Schön blöd

Seit ich die letzten Tage wieder etwas Virtuemart lastig unterwegs bin, habe ich dann auch mal bei Twitter ein bisschen nach Virtuemart gesucht. Mir offenbart sich eine vollkommen andere Welt, die mich wütend werden lässt und verständnislos.

Twitter und Virtuemart nämlich, ebenso wie Twitter und Joomla vielleicht oder Twitter und… (setzt bitte nach Belieben ein) ist vorwiegend ein Markt für Billiganbieter. Eine Jobbörse der ganz besonders ärgerlichen Art. Ein Glück, wer das nicht braucht - trotzdem schadet es, auch uns.

Da sucht beispielsweise jemand einen Virtuemart Profi, der im Rahmen eines Budgets zwischen 30 und 250 Dollar ein paar “kleine” Anpassungen vornimmt (”fitting to my needs” steht da beispielsweise lapidar und “complete templating”). Eigentlich könnte ich das mit einem langen Kopfschütteln quittieren, wobei ich dann doch lieber einen wütenden Reply schreiben würde, denn es ist mir vollkommen unverständlich, wie irgendeine Agentur, ein Unternehmen oder wer auch immer sich dahinter verbirgt, so viel Dreistigkeit aufbringen kann. Alternativ frage ich mich, ob unserem Business (gerade im Bereich Open Source) wirklich so wenig Anerkennung zuteil wird? Ich tippe übrigens mal drauf, dass sich die bei Twitter angebotenen Joomla Shops ähnliches Kaliber haben und sicher findet sich da noch einiges andere. Nein, es treibt mir mehr als ein müdes Lächeln ins Gesicht: Zornesröte!

Wird Open Source immer noch mit umsonst und billig assoziiert? Haben wir uns vielleicht selbst ein Bein gestellt, indem wir Supportforen und anderes geschaffen haben, um in einer Community anderen zu helfen und den Spaß an einer Software mit anderen zu teilen?

Schön blöd komme ich mir vor, dass ich hier gerade seitenweise zu Virtuemart schreibe (weil es mir Spaß macht und es vielleicht jemand brauchen kann). Einerseits weil ich Wissen preisgebe, das sich sicher mit mehr Geschäftssinn zu Geld machen ließe, andererseits aber auch, weil vielleicht doch der ein oder andere in der falschen Überzeugung bestärkt werden könne, es handle sich bei Virtuemart tatsächlich um eine Anwendung, für die es überall und jederzeit gut und günstig oder gleich umsonst jeglichen Support gäbe.

Markt- und Imagefragen

Eigentlich, so überlege ich mir, müsste man kollektiv gegen diese Billigsucher und Billigbieter angehen. Das Preis-Leistungsverhältnis ist nicht nur weltfremd und unrealistisch, es macht auch den Markt und das Image von Open Source kaputt.

Vielleicht aber, das ist der konsequente nächste Gedanke, ist es unumgänglich, diesen Community Gedanken, wie er meines Erachtens gerade in einem Projekt wie Joomla extrem vorherrscht, vor allem aber dessen Schieflage(!), gründlich zu überdenken? Nur wenn sich  Projekt wie auch die Dienstleister so seriös wie möglich präsentieren, vielleicht auch im Rahmen eines wirklich durchdachten Geschäftsmodells, wenn alle Beteiligten für die Idee Open Source stehen und sich gegen diese immer noch vorherrschende Geiz-ist-Geil-Mentalität zur Wehr setzen, wird wahrscheinlich klar, dass hier nicht nur ein paar Freaks viel Fun haben. Joomla und Virtuemart ist sehr zu wünschen, dass ihnen das gelingt…

Vielleicht wird dann übrigens auch klar, dass nicht jeder, der “Dreamweaver” richtig schreiben kann, automatisch prädestiniert ist, Websites zu bauen…

Open Source ist eine Philosophie und kein Prädikat für besonders billige Softwarelösungen!

 

7 Antworten zum Beitrag “Schön blöd”

  1. am 12 Aug 09 um 09:28 meint

    Hallo, als Betreiber von VM-Expert.com kann ich da noch eine Anekdote draufsetzen: wir erhalten eine Menge Anfragen, bei denen das Lesen und Verstehen der Anfrage bereits das angegebene Budget überschreitet. Mehr als 20 Anfragen haben uns im letzten Jahr erreicht, die sich nach unserem Angebot in diesen Freelancerbörsen wiederfanden - offensichtlich fand man unser Angebot zu teuer. Aber da die Welt manchmal gerecht ist, traten mehr als die Hälfte dieser “Kunden” nach einiger Zeit wieder an uns heran - “ob wir das nicht doch machen könnten? Das Budget wäre jetzt aber noch etwas angespannter, weil man bereits $/€ x an jemanden bezahlt hat, der es nicht hinbekommen hat.” Mit gut versteckter Schadenfreude musste ich diesen “Kunden” dann mitteilen, dass dieser Umstand ja nichts mit unserem Aufwand zu tun hätte und dieser auf jeden Fall gleich geblieben ist. Ich wage zu behaupten, dass wir uns ziemlich gut mit Virtuemart auskennen. Wenn wir einen Aufwand einschätzen, ist dieser durchaus realistisch. Eine Aufwändige Änderung z.B. des Checkout Prozesses ist mit einem Budget von $100 einfach nicht zu machen. Freunde - das ist ein Shop! Da werden Verträge gemacht, da geht es um Geld. Allein das Testen der Funktionen in verschiedenen Szenarien kostet mehr als $100.

  2. am 12 Aug 09 um 12:21 meint

    Ich denke, im Grunde haben wir es da mit einer Neubewertung von Fachkenntnissen in einer Gesellschaft zu tun, in der Wissen zunehmend offen zugänglich ist. Die Internet-Berufe sind wohl nur Vorreiter, weil sie die ersten waren, die das Web so intensiv zur offenen Kommunikation, Wissensvermittlung und gemeinsamen Problemlösung genutzt haben. Und damit sind sie auch die ersten, die die Nachteile zu spüren bekommen.

    Früher war es schwierig, an Fachwissen heran zu kommen. Bücher musste man sich leisten können, wohlbestückte Bibliotheken waren nicht überall zu finden und Erfahrungswissen wurde in der Regel in teuren Ausbildungsgängen oder ggf. in der beruflichen Praxis weiter gegeben. Heute ändert sich das. Vielleicht ist es wieder so ein bisschen so wie zu Gutenbergs Zeiten, als sich mit dem Buchdruck auch das Wissen verbreitete.

    Aber auch wenn (fast) alles, was man zu Joomla, Virtuemart oder anderen Webworking-Themen wissen muss, im Internet zu finden sein mag, heißt das noch lange nicht, dass es JEDER beherrscht oder auch nur auf die Schnelle dahin kommen könnte. Der Engpassfaktor ist der menschliche Geist - und wird es auch immer bleiben! Diese Tatsache wird nur offenbar in der Gesellschaft noch nicht verstanden. Das Internet und die Open-Source-Bewegung haben aber einen Trend ausgelöst, der genau diese Tatsache in nicht zu ferner Zukunft sonnenklar werden lassen dürfte. Inzwischen werden ja schon naturwissenschaftliche Artikel offen publiziert. Und wer wollte annehmen, wissenschaftliche Höchstleistung sei nichts wert, und überhaupt, das könne ja jeder …

    Dass unabhängig vom Wissen selbst auch die Zeit, die mit der Anwendung desselben verbracht wird, zu bezahlen ist, und zwar bitte mit mehr als der Nachbarsjunge fürs Zeitungsaustragen bekommt, muss wohl nicht extra erwähnt werden.

    Allerdings, hier gibt es eine Entwicklung, die mir viel mehr Sorge macht als neue Informationswege: Es kommt schon lange nicht mehr - und immer weniger - darauf an, was und wieviel einer kann. Wirtschaft und Politik sorgen in einer unheiligen Allianz für Armut und bewirken damit massiven Druck auf Löhne, Preise und Arbeitsbedingungen. Wobei es entgegen der politisch korrekten, veröffentlichten Meinung alle trifft, vom Arbeiter ohne Schulabschluss bis zum Promovierten. “Geiz ist geil” war nie (nur) ein Sport für Wohlhabende, sondern hat immer schon auf dem für Viele bitter notwendigen Zwang zur Sparsamkeit aufgesetzt. Dass sich der Spruch zur weit verbreiteten Lebenshaltung verfestigen konnte, daran sind aber eben auch die materiellen Zustände in unserer Gesellschaft schuld.

    Mich würde ja schon mal interessieren, was solche Billigst-Joomla-Shops abliefern. Wäre zumindest tröstlich, wenn man mit eigenen Augen sähe, dass das Ergebnis die 140 Zeichen Twitter nicht wert ist …

  3. am 12 Sep 09 um 12:37 meint

    seven of nine

    Ich denke dass das Problem auch ein Stückweit hausgemacht ist. Joomla! aufsetzen und eine Komponente installieren kann jeder Schulbub und wenn der dann (in einem Supportforum) herausgefunden hat, wie man ein Headerbild im Standardtemplate ändert, erhebt er sich zum selbst ernannten Webdesigner.

    Interessanter Gedanke übrigens, UschaSu. Wie sehen andere Shops aus?
    Habe gerade nach “powered by virtuemart” gegoogelt, da sind echt witzige Ergebnisse dabei.

    Um halbwegs beim Thema zu bleiben: Meine Kunden haben in der Regel nicht die geringste Ahnung davon, was OpenSource bedeutet. Erklärt wird es ungern bis gar nicht, da ein frei zugängliches System schließlich nicht so viel Geld kosten kann, wie gerade von mir gefordert.

    Meinen Support in den Foren habe ich übrigens gänzlich eingestellt, nachdem mir klar wurde das hinter jedem zweiten Fragesteller ein Freelancer steckt, der seine Hausaufgaben von mir erledigt bekommen wollte. Open Source eben.

  4. am 12 Sep 09 um 15:23 meint

    Anne-Kathrin

    Ah, noch einer…! :-)
    Ich habe unter anderem aus dem Grund irgendwann ziemlich die Nase voll von Joomla Support in Foren.
    Traurig aber wahr, man gibt ihnen den kleinen Finger und sie nehmen die ganze Hand.
    Aber, @seven of nine, ich bin mir nicht sicher, ob das ein generelles OS Problem ist. Es ist auch ein Image Problem, fürchte ich.

  5. am 17 Sep 09 um 02:08 meint

    Hej Leute,
    habe die Seite erst heute durch einen Artikel auf “Joomla Aktuell” gefunden, und arbeite mich (gem. JA-Tipp) gerade von unten nach oben.

    Der Artikel und die Kommentare greifen mehrere Themen auf, differenzieren aber nicht genügend (ich erkenne Resignation, Wut, Enttäuschung, ??).

    Kurz zu meinem Hintergrund:
    Einziges bekanntes Hilfsmittel im Mathematik-Unterricht der Oberstufe war ein Rechenschieber. Habe eine handwerkliche und kaufmännische Ausbildung, und während meines BWL-Studiums (27. Bildungsweg) gab es für alle (West-) Berliner Hochschulen zwei Rechenzentren deren Kapazität heute wahrscheinlich auf meinem Schreibtisch steht.

    Genug der Vorrede!

    Jede/r, die/der eine Leistung, oder ein Werk anbietet muss in der Lage sein dafür eine Kalkulation zu fertigen.

    D.h.:
    1. Ermittlung der eigenen Stundenverrechnungssätze
    Wer sich nur an veröffentlichten Erhebungen orientiert begeht schon den ersten kapitalen Fehler!

    2. möglichst feine Aufgliederung des Projektes in einzelne Arbeitsschritte
    3. zeitliche Zuordnungen zu den jeweils kleinsten Einheiten

    4. die mehrfache Multiplikation von 1. und 3., sowie die Addition aller Teilergebnisse ist die Netto-Angebots-Summe

    Die Branche spielt - bei den beschriebenen Schritten - absolut keine Geige!
    Wer das NICHT kann hat schlichtweg KEINE Ahnung, und ist absolut unseriös!

    5. GANZ wichtiger Punkt zum SCHLUSS:
    Alle Arbeitsschritte genau aufdröseln, und zum Gegenstand des Vertrages machen! Sonst werden zusätzliche Leistungen nicht abrechenbar. Die stets wiederkehrende Begründung: “ist doch in der Abmachung enthalten”.

    Die “wissenden” Stümper (die jeden seriösen Preis unterbieten) findest Du überall. Die mit dem gecrackten Dreamweaver, die mit der geklauten Bohrmaschine, oder die mit der Schraubergarage vom Opa.

    Wer sich als Auftraggeber darauf einlässt beweist nur seine Unwissenheit, oder Unseriösität, oder beides! Da läufst Du dann auch monatelang Deinem Geld hinterher.

    Mich hat oftmals ein Leitspruch gerettet: “Überleben durch auslassen!”. Auch wenn es in den Fingern juckt, man muss auch NEIN sagen können, sonst trägst Du mit dazu bei, dass ANDERE Gewinnmargen jenseits der 20 % nicht nur propagieren, sondern auch realisieren (Das sind die ABZOCKER).

    Nun zu den ABSTAUBERN:
    Auch dieses Problem ist nicht neu, nur haben es diese Leute in dem anonymen Medium Internet einigermaßen leicht erst einmal verdeckt zu agieren.
    Ich treibe mich ja auch in den Weiten des Netzes und in diversen Foren herum. Hat mir oft geholfen, auch wenn da viel Käse von Unwissenden, und Profilneurotikern abgesondert wird.
    Bevor ich bei einer Problemstellung helfe, schaue ich mir vorher schon an was die/der Betreffende bereits von sich gegeben hat (ist natürlich keine Garantie), und auf Fragen der Form: “HIIIILFE - mein Auto ist kaputt”, bitte ich auch schon lange nicht mehr um den Hinweis, ob es etwas mit dem Motor oder dem Türschloss zu tun hat.
    Gelegentlich muss auch einem Fragesteller klar gemacht werden, dass “Hilfe zur Selbsthilfe” nicht bedeutet, dass er seine Hausaufgaben völlig gratis von ANDEREN gemacht bekommt! Denn das ist ein Auftrag und der KOSTET (normalerweise GELD).

    Die Konsequenz aus unsozialem Verhalten - der Abzocker und Abstauber - kann aber nicht sein, dass ich mich selbst unsozial verhalte (mag jetzt etwas stark formuliert sein). Wegen eines faulen Apfels schmeißt Du nicht die ganze Tüte weg. Wegen dieser Heinis (die Klassifizierung dieser Leute fängt mit “A” an … und hört mit “och” auf) sollten sich die EHRLICHEN nicht davon abhalten lassen weiter an eine gute Idee zu glauben, und sie auch weiter mit Rat und Tat zu unterstützen.

    SCHLUSSBEMERKUNG
    Als Anfang der 1980er die Vorläufer der heutigen PC’s auftauchten entstanden auch in (West-) Deutschland - mehr oder weniger fitte - programmierende Gemeinschaften, in denen “public-domain”-Disketten getauscht, diskutiert und verbessert wurden. Der überwiegende Teil der Programme stammte von der Universität aus San Diego, oder vom MIT (Massachusetts Institute of Technology). Durch das Auftauchen von ausgesprochenen Raubrittern (= Raub, Diebstahl, Betrug / nach der Legalisierung ihres Tuns = Privatisierung der Allmende [= des Allgein-Eigentums] Durchsetzung ihrer Forderungen durch eine unwissende, willfährige Justiz) wurde diese kreative Community für mehr als 10 Jahre zerschlagen! Das war die Hochzeit von Abzockern wie WinzigWeich. Damals wartete ich tatsächlich, dass von denen ein Patent auf das Axiom “1+1=2″ angemeldet wird, damit der Rechenunterricht ab der 1. Klasse lizenzpflichtig wird.

    @ Anne-Kathrin
    mach bitte weiter. Deine bisherigen Ausführungen lassen mich vermuten, dass damit auch mir der “VM” verständlich wird!
    Also DANKE!!

    @ seven of nine
    hatte mich schon gewundert, warum Du nicht mehr in den Foren auftauchst?! Du weißt hoffentlich: “Alkohol ist keine Lösung! Alkohol ist ein Destillat!”

    Dann TSCHÖÖÖ
    DieCom

  6. am 17 Sep 09 um 10:32 meint

    Anne-Kathrin

    Klar, der Artikel ist absolut emotional und daher auch ohne jeglichen Vollständigkeitsanspruch ;-)

    Was mich hier besonders freut, ist die wirklich fundierte Diskussion über das Thema und die umfangreichen Kommentare - so macht mir das Bloggen richtig Spaß!
    DANKE!

  7. am 02 Nov 09 um 09:38 meint

    troshka

    verstehe die aufregung nicht ganz. nach meiner erfahrung landen solche geizige und ahnungslose auftraggeber immer auf der schnauze und zahlen letztendlich das doppelte:). wir sollen froh sein, dass solche “billiganbieter” überhaupt gibt. sie unterstreichen nur, dass die qualität auch einen preis hat.

    die schwarzen schaffe gibt es auch unter “profis”. manche werbeagenturen verkaufen für tausende euronen ihren ahnungslosen kunden sites, die offensichtlich von einem farbenblinden praktikant mit painter und notepad erstellt wurden.

Auch was dazu sagen?