Ich träume von…

Ich träume vom 48 Stunden Tag. Idealerweise 72. Aber 48 würden mir fürs Erste vollkommen reichen… Mein 48 Stunden Tag wäre mein Geheimnis und die 24 Stunden plus würden es mir ermöglichen, mein Leben etwas ruhiger anzugehen, - niemand könnte es also ausnutzen. Ich stelle mir vor…

… ich hätte für alles mehr Zeit, ich wäre nie mehr gehetzt. Wie ich das mache, weiß niemand, denn mein 48 Stunden Tag gehört nur mir, die 48 Stunden Uhr gibt es nur für mich. Meine innere Uhr.

Den 48 Stunden Tag würde ich nicht dazu nutzen, Übermenschliches zu leisten, ich würde einfach das, was ich mache, in vernünftiger Zeit absolvieren, nicht so gestresst und multitasking-orientiert wie im Moment. Selbstverständlich würde mein Körper mit diesem doppelten Tag genau so umzugehen wissen als wäre es ein ganz normaler, wie bei allen anderen auch.

Morgens, halb zehn (oder halb neun?)

In der Früh wenn wir aufstehen, finge der Tag schon viel ruhiger an. Zwei Stunden noch bis zum Kindergarten, drei Stunden noch, bis ich weiß: nun kann ich mich nicht mehr rausreden, der Schreibtisch ruft. Das bedeutet mindestens einen genüsslichen Kaffee mehr, ausnahmsweise eine Runde Zeitung lesen. Nein, ich würde wahrscheinlich nicht mal später aufstehen, denn auch die Nacht ist doppelt so lang und so bin ich um 6.00 Uhr bereits richtig ausgeschlafen und guter Dinge. Ich würde aber vielleicht ein paar Minuten länger liegen bleiben. Die Kinder fit zu machen, insbesondere Linus, der sich noch nicht so wirklich selbst organisiert, ginge mir locker und entspannt von der Hand, nicht das übliche Getobe, Gemecker und der allmorgendliche Streit, wenn wir spät dran sind und sich der Berg Arbeit immer drohender vor mir aufbaut. Ich würde gemütlich zum Kindergarten fahren und würde wieder zuhause langsam meine Jacke ausziehen, während ich sie sonst an den Haken schmeiße und die Schuhe mehr oder weniger im Laufen von meinen Füßen montiere auf dem Weg zum Rechner, wo schon das Mailprogramm im Dock hüpft und der Skype pingt.

Business as usual

Ich würde ganz relaxed meine Emails lesen, mich entspannt zurücklehnen und mir erstmal in Ruhe einen weiteren Kaffee und dann Gedanken machen, auch wenn da jemand die Antwort am liebsten “gestern” haben möchte. Nebenher würde ich vielleicht ein paar Blogs scannen nach neuen interessanten Artikeln und - genau! - ich würde mich auch mit Dingen beschäftigen, die die Welt nicht braucht und mir Informationen anlesen, die normalerweise absoluter Luxus sind, zu erfahren, weil sie einfach “nice to know” sind, aber nicht existenziell. Vielleicht würde es mir auch gelingen, Fragestellungen nicht nur zu beantworten, sondern die Antworten auch gleichzeitig so tiefgreifend wie möglich in Erfahrung zu bringen, ein bisschen wie Wissenschaft.

Ich wäre absolut cool, wenn der erste Notruf des Tages eintrudelt. Ein “Schaffen Sie das heute noch?” würde ich mit einem klaren und ruhigen “Ja, selbstverständlich” beantworten und mich erstmal eingehend  mit mehr als zwei potenziellen Lösungsansätzen auseinandersetzen, ohne das Gefühl zu haben, ich müsse mich dafür rechtfertigen und ohne den Blick auf die Uhr mit dem Wissen, dass der nächste Anruf oder die nächste Email, wann es denn etwas zu sehen gäbe, sicherlich gleich kommt. Es würde mir Spaß machen, die wirklich perfekte Lösung umzusetzen und ich würde pünktlich zur vereinbarten Zeit eine lockere Email schreiben, dass der Job nun erledigt sei.

Mittags würde ich wie alle anderen Pause machen und wäre trotzdem immer erreichbar. Endlich wäre ich weg vom “schnell mal zu Kaffeemaschine und Kühlschrank” und mein Hundespaziergang könnte auch länger ausfallen. Vielleicht hätte ich dazwischen auch noch Zeit, noch einmal unwichtige Information in mich aufzusaugen oder Lustiges zu finden. Vielleicht wäre dazwischen auch mal Zeit für eine längere private Email. Wer weiß. Ich hätte auch Zeit für Fachsimpeleien mit Kollegen beim gemütlichen Kaffee (wenn auch nur virtuell).

Ich hätte insgesamt vor allem für jeden Kunden  mehr Zeit und müsste nicht mehr den gedanklich und organisatorischen Spagat machen, um bei zwei oder mehr Projekten gleichzeitig sein zu können. Es wäre auch mal Platz für ein paar persönlichere Worte - die, wie ich finde, nie schaden können und jedem mal gut tun, sofern möglich zwischen all dem Abstrakten des eigentlichen Projekts. Alle wären zufriedener und ich wäre auch am Spätnachmittag noch vollkommen relaxed, obwohl ich inzwischen sogar einiges andere erledigt habe, wie beispielsweise Chauffeurdienste für meine Kinder. Die optimale Lösung würde ich wie aus dem Nichts aus dem Ärmel schütteln. Ich wäre endlich auch dabei, an vorderster Front, ich wüsste sofort bescheid, nicht so wie jetzt, wo meine “Innovationen” oft wie Schnee von gestern zu sein scheinen und ich mir jede Minute mühsam freischaufeln muss, die ich mit solch eigentlich wichtigen Dingen wie Tests verbringe, während ich mit schlechtem Gewissen meinem Zeitplan hinterherhinke.

Der ganze administrative Part wie Rechnungen, Angebote oder das überflüssigste von allem: Steuern, all das würde nebenher laufen, ohne dass mir irgendwas im Nacken säße. Ich könnte endlich die dafür eingeplante Zeit wirklich nutzen, denn es würde mich nicht stören, wenn etwas Außerplanmäßiges dazwischen käme.

Blick in die Zukunft

Abends könnte ich mich mit Spaß der Weiterentwicklung widmen, das heißt sehen, was sonst noch so los ist, Software testen, hier und da mal was ausprobieren - und ich hätte trotz allem noch Zeit für meine Familie. Und auch das Wochenende, das ich sonst vielfach dazu hergenommen habe, um meinen bis dahin nicht existenten 48 Stunden Tag selbst zu erfinden, indem ich eben auch da noch gearbeitet habe bis zum Umfallen, wäre nun endlich wieder seinen Namen wert und wäre nicht geprägt von beruflichem Ehrgeiz, der Erledigung liegengebliebener Aufgaben (real ist das meistens mein Haushalt…), sondern jetzt wieder was für Leben und Spaß so wie bei andere Leuten auch.

Später dann könnte ich eine Stunde länger lesen. Endlich wieder, ohne dass mir dabei die Augen zufielen und ohne das Wissen, dass am nächsten Tag unerbittlich der Wecker klingelt- dank meiner entspannenden, längeren Nacht.

Mein 48 Stunden Tag. Der Traum davon, endlich Familie und Job unter einen Hut zu kriegen, ohne das Attribut Rabenmutter im Nacken und ohne die Sorge um Unzuverlässigkeit, immer mit der Hoffnung auf das Verständnis meiner Kunden und immer mit Blick, der Suche nach irgendwas Nachhaltigem in meinem Business, das mir das Gefühl gäbe, ich sei endlich angekommen.

Vielleicht sollte man es manchmal etwas ruhiger angehen lassen und das tue ich auch, beispielsweise durch den Computerhund oder auch durch meine Blogs. Trotz allem fühle ich mich immer gehetzt und die gut gemeinten Ratschläge meiner Mitmenschen, ich solle es doch nun mal gut sein lassen, verhallen auch nicht ungehört - nur leider muss ich ja auch noch Geld verdienen und den Sponsor, der mir die Umsetzung seines gut gemeinten Rats dann auch noch finanziert, den gibt es leider nicht.

Leider gibt es auch den 48 Stunden Tag nicht. Und so träume ich meinen Traum weiter, hangle mich durch den ganz normalen Wahnsinn und bin eigentlich ganz zufrieden mit mir, weil ich es wenigstens schaffe, die wenige Zeit, die ich habe, effizient zu nutzen.

 

5 Antworten zum Beitrag “Ich träume von…”

  1. am 14 Dez 08 um 12:49 meint

    Thorsten

    Hey Anne-Kathrin,

    hast Du mal darüber nachgedacht zu meditieren? Das kann man morgens nach dem Aufstehen für 15 Minuten machen. Du schreibst zwar abschließend, dass Du ganz zufrieden mit Dir bist, die zu Verfügung stehende Zeit effizient zu nutzen, aber eine gewisse Unzufriedenheit klingt da ja auch durch. Ansonsten hättest Du den Beitrag wohl nicht geschrieben.

    Schau mal dort für eine einfache Übung: Vielleicht hilft Dir das ja, falls Du es mal probieren möchtest.

    Ein entspanntes Wochenende.

  2. am 15 Dez 08 um 21:24 meint

    Anne-Kathrin

    Ich glaube, du kannst dir nicht vorstellen, was bei mir 3 Minuten nach dem Aufstehen los ist ;-)…
    Nein im Ernst, eigentlich bin ich ganz relaxed.
    Nur manchmal erfüllt es mich vielleicht etwas mit Ratlosigkeit, dass die Welt alle Zeit dieser Welt zu haben scheint. Man will schließlich nicht immer nur einfach “effizient” sein, oder?

  3. am 15 Dez 08 um 23:51 meint

    Thorsten

    Nein,

    genau darum geht es ja… nicht immer “nur effizient” zu sein. Wenn man die Umwelt nicht ändern kann, schafft man es vielleicht bei sich selbst?

    Und was das “alle Zeit der Welt haben” angeht, das ist bei einigen anderen Menschen sicherlich so: Menschen, die nicht selbständig sind, keine Kinder haben und auch keine Haustiere, schätze ich. Nun wende Dich wieder meinem ersten Absatz zu :D

  4. am 17 Dez 08 um 10:30 meint

    Hallo Anne-Kathrin,

    ich find das ganze sehr Amüsant, da ich das gleiche thema (48h Tag) mit einem Freund, letztens erst hatte. Nachdem ich hier deinen eintrag gelesen habe ist mir erst klar geworden das ich solch einen Tag eigentlich nicht brauche
    (Ich würde viel zu viele Sachen machen die nur “nice 2 have’” wären.
    Ich bin kein “Freiberufler”
    ich hab keine Kinder
    dennoch habe ich mir solch einen Tag das eine oder andere mal gewünscht doch wenn ich mir hier deinen Tagesablauf so durch lese, stell ich mir die frage wow wie du das machst. Respekt! Und wenn das ganze dich auch gar nicht so mit nimmt, wie man erst denkt finde ich machst du deine sache doch ganz Ordenlich ;)

    lg
    markus

  5. am 23 Dez 08 um 06:35 meint

    Der traeumende Philosoph

    Liebe Anne,

    Oft, wenn die bestmoegliche Loesung die einzig akzeptable ist, wenn nicht der kleinst
    e Fehler zugelassen werden kann und wenn nicht eine einzige Sekunde verschwendet werd
    en darf, tritt der Mensch aus sich heraus und macht Dinge moeglich, die als unmoeglic
    h gegolten haben. Das ist heilig. Oder, wie bei Dir, wenn die Existenz als solche ber
    eitwillig gegeben, weil die einzige Waehrung die genommen. Auch das ist heilig. Die B
    elohunung fuer das eine ist die Zeitlosigkeit, die Belohnung fuer das andere ist der
    Tod. Auf dem Weg dorthin gibt es viele Oasen, Inseln der Bedeutungslosigkeit, der Fre
    ude und des Vergessens. Nimm die suessen Datteln und denke nicht schlecht darueber, s
    ie sind fuer Dich.

    Der traeumende Philosoph

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