Eine Frage der Zuständigkeit?

Als Freelancer tut man sich in gewisser Weise hart, dann aber auch wieder leicht, wenn es um Zuständigkeiten geht und um die Spezialisierung auf einzelne Aufgaben innerhalb des Webdesignprozesses, denn der Freelancer ist schlicht für alles verantwortlich - anders als im großen Team, in dem es manchmal Profis zu geben scheint für jeden einzelnen Handgriff (das Design, die Informationsarchitektur, das Coding, SEO und so weiter…). Der Freelancer betrachtet das von außen gelegentlich etwas belustigt… und kennt die Situation dann doch auch.

Ich hatte es ja schon öfter geschrieben - ich fühle mich in diesem Webdesignprozess oft ein wenig fehl am Platz. Ich bin kein Designer, ich bin kein Coder, ich bin kein SEO Spezialist, - ich bin Informationswissenschaftlerin und mache Websites. Ich weiß nicht, was einen als Webdesigner auszeichnet, außer Erfahrung. Wahrscheinlich gibt es inzwischen allerlei kryptische Studiengänge und Berufsbezeichnungen, die einen zum Webdesigner machen oder zum Webentwickler, zum SEO und Marketing Profi oder zum Informationsarchitekten. Ich habe einfach nur hart gearbeitet und bin oft auf die Schnauze gefallen - lessons learned, bei jedem Projekt. Gut so!

Hab ich es da nicht gut, frage ich mich gelegentlich? Ich mache das alles, ich habe wenigstens das Thema Software Ergonomie, aus Websicht also das große Thema Usability mal von der Pieke auf beackert - immerhin ein Benefit, denn Coding kann man mit viel Übung und Erfahrung einfach lernen und wer nicht kreativ ist, wird es wohl nie werden…

Eine Frage der Zuständigkeit?

Heute bin ich über einen Artikel gestolpert, der den Frust eines Webentwicklers widerspiegelt, der sich in jener mir so fremden Welt der getrennten Zuständigkeiten bewegt und so seine lieben Probleme zu haben scheint mit User Experience, der UX.

Ich kenn das auch, nämlich dann, wenn ich als externer Dienstleister beispielsweise Joomla Installationen samt Templates odeTYPOlight Websites samt Layouts basteln soll. Meine Kollegen werden die Art der Anfrage kennen, die mich jahrelang verfolgten: eine Agentur braucht jemanden, der “noch schnell” ein CMS aufsetzt und ein Design, vorliegend in Form diverser JPGs oder PSD Dateien in ein Template gießt. Am Besten zum Fixpreis von X, gerne in utopisch niedrigen Preisgefügen. (Nein, ich muss dazu sagen, dass ich unter Agenturen wirklich schon sehr faire Konditionen erlebt habe und die ein oder andere Zusammenarbeit wirklich traumhaft gut geklappt hat!)

Anforderungen über Anforderungen, Wünsche über Wünsche. Oft ging es mir dabei so, dass schon mal jene Anforderungen, die ursprünglich definiert wurden, nicht zu halten waren. Entweder der Kunde des Kunden erkannte plötzlich, was das neue Content Management noch so alles zu bieten hätte, außerhalb der bis dato definierten Feature List oder es ergeben sich aufgrund wenig durchdachter Konzepte neue Anforderungen, dann nämlich, wenn eben alles nicht so einfach ist, wie man sich das mal vorgestellt hatte.  Übrigens verbirgt sich dahinter ein Klassiker, der es in meinen Augen so schwer macht, generell Festpreisaufträge zu machen - ein interessantes Thema, das sicherlich auch den ein oder anderen Artikel wert wäre.

Viele Anwender wissen nicht so recht, welch mächtiges Werkzeug sie mit einem CMS überhaupt einkaufen. Wie auch? Um das beurteilen zu können, braucht es einfach Erfahrung und Wissen. Meine ersten CMS Gehversuche waren damals auch holprig, der Weg steinig.
Anders wiederum fällt oft eine realistische Einschätzung schwer. Da wird ein System gerne mal überschätzt und der Frust ist groß, wenn sich die neue Anforderung nicht so leicht wie gewünscht umsetzen lässt.

Auftragsarbeiten. Das andere ist die Auftragsarbeit. Was tun, wenn man vor jener Photoshop Datei sitzt, die man in ein Template umsetzen soll, während noch nicht so recht klar ist, wie eigentlich Inhalte und Strukturen der späteren Website aussehen sollen?

Klar, es gibt eine Menge fertiger Themes, Templates, Designs oder wie auch immer man das Kind sonst noch nennen will. Da klappt es ja auch, mag der Einwand sein. Stimmt so zum Teil, würde ich sagen.  Wer sein für 20, 50 oder noch mehr Dollar gekauftes Massenlayout 1:1 übernimmt, bekommt erstens eines nicht, nämlich die heute im Web ja so nötige Individualität. Wer anfängt, zu ersetzen und zu individualisieren, merkt eventuell, dass das Selbstmachen doch eine Option gewesen wäre.

Insbesondere aber wird eines klar: Seitenstruktur und Layout gehören zusammen.  Information an den Mann oder die Frau bringen, bedeutet verständliche Strukturierung und Präsentation (hier bewegen wir uns noch auf der Wireframes Ebene), aber auch eine optisch gelungene Darstellung (Eyecatcher beispielsweise, die Herausstellung wichtiger Information gegenüber weniger relevanter Information). Und zumindest ich finde, es erleichtert das Leben gerade mit einem CMS doch gewaltig, wenn man während der einzelnen Webdesign Phasen die ein oder andere Designfrage, aber auch technische Überlegungen einfach mal im Hinterkopf behält. Das alles klappt mit einem Fertiglayout einfach nicht.  Vielleicht ist es ein bisschen so wie mit Tütensuppen oder Tiefkühlfertiggerichten. Essen kann man das alles durchaus, aber der große Renner wird das dauerhaft nicht sein.

Kurz war ich manchmal relativ unglücklich, wenn ich bei Auftragsarbeiten, mit dem Blick auf jenes PSD und den Anforderungskatalog zu installierender Erweiterungen feststellen musste, dass hier irgendwie der letzte Kick fehlt oder auch die letzte Schlüssigkeit. Ich bin ganz allgemein der Meinung: die von vielen Agenturen gewünschte “Umsetzung eines Templates” funktioniert in dieser Form nicht - ein Grund, warum ich diesen Aufträgen eher skeptisch gegenüberstehe. Und mir ging es an dieser Stelle oft ein wenig wie dem Coder: ich war nicht zuständig für den “Rest”, es stand mir nicht zu, mich dazu zu äußern.

Über den Dialog und weniger klare Abgrenzungen

Nun will ich nicht destruktiv sein und alle Agenturen, die sich externe Dienstleister suchen, verteufeln. Das Ganze kann schon gut gehen, aber Kommunikation und die Fragen der Zuständigkeit müssen klar gesteckt sein.  Der Freelancer muss sich als Berater sehen und vor allem auch als Berater gesehen werden.

Der Webdesignprozess ist nicht klar voneinander abgrenzbar. Alle einzelnen Elemente, vom ersten groben Konzept, über Wireframes und Prototypen bis zu den Überlegungen hinsichtlich IA, UX und SEO (sind sie nicht hübsch, die netten Abkürzungen?) spielen zusammen. Natürlich können und müssen(!) sich einzelne Beteiligte als die Spezialisten für das ein oder andere Thema besonders einbringen oder Verantwortungen übernehmen. Schließlich und letztendlich stehen sie aber nicht allein, sondern im Dialog.

Dies wiederum erfordert  vom Usability Profi grundsätzliche Kenntnisse, wenn es um technische Belange geht, genauso wie vom Entwickler zu erwarten ist, dass er sich rudimentär mit Fragen des Designs oder auch der UX auseinandersetzt.
Mehr noch erfordert es aber im Team die Anerkennung von Kompetenzen (nicht nur der offiziell zugedachten) und den erklärten Willen des Dialogs auch abseits eigener Kernkompetenzen.

Der iterative Prozess, der Webdesign eigentlich erst ausmacht, hat nur dann Sinn, wenn auch die Zuständigen gemeinsam und diesen Prozess mitgestalten.

Als Freelancer würde ich mir natürlich wünschen, dass die Arbeit als externer Dienstleister, ich will nicht sagen neu definiert, durchaus aber hinterfragt wird.  Der Job macht Spaß, aber er ist immer interdisiplinär. Wir sind alle Profis mit Schwerpunkten auf dem ein oder anderen Gebiet. Nur gibt es das Internet einfach selten her, scheuklappenartig nur in eine Richtung zu denken und den Rest außen vor zu lassen. Der PHP Webentwickler wird immer auch mit dem Thema HTML konfrontiert sein, der Designer, der ein CMS nutzen möchte, wird sich immer auch technische Fähigkeiten aneignen müssen. Insbesondere aber müssen alle Beteiligten den Benutzer sehen, den Besucher einer Website, den Nutzer eines Webangebots ebenso wie den Auftraggeber. Und wir dürfen und müssen das auch voneinander verlangen, wenn es um die Arbeit im Team geht.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Eine Frage der Zuständigkeit?”

  1. am 24 Sep 09 um 12:09 meint

    Sehr schöner Artikel, der auch deutlich macht, wie sehr die Arbeit eines Webworkers missverstanden werden kann und wird: “Ich gebe meine Website in die Hände eines Grafikdesigners, der gibt das dann weiter an den Programmierer” - die Rechnung geht einfach nicht auf (für Unbdarfte werden Webseiten grundsätzlich ‘programmiert’, deswegen braucht man halt einen Programmierer). Dass der fundamentalste Teil einer Website weder beim Design noch beim Programmcode liegt, scheint für viele einfach sehr schwer greifbar und damit nachvollziehbar zu sein.

    Dem Einzelkunden kann man da fast gar keinen Vorwurf machen, so ist dieses Medium doch noch so wahnsinnig fremd und neuartig. Agenturen hingegen sollten es besser wissen - ich habe manchmal den Eindruck, dass dort klassische Kommunikationsprobleme zu so manchen seltsamen Auswüchsen führen. Oder auch einfach doch eine verzerrte Wahrnehmung vom Internet und seinen Benutzern.

Auch was dazu sagen?