Jedes CMS hat seine Macken

Mal wieder was zum Thema Joomla geschrieben und damit eine Diskussion losgetreten. Die Welt scheint in zwei Lager gespalten, wenn es um Joomla geht. Ich stehe dazwischen, aber das ist eine ganz andere Geschichte…

Es ist durchaus bemerkenswert, wie viel Aufmerksamkeit Joomla gerade durch diesen Aspekt zu Teil wird. Ist es schließlich auch nur ein CMS unter vielen anderen seiner Art.

Sind wir mal ganz ehrlich: jedes CMS hat seine Macken. Jedes CMS hat aber auch seine guten Seiten. Es bringt nichts, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, denn jedes ist irgendwie anders, setzt eigene Schwerpunkte und ist damit für den ein oder anderen Zweck schlicht besser geeignet.

Ich hatte schon mal überlegt, ob die Spezialisierung auf ein CMS das Mittel der Wahl ist. Das Ganze hat zwei Seiten: einmal die Kenntnis eines Systems bis in seine tiefsten Wurzeln (damit aber auch gaz klar die Macken und die Stärken), auf der anderen Seite die Flexibilität, dem Kunden auch ohne große Anpassungen mit einem bereits fertigen System relativ weit entgegenkommen zu können. Ist ja schließlich auch eines: eine Frage des Budgets.

Dieser Tage habe ich wieder einmal einen gelesen: Wordpress gegen Joomla (oder Joomla gegen Wordpress? ). Gewonnen hat also Joomla. Weil Joomla viel skalierbarer sei, weil man Plugins direkt über das Admin Interface einspielen könne (da hat wohl jemand was übersehen, ganz nebenbei…) und weil man Joomla auch übers Frontend mit Inhalten befüllen könne.

Sind das wirklich Gründe, das 1:0 für Joomla auszurufen? Ich meine nein. Aber nicht deshalb weil ich Wordpress gern als den Gewinner sähe, sondern weil ich die Einsatzszenarien ganz anders einschätze. Von solchen Vergleichen profitieren nur zwei: die Macher eines CMS und die total spezialisierten Dienstleister. Der Kunde - zieht er dabei den Kürzeren? Nicht unbedingt. Einen Benefit hat er jedenfalls nicht.

Von allem ein bisschen, oder…?

Ich weiß die Einfachheit von Wordpress zu schätzen. Übrigens gerne auch als CMS.  Wordpress, da habe ich das Gefühl, mir wirklich keine Gedanken machen zu müssen. Ein gutes Gefühl. Unkompliziert nenn ich das. Für Kunden also, die eine kleine Website möchten, sich überlegen, irgendwann mal zu bloggen und sonst keine großen Ansprüch haben: warum nicht?

Ich weiß die Eleganz von TYPOlight zu schätzen. Da ist alles drin, was eine durchschnittliche Website braucht, ich habe ein System in der Hand, mit dem ich komplexere Layoutwünsche mit wenig Aufwand (weniger als beispielsweise Joomla) umsetzen kann. Für den Kunden, der eine etwas aufwändigere Website möchte,  eine gelungene Lösung.

Ich weiß aber auch Joomla zu schätzen. Vor allem, wenn es um Shops geht. Virtuemart mag keine hundertprozentig ausgereifte Erweiterung sein, aber es ist eine liebevoll und engagiert programmierte Komponente, bei der ich weiß, was ich habe und bei der ich außerdem ganz genau weiß, wo ich hinfassen muss, um etwas zu ändern. Natürlich fluche ich insgeheim gelegentlich auch über den Code - aber was soll’s? Virtuemart ist wie Joomla keine kommerzielle Software. Es steht mir nicht zu, an Qualität zu kriteln, höchstens ich helfe mit. Dann kriteln wahrscheinlich auch wieder welche.

Ich weiß Joomla auch zu schätzen, wenn es um eine Kombination aus mehreren Erweiterungen geht. Ich brauche einen Shop, ist eine Anforderung. Ich brauche zusätzlich ein Dokumentenmanagement, ist dann schon wieder eine andere. Und so weiter…

Auf den Punkt gebracht

Der Zweck heiligt die Mittel. Auch das Budget heiligt die Mittel. Die Anforderungen bestimmen die Mittel und auch das Budget bestimmt die Mittel. Achtung: wir reden hier nicht von Open Source und dem “alles total günstig oder umsonst”-Prinzip, das sich mancherorts ja hartnäckig hält. Aber auch der spätere Benutzer bestimmt die Wahl der Software.

Das ist übrigens ein ganz entscheidender Aspekt. Natürlich muss ein System können, was es können muss, aber Usability fängt nicht erst im Frontend an. Wir Dienstleister müssen uns durchaus mit dem Gedanken auseinandersetzen, wie es sich mit der Usability im Backend verhält - erstmal jenseits jeglicher Accessibility. Joomla war beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen vor Version 1.5 ein Problem für alle weniger gut englisch-sprechenden Kunden. Zwar war ich immer der Meinung, “save”, “cancel” oder “back” wären gut verständlich, aber einen Kunden mit Unsicherheit zurücklassen, ist sicher keine gute Wahl.

Wenn ich also ein Projekt mit geringerem Budget durchführen möchte oder muss, dann stellt ich mir natürlich sofort auch die Frage, welches System dafür geeignet sein könnte. Sprich: welches System erfüllt die Voraussetzungen am Besten. Dabei schöpfe ich nicht aus einem Pool wie CMSMatrix - das wäre zu viel des Guten. Ich kann nur das verkaufen und verwenden, was ich auch kenne, sonst renne ich entweder selbst in eine Falle oder schicke den Kunden in eine solche. Aber ich kann anhand der Anforderungen sofort sagen, was dem Ziel am nächsten kommt.

Nochmal die drei…

TYPOlight beispielsweise bringt schon viel mit. Newsletter, Bildergalerie, Downloads, Formulare, Kalender, Events… Und das Schöne daran ist, dass sich bei TYPOlight wirklich vieles sofort problemlos ins Layout integriert. Kein Spagat wie bei Joomla. Aber TYPOlight bietet längst nicht die Fülle an Erweiterungen wie Joomla. Es ist vollkommen klar für was ich mich entscheide: für die weniger programmierlastige Variante, denn das kostet einfach Zeit und damit Geld. Dem Kunden ist kaum zu verkaufen, warum man sich gegen eine Lösung entscheidet, die man als Entwickler zwar beherrscht, mit der einen aber eine gewisse Hassliebe verbindet. Da muss man drüber stehen. Nicht mehr, nicht weniger.

Und Wordpress? Mal ganz ehrlich: Unkompliziert ist es ja wirklich. Aber in die Nähe des “Darstellungs”-Menüs würde ich dann manch einen eher weniger gern loslassen. Hier ist  vieles einfach unverständlich.

Ha und würde ich dann noch etwas Größeres brauchen, würde ich ohne mit der Wimper zu zucken auf TYPO3 setzen. Tendenziell jedenfalls eher als auf eine Verbiegung von Joomla mittels zusätzlicher ACL Komponenten zu setzen, die dann doch nicht so funktionieren, weil das Joomla in seiner Basis eben nicht für eine Multisite gemacht ist.

Und die Individuallösung?

Wenn die individuelle Lösung anstünde - ich würde mich sofort für Joomla entscheiden. Warum? Weil ich mich damit im Moment immer noch am Besten auskenne. Vier Jahre mambo und Joomla und eine Reihe umfrangreicher Projekte mit vielen “gemeinen” Anforderungen hinterlassen einfach Spuren.

Ich glaube, das ist jeder seinem Kunden schuldig. Die Sache mit der individuellen Lösung ist natürlich wieder eine andere. Die meisten Wünsche zumindest sind nicht von der Stange und  gerade das kleine Detail kann zu schaffen machen. Oft stellt man jedoch fest, dass wenigstens minimales Krötenschlucken nötig ist, wenn eben das Budget nicht da ist. - Das alte Lied. Spätestens an der Stelle hat eine gewisse Flexibilität dann durchaus ihre Berechtigung.

Und die Äpfel und Birnen?

Ich war ja auch mal ein leidenschaftlicher Joomlaianer. Auch heute macht es mir noch Spaß. Es ist so ein bisschen als käme ich nach Hause. Hier kenn ich mich aus. Hier kenn ich (fast) jeden Handgriff.

Was ich nicht (mehr?) verstehe, ist dieser permanente Vergleich der CMSysteme und vor allem die Glorifizierung oder kompromisslose Aburteilung eines einzelnen. Leute! Es ist vollkommen klar und ging mir nicht anders: wer spezialisiert ist, muss die Benefits eine CMS hervorheben. Aber ist es wirklich der einzige Weg, das Ganze gelungen rüberzubringen, in dem man anderes dafür schlecht macht - und zwar immer wieder auf ziemlich verkaufsträchtige Art und Weise?

Ist es nicht einfach gelungener, zu sagen: Ich biete Ihnen das, was Sie brauchen?  Ein System, das später zu Ihnen passt? Für den einen mag das Joomla sein, für den anderen Drupal, TYPOlight oder wie auch sonst immer. Und natürlich - und davon geh ich dann doch einfach mal aus- wird man immer das empfehlen, bei dem die Anpassungen so zügig laufen, dass dem Kunden keine unnötigen Kosten entstehen.

Wohlfühlfaktor für Dienstleister und Auftraggeber - in gelungener Mischung passend zu den Anforderungen. Wär das nicht was? Eigentlich ist es doch egal, mit was die Website nun gestrickt ist. Ein Erfolg muss es sein. Was das heißt, steht auf einem anderen Blatt…

 

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