Braucht man dafür ein Studium?

Dieser Tage überraschte mich meine Mutter. Sie las mir eine Stellenanzeige aus der Zeitung vor. Dort war ihr irgendwas von PHP und mySQL ins Auge gestochen - sie weiß, dass ich damit auch zu tun habe. Da suche man, meinte sie, einen studierten “Webdeveloper” und etwas irritiert fügte sie hinzu, der, der programmiere, sei dann heute offenbar ein Webdeveloper (so vielleicht in der Art wie eine Sekretärin heute eine Teamassistentin sei, denke ich mir). Und ob man dafür ein Studium brauche?

Ich habe innerlich erstmal gekocht, gebe ich zu, und mich gefragt, womit ich ihrer Meinung nach mein Geld verdiene. Dann haben wir darüber geredet und mal einige Aspekte geklärt - und ich glaube, ich werde mir in Zukunft überlegen, wie ich mich “nenne”.

Der Techniker

Ich bin ja gerne mal ungewollt und ohne mein Zutun die Technikerin. Ich übernehme die Rolle nicht gerne. Sie wurde mir aufoktroyiert und qualifiziert mich für seltsame Aufgaben wie “mein Rechner geht nicht”, “das Internet ist kaputt” bis hin zu “aber diese Software muss doch auch auf Vista laufen”. Gelegentlich habe ich auch den Rettungsanker gespielt, bevor Mitmenschen auf die Idee kamen, große Software Unternehmen verklagen zu wollen.

Na gut, damit lebe ich soweit ganz gut und zufrieden macht mich dann zumindest, dass ich eine Frau bin - die mit sowas ja landläufig so gar nichts anfangen kann und lieber gerne, um das Klischee zu erfüllen, etwas selbstgefällig in sich reinkichert, sie wisse gerade mal wie man einen Rechner überhaupt anschaltet.

So passiert es dann auch ganz leicht, dass der Techniker, der eigentlich keiner ist, verwechselt wird mit einem “Handlanger”, der umsetzen soll, was andere sich gedacht haben - ungeachtet des Sinns, der Sinnlosigkeit oder der Machbarkeit im vernünftigen Rahmen… und das kritiklos.

Vielleicht setzt ja hier die Frage nach dem Studium an? Ich weiß es nicht.

Was gibt es zu tun?

Wir haben also geklärt, was das Web vor dem Developer bedeutet und ich habe anhand einer Reihe von Beispielen aus meinem Berufsalltag, die sie sowieso genau kennt, weil wir uns viel unterhalten über meinen Job, - ja meine Mutter auch so hilfreich ist als unvoreingenommene Inspiration, erklärt, wo denn nun die Knackpunkte liegen.

Dass sie eben nicht vorwiegend in der Optimierung einer einzelnen PHP Funktion liegen - das lehrt Erfahrung. Wozu gibt es außerdem Bücher und wozu das Internet. Viel Handwerkszeug ist gut erlernbar. Übrigens natürlich auch HTML und CSS.

Ich habe ihr vor Augen geführt, wie wir uns “zu dritt” die Köpfe zerbrochen haben. Der Kunde, ich und schließlich auch sie, die dann auch gerne anfängt mitzudenken, obwohl sie nicht muss, und mir dann mit bestechender “Einfachheit” (ich weiß, sie findet das Wort entsetzlich, aber ich finde es gelungen) gelegentlich den entscheidenden Knoten löst.

Ich habe ihr versucht zu erklären, wo der “intellektuelle Part” des Ganzen liegt. Anforderungen erkennen, die nicht ausgesprochen werden (was gerne passiert, weil auf der einen oder der anderen Seite “offensichtlich”), Probleme zu lösen, die sich als komplexer entpuppen als je gedacht, Workflows und “innerbetriebliche Abläufe” analysieren, Analogien nutzen, Abstraktionsebenen “erklimmen”, Kundengespräche führen und dabei den Übersetzer spielen und so weiter und so fort…

Ich will nicht sagen, dass das alles ohne Studium nicht möglich wäre. Aber ein Studium, eine Ausbildung hilft. Es muss ja nicht mal ein Medien oder Informatikstudium sein… Ich kann nichts sagen zu Ausbildungsberufen, denn ich hatte nie einen. Aber ich grenze damit gedanklich den, der das alles mal gelernt hat ab von dem, der meint, das könne schon irgendwie so gehen. Mehr noch aber will ich damit sagen: ohne Feeling für’s Drumrum geht es nicht.

Was ich da gelernt habe? Bestimmt nicht, wie man eine Website macht. Wenn ich mich zurück erinnere, dann wurde da vieles von anno irgendwann gelehrt. Aber das, was wir mitbekommen haben, war beispielsweise ein Blick aufs wissenschaftliche Arbeiten (nie verkehrt), das analytische Denken, das sich-Durchbeißen (Mathematik…), das unkonventionelle Denken (Informationswissenschaft), dass vieles harte Arbeit ist, wie man sich schnell und effektiv Wissen aneignet… Und vielleicht auch, dass andere auch nur mit Wasser kochen?

Ich weiß nicht, ob “Webworker” (ich verallgemeinere das mal) ein typischer Beruf für den Akademiker ist. Die eingangs gestellte Frage “Braucht man dafür denn ein Studium?” und “Wer heute programmiert…” zeigt jedenfalls, dass noch viel Aufklärungsbedarf besteht, wenn es darum geht, was es überhaupt zu tun gibt, in unseren  Jobs(sic!). Ich wär das Klischee der Technikerin jedenfalls gern los (auch wenn es nicht weiter anstrengend ist, mal ein “kaputtes Internet” zu reparieren”.

Und die ganzen beruflichen Begrifflichkeiten…? Eigentlich sowieso für Nada.

 

6 Antworten zum Beitrag “Braucht man dafür ein Studium?”

  1. am 15 Apr 09 um 20:35 meint

    Ich habe in meiner Entwicklerlaufbahn schon so einige Studierte (zum größten Teil auch aus dem Informatikbereich) angetroffen, die mir nicht im entferntesten das Wasser reichen konnten. Um so lustiger, dass ich ohne einen Schulabschluss durchs leben gehe. Am Ende kommt es dann doch auf den Menschen an, nicht auf die Zettelchen und Stempelchen die er vorweisen kann.

  2. am 15 Apr 09 um 20:42 meint

    Anne-Kathrin

    Es stimmt schon: “wir G’studierten”, wie einige “gut bayrisch” sagen würden, sind manchmal schon etwas “kompliziert und vielleicht zu intellektuell? ;-)

  3. am 15 Apr 09 um 21:10 meint

    Das wäre nicht schlimm. Schlimm ist, dass so viele sich dafür halten. Klischee? Leider nein :-)

  4. am 15 Apr 09 um 21:30 meint

    Viele sind der Auffassung, dass man für alles heute am besten 3 Abschlüsse braucht!

  5. am 23 Apr 09 um 11:05 meint

    und wie nennst Du Dich nun fortan?

  6. am 23 Apr 09 um 11:15 meint

    Anne-Kathrin

    Oh am liebsten bin ich eigentlich ganz real Informationswissenschaftlerin ;-)
    Und so nenne ich mich dann auch ziemlich oft - aber eher im persönlichen Gespräch, denn sonst bleibt doch wieder Erklärungsbedarf…

Auch was dazu sagen?