Die HP - Fachjargon des ganz normalen Users?

Gerade lese ich etwas belustigt einen von Nicolai Schwarz zu Benennungen von Menü Items. “Nenn das Ding beim Namen” heißt es zurecht, illustriert an einigen ganz normalen, ganz typischen und wenig spektakulären  Beispielen, wie sie uns tagtäglich begegnen. Ich denke währenddessen über Begrifflichkeiten allgemein nach und werde sofort erinnert an Neles “schöne HP”. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als mein Blog , meine Hundewebsite.

Wir geben uns größte Mühe bei der Terminologie, wenn es um unser Business geht. Synonyme wie Website und Internetauftritt werden der Abwechslung halber verwendet, wir haben das natürlich bereits verinnerlicht: Website für das ganze Konstrukt, Webseite als Teil des Ganzen, als einzelne Seite eben- so steht es ja auch da. Und so weiter und so fort.

Manchmal, wenn ich von der Website rede, dann frage ich mich, ob der ganz normale Internetuser mich eigentlich versteht. Website, das klingt schlampig ausgesprochen, ein bisschen wie Webseite - und nur unter der Webseite können sich die meisten wahrscheinlich überhaupt etwas vorstellen. Die Site als zusammengehörige Sammlung mehrerer Webseiten ist wahrscheinlich ein eher unbekanntes “Konzept” und abseits jeglichen Sprachgebrauchs, außer man macht … Websites.

Das Phänomen der Homepage wurde mir erst mit coralian so richtig bewusst. coralian hat eine sehr inhomogene Besuchergruppe, das merke ich schon an der Browserverteilung: Hier wird überdurchschnittlich häufig noch der Internet Explorer 6 eingesetzt. Ich weiß natürlich auch, dass hier eine Menge Hundebesitzer und Hundezüchter unterwegs sind, deren liebevoll gestaltete Seiten ich zum Teil ebenso kenne. Internetauftritte, die mich manchmal zum Schmunzeln bringen.

Immer wieder werde ich auf “Neles schönes HP” angesprochen - besser angeschrieben. Das “HP” erscheint mir dabei vertraut wissend, wie der Fachjargon des ganz normalen Benutzers. Dass es sich bei “Neles schöner HP” nicht mal um eine Homepage handelt, sondern um eine Website, das würde ich meinen Besuchern wahrscheinlich größtenteils nicht vermitteln können. Ich belasse es dabei und gebe weiter freundlich Auskunft zum neuesten Foto der HP und so weiter.

Eine Homepage ist und bleibt beim ganz normalen User die Website, der Internetauftritt.

Dass “Homepage” dann auch im Menü verstanden wird, ist umso erstaunlicher. Trotzdem wird damit auch klar, dass wahrscheinlich “Startseite” immer noch der wesentlich intuitivere und bevorzugt verwendete Begriff für jenen Link ist, der zurück zum Start führt. Vielleicht gibt es auch den kleinen, aber feinen Unterschied zwischen HP und Homepage?

Ich frage mich, ob wir uns nicht zu viele Gedanken an falscher Stelle machen, ob wir unseren ganz normalen Besucher, ganz normalen Kunden  und dessen Besucher nicht einfach von vorneherein überschätzen? Ob wir nicht ein falsches Bild haben? Der zweite Schritt vor dem ersten?
Klar müssen wir uns als die Profis halbwegs an die Fachtermini halten und klar müssen wir uns Gedanken über Benutzerfreundlichkeit machen - manchmal habe ich jedoch den Eindruck, der ganz normale User ist findig, findiger als verständnisvoll für die Idee “Benutzerfreundlichkeit”. Er klickt sich beflissen durch die Links, in der Hoffnung, irgendwann zu finden, was er sucht.  Er freut sich, wenn das Ganze stimmig rüberkommt und optisch nett aufgemacht ist. Er lässt sich auch kaum beirren in seinem eigenen Bild vom Web. Unser “Ärgernis” fängt vielfach vielleicht -fälschlicherweise- erst bei den Usern an, die sich etwas besser auskennen, sich mit der Thematik auseinandergesetzt haben und die Problematik halbwegs erkennen können.

Es mag provokant klingen, deckt sich jedoch weitestgehend mit den ganz normalen Erfahrungen aus meinem ganz normalen Umfeld. Die Wahrheit ist wahrscheinlich wesentlich subtiler, der ganz normale User viel normaler als wir denken - und vor allem experimentierfreudiger und damit wahrscheinlich wesentlich weniger sensibel für die Probleme, die er so bewältigt. Er nimmt sie schicksalsgegeben hin. Wir müssten also einen Schritt vorher anfangen.

Benutzerfreundlichkeit nimmt damit andere Dimensionen an und stellt andere Anforderungen an den Webmacher: sich immer wieder zu überlegen, wo man die Leute denn abholt. Und gelegentlich sind die Wege weiter und irriger als wir denken.

 

Auch was dazu sagen?