zu überraschenden zusätzlichen Abständen führen (sic!)
  • Infopath erzeugt nach wiederholbaren Abschnitten gerne Leerraum, der sich nicht um alles in der Welt entfernen lassen möchte (außer über die Quelldatei im Texteditor, aber das ist sehr umständlich und zeitaufwändig)
  • Es gibt keine Default-Einstellungen, die Vorlagen-übergreifend für alle so genannten Ansichten gültig sind. So müssen Seiten-Einstellungen für jede Ansicht neu vorgenommen werden.
  • Es kann der Fall eintreten, dass vom Entwickler vorgenommen Einstellungen nach Wechseln der Ansicht in eine andere plötzlich (und wie von Zauberhand) wieder zurückgängig gemacht wurden.
  • Die Verwendung “abweichender” Schriftarten (Verdana ist hier Default) ist mit Vorsicht zu genießen und sollte in den Einstellungen zu Ansicht für jedes Text-Element gesondert gesetzt werden (sonst wird man die Verdana nie los)
  • Nicht jedes Element, für das man eine automatische Höhe, angepasst an den Inhalt, vorgegeben hat, hält sich auch an diese Anweisung. Dies gilt insbesondere für Abschnitte.

Man mag nun meinen, Infopath wäre absolut ungeeignet, um damit etwas sinnvolles zu machen. Ich muss dem ganz entschieden widersprechen. Das Wichtige ist lediglich, sich zu Beginn eines Projekts ausreichend Gedanken zu machen und den Projektablauf ausreichend zu planen - nicht nur technisch/inhaltlich. Mit einigen Best Practices wird das Arbeiten mit Infopath so auf jeden Fall um einiges leichter.

Bedenkenswertes zur Projektplanung

Damit ein Infopath Projekt weder zum Zeitkiller noch zur nervlichen Zerreißprobe wird, ist es sinnvoll, sich an ein paar Kleinigkeiten zu halten und auch zu kommunizieren.

Die Grundeinstellung

Alle Beteiligten müssen vorab wissen, dass Infopath nicht die Möglichkeiten von Word oder anderen Textverarbeitungsprogrammen mitbringt und sich hinter Infopath und Word auch unterschiedliche Produkte und Konzepte verbergen. Es mag der Punkt kommen, an dem man Abstriche hinnehmen muss. Dieser Aspekt ist ganz, ganz wichtig: Alles andere macht unglücklich.

Wer als Entwickler mit Infopath arbeitet, sollte alles vergessen, was er bisher über Standards, HTML und CSS gelesen, gehört oder gelernt hat. Infopath erzeugt seinen eigenen Code, dem man sich fügen sollte. Idealismus ist beim Arbeiten mit Infopath nur dann gefragt, wenn es um ein funktiontüchtiges, benutzerfreundliches Produkt geht.

Ein paar Tipps

  • Wer effizient arbeiten möchte, setzt, soweit dies möglich ist, trotz allem auf Copy & Paste der Inhalte insbesondere druckbarer Ansichten.  Dies bedeutet, mit der komplexesten, wiederverwendbaren Ansicht anzufangen und von dort gegebenenfalls Elemente zu kopieren.
  • Falls Layout-Probleme auftreten sollten, ist es sinnvoll, zunächst eine Ansicht zu optimieren. Änderungen, die sich durch Fehlerfortpflanzung ergeben haben, sind echte Zeitfresser.
  • Sollen für eine Infopath Vorlage viele Druckansichten erstellt werden, ist es unter Umständen sinnvoll, die Zeit ausschließlich in die Erstellung von XSLT-Transformationen und Stylesheets für Word zu stecken.
  • Insbesondere ist das Zusammenspiel im Office Umfeld etwas, das von Anfang an zum Thema gemacht werden sollte. Nachrüsten geht, ist aber mit hohen Kosten verbunden.
  • Abhängig vom XML-Schema können zur Darstellung von Information viele XPath Abfragen nötig sein, die durch das grafische User-Interface und seine vielen Klicks gelegentlich viel Zeit kosten.
  • Die Formatierung von Schreiben mit einer großen Mischung aus Fließtext, wiederholbaren Abschnitten und wiederholbaren Tabellen erfordert einiges Fingerspitzengefühl. Sobald eine Formatierung wie gewünscht funktioniert, sollte man sich die Einstellungen genau notieren, denn Nachschauen kostet immens viel Zeit.
  • Jede (auch eine kopierte!) Formatierung sollte unbedingt im Vorschau-Modus überprüft werden. Das dauert zwar, erspart aber Ärger und ist im Endeffekt doch Zeitersparnis.
  • Das Arbeiten mit Layout-Tabellen macht das Layouten leichter - elegant ist der von Infopath generierte Code in jedem Fall nicht. Keep it simple. Layout-Tricksereien mit Infopath sind kaum möglich.
  • Die Angabe von Texteigenschaften in der Ansichtskonfiguration ist zwar nicht zwingend nötig und ebenfalls zeitaufwändig, schützt aber deutlich vor unerwünschten Überraschungseffekten.
  • Mehr noch als bei anderen (Office)-Produkten sollte man sich des Ziel-Druckers annehmen: Seitenränder behandelt Infopath schlicht anders als beispielsweise Word.
  • Vor der Veröffentlichung liegt immer ein letzter, sehr ausführlicher Check aller Funktionen und des gesamten Layouts, insbesondere der Druckansichten.

Die wichtigste Regel aber ist: Infopath ist ein mächtiges Werkzeug - und trotzdem ist mit Infopath nicht alles machbar. Wann immer die Anforderungen nicht auf den ersten Blick ganz klar umsetzbar sind, sollte man eine Machbarkeitsanalyse durchführen (auch wenn das ärgerlich für alle Beteiligten ist).

Wer insbesondere die Grundeinstellungen beherzigt, sich die Grenzen, Probleme und Zeitkiller bewusst macht und sich anderweitig auch darüber im Klaren ist, in welche Abhängigkeiten er sich durch die Verwendung eines proprietären Produkts wie Infopath begibt, wird alles in Allem dann doch schnell Erfolgserlebnisse haben.

 

2 Antworten zum Beitrag “Infopath: an was man noch denken sollte”

  1. am 30 Jun 10 um 13:54 meint

    Claudio Spizzi

    Hallo Anne-Kathrin
    Vielen Dank für diesen sehr guten Artikel. Ich nehme an du arbeitest mit InfoPath 2007? Mich würde stark interesseieren, ob du mit dem neuen InfoPath 2010 bessere Erfahrungen machen konntest? (Falls du es bereits getestet hast.)
    Gruss Claudio

  2. am 01 Jul 10 um 14:20 meint

    Anne-Kathrin

    Ja, das ist ein Infopath 2007 Bericht.
    2010 habe ich leider noch nicht testen können.
    Ich denke aber, neben der Anpassung der Benutzeroberfläche haben sich vor allem hinsichtlich der Web-Formulare Verbesserungen ergeben.
    Wir werden sehen, ich denke, ich werde mir bei Gelegenheit mal eine virtuelle Maschien mit der 2010 Trial bestücken.

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