Von deutscher Sprache, Internet und Technik

Ist doch prima, wenn man für jedes Problem den Buhmann oder den potenziellen Retter für das Kind, das längst in den Brunnen gefallen ist, findet. Heute sind es offenbar mal die Lehrer… Die sollten nämlich so alles mögliche, sind aber laut Meinung der (vorwiegend kinderlosen!) Bevölkerung nach einer Umfrage des  Instituts für Demoskopie Allensbach Anfang März, an der 1800 Personen, davon 360 Eltern teilnahmen, einfach nur überfordert. So erschreckend und teilweise auf den ersten Blick erstaunlich die Umfrageergebnisse auch sein mögen, so sehr passen sie doch dann auch wieder ins Bild und verleiten mich zu einigen wirren Gedanken.

Umfragen können ja bekanntermaßen so und so interpretiert werden. Wie man den Fokus bei der Interpretation der Ergebnisse setzt, bleibt einem selbst überlassen - ich mach mal mein eigenes Ding draus.

Sprache - wichtig! Und gelegentlich offenbar schwer…

88% der Befragten hält die Vermittlung solider Rechtschreib- und Grammatikkenntnisse für wichtig. Dem gegenüber stehen 48%, die es als wichtig erachten, dass in Schulen mehr “Liebe zum Lesen” vermittelt würde. Ersteres ist, was verwundert… (die aktuellen Zahlen gibt es, recht gut aufgeschlüsselt, beispielsweise beim Spiegel, aber die Online Variante mag ich einfach nicht verlinken)

Mit den Rechtschreibkenntnissen ist es zum Teil nicht weit her - aber nicht nur bei den Schülern! Wer es nicht glaubt, möge einfach deutschsprachige Foren oder Blogs durchkämmen. Es hat sich immer noch nicht herumgesprochen, dass sich Standard mit einem weichen “d” schreibt und eben nicht mit “t”. Dieser Tage finde ich “Wirtschaftskrise” mit “ie” - welch gelungene Idee, dem ganzen noch etwas mehr Dramatik zu verleihen. Richtiger wird es davon leider auch nicht. Neue deutsche Rechtschreibung: ein ebenso schwieriges Thema. Ist es wirklich so schwer, die “Doppel-s-Regel” mit dem langen Vokal zu verinnerlichen? Wahrscheinlich schon. Ich hoffe nur inständig, auch dafür werden nicht Pi mal Daumen die Lehrer verantwortlich gemacht!

Nur jeder vierte Deutsche liest heute angeblich noch Bücher. Erst empfand ich diese Zahl mehr als überzogen. Beim gedanklichen Blick durch die Wohnzimmer von Bekannten und sonstigen Menschen, bei denen man zufällig reinschneit, wird dann allerdings einiges klar: da stehen wirklich kaum Bücher, dafür umso mehr Deko Killefit Exponate aus dem großen Möbelhaus mit den vier Buchstaben. Es sei alles gar nicht so schlimm, kontern die anderen, denn das Lesen habe sich mit Aufkommen von Blogs und Online Medien aufs Internet verlagert. Herzlichen Glückwunsch! Wer das Lesen- und damit auch das Gefühl für Sprache- bis dahin nicht gelernt hat: hier wird es mit Sicherheit nicht besser sondern nur noch schlimmer. Macht alles nichts, denn Bildstrecken und Videos helfen, jedes Defizit zu überwinden. Wer auch gerne mitredet, es aber lieber kurz, knackig und wortlos mag, dem ist auch mit Twitter zu helfen…

Okay, Ihr habt keine Lust zu lesen, ist ja auch alles nicht so wichtig. Wie prima, dass es da die Lehrer gibt, die sich für sprachliche Defizite zuständig fühlen sollten, wenn schon nicht mal zu Hause, oder nennen wir das Kind doch gleich beim Namen: nicht mal in der Gesellschaft das Bewusstsein angekommen ist, dass Lesen in jeglicher Richtung bildet… Beruhigend an der ganzen Geschichte ist nur eines: die Mehrheit derer, die Lehrer nochdazu für “überfordert” halten, sind selbst kinderlos.

Der Computer, die große Unbekannte

Und dann die Überraschung(?) schlechthin: Computer, Internet, Naturwissenschaft. Alles unwichtig? Nur 53% bzw. 47% der Befragten halten das für “wichtig”. Alles klar… Genau das bekommt der Schüler von heute ja an jeder Straßenecke in jedem Forum mit, oder? Und für den Hausgebrauch tut es ja auch die mit Word erstellte Vektorgrafik? Wer ein Blog aufmachen will, hält’s mit irgendwas Vorgefertigtem? Naturwissenschaft - sowieso was für die Minderheiten?

Mich wundert überhaupt nichts mehr, wenn ich das lese (und beziehe mich hier auf Computer und Internet). Menschen, so alt wie ich, die mit  gelegentlich sogar gewissen Stolz in der Stimme erklären, sie wüssten gerade mal, wie man einen Rechner überhaupt einschaltet. Die Tatsache, dass ich immer wieder Anfragen abschmettern muss derer, die -des Deutschen übrigens auch nicht so wirklich mächtig-, beschreiben, dass sie da “irgendwas” bräuchten um “irgendwie, denn das müsse doch gehen, …”  - ich wisse dann schon, denn ich sei der Profi (und könne die eigenen Unzulänglichkeiten genauso wegzaubern wie Lehrer bei Schülern?- womöglich noch für einen Stundenlohn von 2,50 Euro?).  Mich wundert auch nicht mehr, dass ich gelegentlich, mit syphisantem Unterton “die Technikerin” bin. Die, die eierlegende Wollmilchsäue produzieren kann und Software, welche Unfähigkeit und Desinteresse, gepaart mit einer teils bewundernswerten Überheblichkeit, in einem Schwung kompensiert, -  im Prinzip aber keinen besseren Stellenwert zu haben scheint als die Handlangerin. Mich wundert auch nicht, mit welcher Naivität derzeit über die Verbreitung von Computerspielen oder die Zugangsbeschränkung zu problematischen und gefährlichen Inhalten im Internet debattiert wird. Als wäre es möglich, hier mal schnell einen Knopf umzulegen und alles sei gut…

Wundert einen eigentlich noch, dass es zwar viele Jammerer, viele “Experten”, aber wenig wirklich kritische Menschen gibt? Neugierig- im positivsten Sinn (okay, das Wort “positivst” würde Herr Sick  mir mit Sicherheit ganz dick und rot anstreichen -hier bitte als Stilmittel zu interpretieren)? Wundert es da noch, dass zwar viel lamentiert, aber wenig geredet, geschweige denn “gelöst” und mitgemacht wird? Und das in den Zeiten des “Social”… Ach ja, Sozialkompetenz, auch eine wichtige Sache - laut Umfrage. (uns Familien scheint zu Hause nicht mehr allzuviel zugetraut zu werden…) In gewisser Weise, liebe Lehrer, sitzen wir vielleicht sogar in einem Boot?

Vorurteile und gesunde Ideen sind unheimlich praktisch und irgendwie noch leichter, als einfach mal vor der eigenen Tür zu kehren…

 

3 Antworten zum Beitrag “Von deutscher Sprache, Internet und Technik”

  1. am 27 Mrz 09 um 21:49 meint

    Hallo,

    gut geschrieben und analysiert. Ich gebe Dir vollkommen Recht. Als Mann einer (nicht überforderten) Lehrerin und Vater zweier Kinder (Kindergarten und Grundschule) kann ich einige dieser Aspekte relativ gut beurteilen.

    Eine Politik, die Ihre Gesellschaft dazu erzogen hat, für nichts mehr verantwortlich sein zu müssen, darf sich nicht wundern, wenn diese auch die Verantwortung für Erziehung, Vermittlung von Werten und ganz einfach kindgerechter Medienumgang (und dazu gehört m.E. nicht “DSDS”) von sich schiebt. Die Schule kann es schon richten. Wenn die Leistungen dann nicht ausreichend sind, hat der Lehrer eben versagt (oder ist überfordert).

  2. am 28 Mrz 09 um 09:11 meint

    Die Politik macht es uns doch leider vor - keiner möchte mehr für irgendetwas Verantwortung übernehmen, alles muss erst mühsam aufgedeckt werden!

  3. am 05 Mai 09 um 10:24 meint

    Super Beitrag von Dir. Vielen Dank dafür!

    Ein Großteil aus meinem Bekanntenkreis sieht das mit dem Computerwissen leider ähnlich wie die o.g. 47% und bekundet das sogar recht offen. Die gleichen Leute durfte ich aber in der Vergangenheit regelmäßig “besuchen” um deren vermurkste Rechner wieder auf Vordermann zu bringen.

    Gleichzeitig herrscht ja immer wieder die Meinung es gibt für alles fertige, mitdenkende Software und man muss davon ja keine Ahnung haben.

    Das ist der neue Standar(t)d!?

Auch was dazu sagen?