Wer sucht, wird auch fündig. Irgendwie.

Findability: eigentlich würde ich sagen, ein Unwort. Ein Unwort, weil es wieder mal wie einer dieser marketingträchtigen  Neologismen aus der Denke von Usability Experts klingt. Aber es passt gerade ganz gut in ein Thema, das mich kürzlich beschäftigt hat: die Auffindbarkeit von Informationen in einem Portal und der Nutzen einer Suchfunktion. Insbesondere aber die Grenzen einer auch noch so ausgereiften Suchfunktion im Gegensatz zu ausgereiften User Interfaces.

Ein Szenario

Mit meinem  Beispiel bin ich recht nah und recht wörtlich an Suchen und Finden - Findability hingegen, das sollte an dieser Stelle noch erwähnt werden, natürlich ein deutlich allgemeingültigeres Konzept, bei dem es ganz allgemein um das Auffinden und Lokalisieren von Informationen im Web oder auf einer Website geht und damit beispielsweise um Navigation.

Mein Szenario ist ein Intranetportal mit der aus Nutzersicht mehr als verständlichen Anforderung, man möchte gerne auf einen Blick wissen, wo man denn derzeit stehe. Nun gut, das ist etwas schwammig formuliert, soll es aber tun. Stellen wir uns vor, es gäbe verschiedene Projekte zu managen innerhalb dieses Portals. Dann wäre also eine Zielsetzung, ganz generell zu wissen, welche Projekte derzeit in Bearbeitung sind (oder allgemeiner wie denn der Stand der dort verwalteten Projekte zum Zeitpunkt X ist) und eine weitere wäre, zu wissen, wie der Stand im speziellen Projekt aktuell ist.

Es geht also um Zeitpläne, um Personen, um Anforderungen, um Aufgaben und auch um Dokumente, die eventuell als Spezifikation oder Korrespondenz an einem Projekt hängen.

Was dem Informationsarchitekten oder Usability Spezialisten sofort in den Kopf schießt, ist wahrscheinlich eine Art “Dashboard”, auf dem einzelne oder auch verknüpfte Informationen zu einem Projekt dargestellt werden und wiederum auf passende Detailinformationen verlinken. Jeder, der einmal ein Projektmanagement Tool benutzt oder getestet hat, weiß, was ich meine. Ich bin ein ausgesprochener Fan dieser “Dashboard Lösungen”.

Tut es da nicht…?

Die Frage, die sich nun stellt (zumindest aus Kundensicht): tut es da nicht eine Suche? Worin liegt der Benefit eines Dashboards gegenüber seiner Suche? Kurz: rentiert sich der Aufwand einer Detailspezifikation des User Interfaces, wenn es doch auch eine ausgereifte (Volltext-) Suche gibt? (In meinem Szenario reden wir von einem Suchfeld, so wie es auf medamind auch eine mehr oder weniger durchdachte gibt, keine Expertensuche)

Für mich ein klares Nein! Ein gelungenes User Interface, das Informationen so darstellt, dass alles Relevante schnell zu finden, zu erkennen und zu nutzen ist, kann durch keine Suchfunktion ersetzt werden (was nicht heißt, dass eine Suche ein gelungenes User Interface nicht ergänzen könnte). Insbesondere ist die Frage nach dem User Interface der nach einem “Suchalgorithmus” vorzuziehen, sobald das Informationsbedürfnis konkret wird. Das Thema ist eine Mischung aus Usability, User Experience, Findability (eben jener) und Information Retrieval.

Benutzerszenarien: konrekt vs. vage

Ganz klar gibt es eine Unterscheidung, die essentiell ist in den Überlegungen. Das Wissen des Benutzers um die Organisation des Datenbestands und der Information.

(flapsig mal die “hohe Kunst der Informationsbeschaffung”) beschäftigt sich mit der Wiedergewinnung von Daten oder/und Dokumenten in großen Datenbeständen, die unter Umständen keiner oder einer für den Nutzer nicht bekannten Ordnung unterliegen sowie einem mehr oder weniger vagen Wissen hinsichtlich der Information, die gesucht wird. Klassisches Beispiel: Suchmaschinen im WWW. Genau diese Konzepte machen das IR so schwierig und so kritisch. Eine weiterführende Frage im IR ist die nach der Relevanz gefundener Treffer und die nach der Verbesserung von Precision und Recall (sozusagen die Fehler 1. und 2. Art).
Nimmt man hingegen eine ganz simple Suche (abseits dieses so großen Begriffs des IR) so fehlen sogar die Fragen nach eben jener Relevanz. Zurück kommt für den Nutzer zunächst eine mehr oder weniger geordnete, eventuell noch gruppierte Liste. Nicht mehr nicht weniger. Die Aufgabe des Nutzers besteht nun darin, aus den ihm angebotenen Informationen das Beste zu machen.

Es ist vollkommen klar: wenn der Nutzer weiß, wie ein Datenbestand organisiert ist oder wenn er sich über den Informationsbedarf im Klaren ist (beispielsweise weiß, ob er einen Tabelleneintrag oder ein Dokument sucht), ist das Mittel der Wahl eben nicht eine vage Suchanfrage, die einfach eine Liste an Treffern liefert, sondern eine auf das Nutzungsszenario zugeschnittene Navigation mit passenden Darstellungsoptionen.

Insbesondere berücksichtigt das User Interface semantische Faktoren, die zwar in einer Datenbank oder ähnlichem durch IDs festgelegt und damit grundsätzlich reproduzierbar sind, aber in der reinen Suche zunächst einen verhältnismäßig geringen Stellenwert haben. Das User Interface kann außerdem etwas, das keine noch so durchdachte Suche kann: es kann die Arbeitsweise der Benutzer berücksichtigen sowie die Frage nach dem “Was ist in diesem Kontext wichtig zu wissen (zu sehen…)?” beantworten. Thema Usability.

Benutzerszenarien: manchmal vage und meistens konkret

Das wesentlich häufigere Szenario wird folgendes sein und das ist dann auch dem, dem man gerecht werden muss, wenn es an die Überlegungen zu User Interface und Suche geht. Ein hybrider Ansatz also.

Meist ist der Informationsbedarf klar und die Frage nach dem richtigen Klick auch. Beispielsweise dann, wenn eben, um beim Beispiel zu bleiben, klar ist, zu welchem Projekt man sich informieren oder an welchem Projekt man arbeiten möchte. Manchmal jedoch wird der Informationsbedarf eher vage sein. Eine Person, deren Namen bekannt ist, aber eben nicht der Kontext. Ein Dokument, dessen Titel bekannt ist oder sein Inhalt, aber nicht der Ort.

Ein hybrider Ansatz, der das gesamte Benutzerbedürfnis abdeckt, wird also einmal Navigationsstrukturen bereitstellen, die soweit schon ihren Job tun, um eine vage Suche zu einer eher selten genutzten Funktion zu machen, er wird aber parallel dazu auch eine wie auch immer ausgearbeitete Suchfunktion anbieten, deren Trefferanzeige über einen passenden Kontext und weitere Navigationsstrukturen wieder auf passende Überblicksseiten leitet.

Kurz und bündig: der Zugriff auf Information muss gestalterisch und konzeptionell aus einem Guss sein.

Jeder noch so technisch ausgereifte Suchalgorithmus jedoch kann Informationsarchitekturen und Navigationsstrukturen nicht ersetzen, denn ohne sie fehlt der Kontext, der dem Benutzer die Arbeit mit einem solchen System erleichtert.

Und? Fazit?

Na klar… Es lohnt sich, in ausgereifte Seitenarchitekturen zu investieren. Mit Zeit, mit Tests und vor allem mit vielen, vielen Vorüberlegungen. “Keep it simple” heißt also in diesem Fall nicht, eine Anwendung möglichst schnell und einfach zu realisieren, sondern Interfaces zu schaffen, die -egal mit welchem Aufwand im Vorfeld- benutzerfreundliches Arbeiten ermöglichen.
Was man ja leider nicht sofort sieht, sondern erst im Laufe der Nutzung einer Anwendung mehr oder weniger leidvoll erfahren wird, ist eben genau jene mangelnde Usability, die womöglich zu deutlich ineffizienterem Arbeiten führt.

Die Antwort auf das jederzeit Auffinden-Können-von-Information ist also nicht nur und nicht ausschließlich eine Frage einer funktionierenden Suchfunktion, vielmehr ist sie in erster Linie eine Frage der Findability und des User Interfaces.

Zum Thema IR finden sich über den Wikipedia Link übrigens einige recht interessante Seiten. Zum Thema Findability kann man sich auf schlau machen.

 

Auch was dazu sagen?