Usability/UX: warum Personas so wertvoll sind

Es wird nicht nur Zeit, (wieder einmal) mit der Mär des dümmsten, anzunehmenden Users, dem DAU, aufzuräumen, sondern andererseits klarzustellen: Usability ist kein Handwerk, das exklusiv für die “besonders Dummen unter den Benutzern” entwickelt wurde, sondern hat mit zielgruppenorientiertem Design und Handhabung zu tun. Weil wir beim Usabilisieren nicht ins Schubladendenken verfallen dürfen, sind Personas ein wertvolles Hilfsmittel. Mit dem DAU (oder besser dem nicht-DAU) fängt die Geschichte jedoch an, denn das war der Aufhänger.

Vielleicht war es ja fatal, irgendwann den DAU in den Raum zu stellen. Den DAU - es gibt ihn nicht. (ein netter Artikel von Björn Seibert). Aber weil keiner dieser imaginäre dümmste User sein möchte und landläufig der DAU gern in einem Satz mit Usability genannt wird, liegt auch folgender Trugschluss schnell nah: Usability ist nur was für die Dummen oder anders herum: Wenn wir für intelligente Menschen designen, können wir erwarten, dass die dann auch mitdenken und “das sowieso schon checken”, oder? Natürlich ist der Umkehrschluss genauso falsch!

Ein weiterer recht kritischer Begriff rund um Usability ist, wenn ich es genau bedenke, der der Zielgruppe, denn: er ist viel zu allgemein und führt zum Schubladendenken und zur Überbewertung einiger klassischer Eigenschaften statt klassicher Nutzungsszenarien. Man kann nicht einzig aufgrund klassischer Eigenschaften wie jung oder alt, groß oder klein, dick oder dünn und natürlich auch nicht aufgrund von intelligent und weniger intelligent Schlüsse auf notwendige Usability Manßnahmen und benutzerfreundliches Design ziehen. Allgemeine (Gruppen-) Eigenschaften sind also kein hinreichendes Kriterium für Usability Fragen. Insbesondere aber sind Grundsätze wie “Wir designen hier für Akademiker, da müssen wir uns nicht so viele Gedanken machen!” (gepaart mit allen positiven und negativen Vorurteilen und Schnellschuss-Einschätzungen) ein fataler Trugschluss. Es fehlt der Kontext. Zielgruppe als Inspiration für die Persona?

Was Personas so interessant macht

Was eine Persona ist, kann man sehr schön bei nachlesen, nämlich:

eine Art Prototyp für eine spezielle „Spezies von Nutzern“ dar. Unter einer Persona versteht man daher ein imaginäres Modell einer Person mit allerdings sehr konkreten (Charakter-) Eigenschaften oder etwa Nutzungsverhalten.

und ich glaube, genau das reicht für den Anfang, denn es beschreibt genau, auf was es ankommt. Mit Personas kommen die Menschen einer Zielgruppe besser zur Geltung, sie bekommen sozusagen ein Gesicht, einen Charakter. Plötzlich kann man andere Aspekte herausarbeiten. Für mich besonders interessant:

  • Welchen Einfluss haben beispielsweise Stress oder Zeitdruck auf die Bedienung einer Software oder einer Website?
  • Wie unterscheiden sich Nutzer, die etwas freiwillig oder lustvoll machen von solchen, die aus welchen Gründen auch immer unter Zwang stehen und demzufolge weniger Spaß an der Sache haben?

Welche Aufgaben erfüllen sie also konkret:

  • Personas bringen statt reiner Theorie ganz reale Aspekte des täglichen Lebens in die Sache.
  • Sie definieren relativ konkret, für wen eigentlich entwickelt wird.
  • Sie helfen bei der Entwicklung des Designs (und natürlich auch dabei, Fehler zu finden).

Wie man die richtigen Personas entwickelt

Nett zu wissen, was man sich von Personas erwartet, nur: wie kommt man an die richtigen Personas? Meist ist die Frage nach einer Zielgruppe ja verhältnismäßig einfach (manchmal sogar so einfach, dass man schnell sagt “inhomogen”…).

“Empathy Comes from Experiencing: Putting Yourself in Their Shoes” habe ich bei gelesen (lesenswert natürlich der ganze Artikel!) und trotzdem kann man falsch liegen.

Einen Einstieg, seine Personas zu hinterfragen, gibt beispielsweise auch : Interessant finde ich die 7-Kriterien-Regel und damit Checkliste, die unter angegebenem Link ausreichend, wenn auch englischsprachig erläutert wird:

  • P is for Primary research
  • E is for Empathy
  • R is for Realistic
  • S is for Singular
  • O is for Objectives
  • N is for Number
  • A is for Applicable

Aufwand, oder nicht?

Wenn ich mir vorstelle, ich würde grundsätzlich Personas einsetzen wollen, würde ich allein schon wegen des Aufwands wahrscheinlich den ein oder anderen Kunden vergraulen. Ich stelle mir also wie üblicherweise vor, ob das ein oder andere UX Pattern denn auch für kleine Projekte brauchbar sind und muss hier wieder einmal feststellen: So wie in der Theorie sicherlich nicht. Was ich nämlich bisher noch nicht geschrieben habe - aber was sicherlich klar ist: man muss (in der Theorie) die Arbeit mit Personas ja auch dokumentieren, Ergebnisse festhalten, Designgrundsätze überdenken, neue Schlüsse ziehen und so weiter.

Wir können das im kleinen Projekt sicherlich nicht leisten, wir können uns aber das Wesentliche herauspicken und uns zum Vorbild nehmen, um Usability und UX auch in kleinen Projekten mit weniger Zeit und Budget zu verbessern, im Wesentlichen:

  • Es ist sicherlich legitim, sich an an realen Personen zu orientieren (natürlich nicht nur Verwandten, Freunden und Bekannten).
  • Charaktere machen den Wert aus, wir dürfen uns nicht von Annahmen und Wunschdenken leiten lassen.
  • Wir müssen keine Papierberge an Dokumentation erzeugen, wir brauchen keine “Personalakte”.

Und das Wunderbare an diesen menschlichen Personas ist doch, dass man sie genau deshalb so toll kommunizieren kann - auch wenn man sich dadurch zunächst vor allem inspirieren lässt, oder nicht? Der erste Schritt natürlich ist allerdings immer: wir machen uns über Usability generell Gedanken.

Weiterlesen zum Thema? Bitteschön!

auf Boxes and Arrows

Erst kürzlich übrigens habe ich ja Alan Coopers About Face vorgestellt. Alan Cooper ist sozusagen der Erfinder von Personas.

Über das Für und Wider von Personas und den Wert von Personas für das eigene Projekt kann man bei einen interessanten Artikel lesen.

Eine Menge von zum Thema.

Dass es manchmal gar nicht so einfach ist, mit den Zielen, beschreibt auf UX Matters.

 

3 Antworten zum Beitrag “Usability/UX: warum Personas so wertvoll sind”

  1. am 13 Jul 10 um 16:00 meint

    Personas sind der pure Luxus ;-) Wenn schon Ressourcen für Usability freigegeben werden, ist es noch ein sehr weiter Weg zu Personas. Viele sehen Personas als Schnickschnack an. Unsere Website und unsere Produkte sind für alle (Personen unserer Zielgruppe(n)) da. Oder ähnliche “Argumente” haben viele von uns wohl schon gehört.

    Dabei haben Personas u.a. aber auch den Charme, dass man mit ihrer Hilfe dem ein oder anderen Usability-Problem bereits vorbeugen kann. D.h. dann auch später weniger Aufwand in der Testdokumentation und der Behebung von Usability-Problemen.

  2. am 16 Jul 10 um 09:59 meint

    Danke für diesen schönen Beitrag. Man kann nicht oft genug darauf hinweisen, wie wertvoll PERSONA ist. Auch wenn manche “unwissenden” dahinter eine Spielerei sehen, die Ergebnisse sind umso wertvoller. Jeder, der sich mit Usability und vor allem auch UX beschäftigt sollte sein Budget dafür freigeben.

  3. am 16 Jul 10 um 10:13 meint

    Anne-Kathrin

    Danke für Euer nettes Feedback!
    Vielleicht kam das ein bisschen zu wenig raus, was Björn schon schreibt:
    Man kann bei Nutzung von Personas Fehler im Design vermeiden oder tut sich, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, leichter, Probleme zu beheben.

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