Das Vereins-CMS

Gestern erreichte mich eine Email mit der fast etwas verzweifelten Frage nach “dem passenden CMS” für einen Verein. Zwei standen noch zur Auswahl, nach einigen Tests. Ob ich weiterhelfen könne mit einigen Pro und Contra Argumenten. Ich werde hier, so habe ich mich entschlossen, keine CMS Beratung anbieten. Auch zu Pro und Contra habe ich schon einiges geschrieben.

Aber ich dachte mir, vielleicht könnten einige Fragen weiterhelfen, wie ich sie mir stellen oder Reaktionen, die ich von Projektbeteiligten erwarten würde…

Zu Anfang vielleicht ein paar persönliche Wort (wie auch zum Schluss): Der Webworker ist hier ein einer recht schwierigen Position, wenn er nicht Vereins - oder Community Websites zu seinem Geschäftsmodell gemacht hat (geht das, frage ich mich da sofort…). Und meine Meinung zum Thema ist subjektiv und sicherlich auch gefärbt von viel Forensupport. In CMS Foren tummeln sich Massen derer, die (weil sie es selbst umsonst anbieten?) sehr fordernd werden. Und oft kommt nicht an, dass der Supporter hier auch ehrenamtlich tätig ist. Das führt immer wieder mal zu Stimmungsschwankungen auf beiden Seiten. Mir ist aber durchaus bewusst, dass die “Homepagebeauftragten” von Vereinen und Gemeinnützigen Einrichtungen durchaus nicht über einen Kamm geschoren werden dürfen. Ich seh nur: ich tu mich hart - also seht es mir nach…

Der Verein

Der zentrale Aspekt jeden Vereins ist die Gemeinschaft - per definitionem. Im Gegensatz zu einer Firma möchte man im Verein einzelne Mitglieder präsentieren, einerseits durch die Rollen, die sie innerhalb des Vereins übernommen haben, andererseits durch Erfolge (ein klassisches Beispiel wäre der Sportverein).

Es ist nun komischerweise schon fast “Volkssport” geworden, nicht nur jedem Verein sondern teils sogar jeder Abteilung seine Homepage zu gönnen und sich hier dann gerne auch selbst zu übertrumpfen. Gut, dass es in jedem Verein den gibt, der schon mal ein bisschen gebasteltet hat, gelegentlich hat man sogar einen richtigen Profi im Verein. Oft sind das sehr engagierte Menschen, die sich mit Begeisterung reinknieen und ab sofort den Homepagebeauftragen spielen (müssen). Natürlich für lau und in der Freizeit. Ein ziemlich ehrzeiges, ehrenamtliches Engagament - das, macht man es richtig, für den weniger versierten Hobby-Websitemachen sicherlich mit viel Knowhow belohnt wird.

Vereine gibt es nun ziemlich viele. Und genau da wird es interessant, wenn der Homepagebeauftragte zunächst ein System aussuchen soll.  Es gibt Vereine als “Interessengemeinschaft” (der Verein zur Förderung …), es gibt vor allem aber viele Sportvereine mit einzelnen Abteilungen und Teams, die oft auch noch in verschiedenen Ligen spielen.

Der Gemeinschaftssinn bringt es mit sich: die Vereinsmitglieder selbst, die Fans, aber auch die “Konkurrenz” soll sehen, was im Verein geboten ist, wer wer ist  und schließlich können über eine solche Website auch neue Mitglieder angeworben werden.

So weit zur Ausgangssituation.

Wäs wäre also wünschenswert?

Wünschenswert wäre wahrscheinlich, mit einem Webauftritt mehrere Abteilungen organisieren zu können, was wiederum bedeutet, mehrere Redaktionen zu organisieren. Thema Zugriffsrecht. Dringend notwendig ist sicherlich jegliche Funktionalität rund ums Bild, eventuell sogar Video. Desweiteren benötigt der Verein einen Kalender. Nicht nur um auf eigene Termine aller Art hinweisen zu können, sondern auch auf regionale Veranstaltungen. Nicht zu vergessen ist dann auch die Struktur: Verein -> Abteilung -> Mannschaft -> Mitglieder auf der einen, Liga -> Mannschaften -> Spiele und Ergebnisse auf der anderen Seite, geht es um einen Sportverein. Andere Vereine bieten vielleicht viel Informationsmaterial an und wünschen sich daher ein flexibles Download Management inklusive granularer Zugriffsberechtigung. Ein typisches Szenario wäre: Besucher dürfen Bilder sehen, Mitglieder dürfen diese auch downloaden.

Die Liste könnte weitergeführt werden, nun kommt aber etwas anderes ins Spiel:

Wünsche, noch mehr Wünsche

Viele Besucher der Website werden absolute Laien oder blutige Internetanfänger sein. Während unsereins gerne mal dem “weniger ist mehr” Prinzip folgt, empfinden Laien interessanterweise ja, gerade wenn es um den Funfaktor im Leben geht, das Blinkende und Interaktive besonders “innovativ” und erstrebenswert.  Da hat der Verein aus dem Nachbarort einen Internetauftritt mit Umfrage. Die anderen haben einen Newsticker eingebunden, dessen Inhalte als buntes Marquee über die komplette Seitenbreite wandern. Und die nächsten wieder haben nicht nur einfach eine Bildergalerie, sondern auch noch eine Bewertung mit netten gelben Sternchen und einer Kommentarfunktion.  Nicht zu vergessen das Gästebuch. Und prompt kommen von allen Seiten Anregungen - der Homepagebeauftragte ist in der Pflicht, sich etwas einfallen zu lassen.

Das Argument des engagierten Homepagebeauftragten, man habe hier auch Überlegungen hinsichtlich sauberen Codes anzustellen, ist meines Erachtens ganz realistisch betrachtet kein haltbares. Es bedarf schon einiger Tricks und Überzeugungsarbeit, den Laien zu überzeugen, wo denn der Vorteil eines tabellenfreien Layouts und eines sauberen, standardkonformen Codes liegt, insbesondere wenn argumentative Klassiker wie Usability, Marketing und Zielgruppe nicht so zum Tragen kommen können.

Es ist egal, dass Foren in kleinen Gemeinschaften irgendwann mal einschlafen, weil sich die einen nicht trauen und die anderen nicht wollen, es ist egal, dass in Gästebüchern nach anfänglicher Euphorie meist nur noch Spameinträge landen und es ist ebenso egal, dass die Sternchen und die Kommentarfunktion in der Bildergalerie irgendwann keinen mehr interessieren. Auch die tolle Funktionalität der Bildergalerie,  die Slideshow, die Flashversion - sie werden nicht genutzt. Warum also das Ganze? Tja.

Wir können uns natürlich fragen, ob der Verein das alles wirklich braucht. Aus meiner Sicht und als jemand, der diesem Vereinsleben eher kritisch gegenübersteht (und im Moment eher geschädigt ist angesichts eines Bierzelts, das man hier gestern anlässlich eines Vereinsjubiläums aufgestellt hat, um die Wenzenbacher auch um Mitternacht noch mit den entsetzlichsten Tönen zu belästigen - so funktioniert das nämlich auf dem Land…) würde ich klar sagen: das alles braucht Ihr nicht, schaut lieber, dass die Website gut zu pflegen ist und sie auch vom Laien schnell bedienbar wird.

Aber geht das überhaupt? Sind nicht gerade die Vereinswebsites oft noch die, wo einige das Gefühl, ja den Drang verspüren, sich endlich mal auszutoben - mit allem, was CMSe so zu bieten haben und was das Java Script hergibt? Und sollten wir uns nicht hier, auf dieser ganz privaten Ebene dazu durchringen, den ein oder anderen ästhetischen Abstrich zu machen? Ich glaube, das ist eine Grundsatzdiskussion, die so leicht nicht zu beantworten ist und wahrscheinlich die Webwelten spaltet.

Dem, der mich da fragte, ob ich ihm ein paar Pro (funktionale Lösung)  und Contra (überfrachtete Lösung) Argumente bieten könne, kann ich nur sagen: es muss klar sein, was dringend benötigt wird und es muss klar sein, wo man innerhalb des Vereins hin möchte. Es muss auch klar sein, wie viel Arbeitsaufwand der Homepagebeauftragte betreiben möchte. Wer in seiner Freizeit (ohne irgendeinen weiteren beruflichen Bezug) Websites betreut, unentgeltlich versteht sich, der wird sehr daran interessiert sein, möglichst viele Funktionen bereits on Board oder aber als Addon zu finden, ohne selbst auch noch programmieren zu müssen. Die Frage ist, in wie weit er in die Verlegenheit gerät, auch nachträglich noch die ein oder andere Erweiterung installieren zu müssen. Dies wiederum bedeutet ganz klar, dass idealerweise auch die Rolle des “Webmasters” vorab geklärt ist.

Persönlich

Ich habe kürzlich überlegt, einen Verein mitzugründen (es gibt ihn immer noch nicht). Um Hunde soll es dabei gehen, denn wir haben vor Ort ein Problem als Halter großer Hunde - und da braucht es eine Lobby. Die Idee, diesen Verein auch mit Website auszustatten, war natürlich naheliegend. Und für mich war auch klar: das würde ich natürlich übernehmen, zusätzlich zur “Öffentlichkeitsarbeit”.

Einige Tage später präsentierte man mir einen Logoentwurf und wieder einige Tage einen weiteren. Es hätte sich da schon mal jemand gespielt. Ein paar nette Elemente, insgesamt aber aus meiner Sicht eher was fürs Gruselkabinett, da bin ich ganz ehrlich. Es hing vor allem an der Typo. Ich habe keine Ahnung, wie man diese Schriften nennt - es war eher fancy, italic und in Fettschrift. Inklusive Farbverlauf im Hintergrund. Ein Riesending insgesamt. Kurz: das einzig nette waren einige stilisierte Hunde. Ich tat mich hart, nicht einen absolut entsetzten Gesichtsausdruck zu bekommen. Meine Meinung habe ich dann auch gesagt: ich mach das gerne, aber nicht mit diesem Logo, alles etwas dezent, alles etwas seriös - was ja nicht heißt “überelegant”.  Aber da könne ich weder meinen Namen druntersetzen noch sonst irgendwas. Seither bin ich wohl nicht mehr Websitebeauftragte in spe und das wiederum verleitet mich fast dazu, auch ein bisschen an diesem Verein zu zweifeln (neben einigem anderen!) - denn ich ahne was nun kommen wird.

Ich überlege seither, ob an meinem persönlichen Empfinden vielleicht irgendetwas nicht so ganz stimmt und ich Abstriche machen müsste und komme noch nicht so recht zu einem Ergebnis.

 

5 Antworten zum Beitrag “Das Vereins-CMS”

  1. am 20 Jun 09 um 11:49 meint

    cortex

    meiner meinung nach ist mit deinem persönlichen empfinden alles in bester ordnung. wie ich vor kurzem schon sagte, wird das internet immer noch viel zu häufig mit einer bunten bastelbude verwechselt.
    bleibe kompromisslos - vor allem hinsichtlich dieses hundevereins - und mach’ deutlich, dass du nicht auf einem niveau mit einem “homepage-webmaster” agierst. du würdest dir selbst keinen gefallen tun und die vorurteile / missverständnisse über unser berufsbild bestätigen.

    cx

  2. am 20 Jun 09 um 12:37 meint

    Verena

    Vielleicht nochmal für dich selbst ganz klar festlegen, unter welchen Mindestvorraussetzungen du dieses Engagement bringen möchtest - z.B. dass du keinen Augenkrebs davon bekommst, dass es eine Referenz werden kann, dass du etwas lernst, was du mal beim Kunden gebrauchen könntest, dass es zeitlich nicht ausufert, u.ä. Und das den Leuten nochmal in großer Freundlichkeit und Klarheit sagen.
    Du solltest ja auf jeden Fall einen Gewinn erzielen können, wenn auch nicht in Euro, aber dann doch im Flow-Erleben :-)

  3. am 20 Jun 09 um 12:41 meint

    Anne-Kathrin

    Hallo,

    Danke für Euer Feedback!
    vielleicht kam es nicht deutlich raus: ich habe meine ganz klare Meinung und da rücke ich keinen Millimeter ab. Nur ob das richtig ist - das weiß ich nicht. Ich weiß nur, für mich ist es wichtig und richtig.

    Ich hoffe, mit den Überlegungen vor allem auch denen geholfen zu haben, die sich in ähnlicher Situation einbringen wollen. Wie eben Tobias, der mir gestern gemail hat.

  4. am 20 Jun 09 um 14:44 meint

    Könnte sein, dass ein konkreter Logo-Gegenvorschlag von Dir sogar gut ankommen würde, denn Leute, die es selbst nicht besser hinbekommen, sind oft trotzdem empfänglich für gute Lösungen.

    Oder lese ich zwischen den Zeilen, dass es schon im Vorfeld einer Vereinsgründung viel grundsätzlichere Differenzen unter den Interessierten gibt? Dann hilft eh nur Distanz … und weiter sein eigenes Ding durchziehen und neue Verbündete suchen.

  5. am 20 Jun 09 um 14:50 meint

    Anne-Kathrin

    Ja, in dem Fall liest du das richtig ;-)
    Anderenfalls wäre das natürlich die optimale Lösung gewesen!

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