Setzen wir aufs richtige Pferd?

Rückblickend hat es was von einem Déjà Vu, der JoomlaDay. Ich fühlte mich doch sehr an 2007 erinnert. Nur hieß das Dilemma damals 1.5, heute heißt es 1.6. Austauschbar ist das Problem trotzdem.

Die Rückfahrt war geprägt von der immer wiederkehrenden Frage, ob das denn mit Joomla überhaupt noch etwas werden könne. Ich habe die Frage für mich bisher nicht beantwortet, aber ich bin skeptisch.

Ich erinnere mich genau an die Rückfahrt aus Bonn 2007. Ich konnte dieses “Geschwätz” nicht mehr hören, diese hochtrabenden Ankündigungen der eierlegenden Wollmilchsau, des Joomlas aller Joomlas, des Stein der CMSse und der Lösung aller Probleme. Der Hype, der schon im Vorfeld um eine nicht annähernd fertiggestellte Software gemacht wurde, wohl ahnend, dass man den ehrgeizigen Zeitplan nicht würde halten können, der sich dank der Publicity, die das Joomla Core Team ja wirklich phantastisch beherrscht, über diverse Online Portale auch bis zu meinen Kunden herumgesprochen hatte.

Und so kam es damals, wie es kommen musste: das Release wurde verschoben, schnell wieder zurückgenommen und was blieb, war Unverständnis und Frust, zumindest auf meiner Seite, wobei ich nicht glauben kann, dass ich die einzige bin, die damals mehr als kopfschüttelnd eine nicht mal semiprofessionelle Entwicklung quittiert hat.

Das war dann auch mein zwischenzeitliches Ende mit Joomla - genug ist genug. Ich habe mir die Systeme immer wieder angeschaut, aber Monate kein einziges Joomla kommerziell eingesetzt. Es hat lange gedauert, den Schlussstrich zu ziehen, schließlich hängt man an einem System und mein Engagement auf dem Joomlaportal hat mich auch mit dem, was man so schön Community nennt, zusammengeschweißt. Dass ich mich nun doch wieder mit Joomla anfreunde, hat weder mit der Qualität von Joomla zu tun, noch mit der Community sondern schlicht mit ein paar richtigen Menschen rund um Joomla in Deutschland (nicht zu verwechseln mit Joomla.de!).

Und gestern und heute: wieder das gleiche Dilemma mit der Einssechs. Die hätte man eigentlich vorstellen wollen, man hätte den Usern ein bisschen den Mund wässrig, man hätte noch mehr (?) Spaß auf Joomla machen wollen und man hätte vielleicht gerne ein bisschen Hoffnung geweckt, dass endlich funktionale Lücken geschlossen würden, nach denen die Nutzer nicht erst seit gestern fragen.

Ich bin dann gar nicht mehr hingegangen, - Vermeidung diverser Blutstürze, wenn jemand über die sagenumwobene 1.6 reden sollte oder wollte. Ich habe irritiert zur Kenntnis genommen, dass jetzt mit diesem Tool das und das ganz schnell zu erledigen sei und mit anderen weitere Funktionen dazugebastelt werden könnten - denn ich will das im Core. Nicht irgendwo angebaut. Geht doch bei anderen Systemen auch!

Vor allem aber will ich klare Ansagen.

Vielfach kam das Argument, es handle sich schließlich um Open Source Software, die es für Null und Nada gäbe und so habe man keine solchen Ansprüche zu stellen. Stimmt das wirklich? Wären Linux und Freunde heute wirklich halb so erfolgreich, wenn sich der windige Anspruch “wir sind Open Source, daher ist Zuverlässigkeit nicht zu erwarten” wie ein roter Faden durch die Geschichte zögen?

Ich habe dieses Projekt zwar nicht finanziell, durchaus aber mit Engagement unterstützt. Die Entwicklung mit 1.5 hat mir neben einigem anderen, die Lust vollständig genommen,  - die Argumente zur Unterstützung einer erfolgreichen Verbreitung des Systems wurden mir unter den Füßen weggezogen. Ich hatte nichts mehr, das ich Kunden als Sicherheit geben konnte (und nicht nur Kunden sondern allgemein User wollen nicht nur Sicherheit, sie haben einen Anspruch darauf!). Und die ebenso ratlosen, insbesondere aber vielfach auch überforderten und fordernden Hobbyuser konnte ich auch nur noch desillusionieren.

Wiedermal stehe ich vor einem Punkt, den ich schon erlebt habe. Hoffentlich nicht in jener Tragweite. Schlimm genug für mich, die ich mich doch gerade wieder ein wenig damit anfreunden wollte, Joomla auch an die zahlenden User zu bringen.

Nein, ich will nicht rumunken, aber ich frage mich, ob diese Politik langfristig zum Erfolg führen kann. Was bringt eine Open Source Software, wenn Nutzer immer wieder ratlos zurückgelassen werden und Zweifel aufkommen müssen, während sich ein Entwicklerteam (in meinen Augen!) unnahbar zeigt und kein wesentliches Interesse an seinen Nutzern aufkommen lassen möchte?  Warum zieht Joomla mit seinen Usern nicht ein bisschen mehr an einem Strang?

Für mich bedeutet Open Source Chancen und Freiheiten. Für mich bedeutet Open Source auch Gemeinschaft. Aber dem widerspricht nicht, dass Open Source trotzdem Sicherheit vermitteln und bieten muss, um langfristig Erfolg haben zu können.

Es bleibt also diesbezüglich ein bitterer Nachgeschmack. Ansonsten war der JoomlaDay sehr nett und es gibt einiges zu berichten. Auch habe ich mir einige Gedanken gemacht, was potenzielle Bedürfnisse der Community, Anwender und Entscheider betrifft - ich bringe also einiges zu bloggen mit aus Bad Nauheim.

Ich möchte noch betonen, dass es sich hierbei um meine eigene Meinung handelt, die ich mir aufgrund meines Eindrucks zweier netter, informativer und engagierter JoomlaDays gebildet habe.  Was das alles für mich bedeutet, kann ich derzeit nicht absehen. Ich möchte mich wieder bei Virtuemart einbringen, ich bin auch immer noch Mitglied im Verein, der früher mal mambo e.V. hieß und das halte ich auch. Nur werde ich mich, sollte das so weitergehen, immer wieder fragen müssen, ob wir da eigentlich aufs richtige Pferd setzen… Für mich wird jedenfalls klar: Joomla bleibt auch langfristig nichts, auf das ich meinen ganzen Wetteinsatz setzen würde - denn das wäre eine High Risk Investition für mein Business.

 

4 Antworten zum Beitrag “Setzen wir aufs richtige Pferd?”

  1. am 30 Sep 09 um 13:09 meint

    Hallo Anne,
    leider konnte ich nicht am Joomla Day teilnehmen. Aber ich finde deinen Artikel äußerst spannend, denn bisher hab ich nur positive, unkritische Berichte dazu gelesen.

    Irgendwie liegt mir das Thema auch ein wenig unangenehm in der Magengrube.

    lg und danke für deine offenen Worte
    Walter

  2. am 30 Sep 09 um 13:23 meint

    Anne-Kathrin

    Ich muss dir sagen, dass ich mit diesem Artikel, der unschwer zu erkennen, emotional gefärbt ist, nicht sonderlich glücklich bin.
    Es ist ein schwieriges Thema…
    Inzwischen habe ich schon einen Rüffel bekommen, das sei alles *zu* emotional und insgesamt eine Absage an Joomla. So sehe ich es nicht und so will ich es auch nicht verstanden haben.
    Ich wäre gerne “glücklich” mit Joomla, aber es fällt mir schwer, aus dem einfachen Grund, dass diesem Projekt immer mal wieder die Linie zu fehlen scheint, was mir Sicherheiten nimmt.

    Das Dilemma hat nur marginal oder besser überhaupt nichts mit dem Joomladay an sich zu tun, der toll organisiert war und insgesamt eine klasse Sache ist. Die Veranstalter können ja nichts dafür und waren sicherlich auch nicht glücklich mit der Entwicklung. Der Joomladay war trotzdem schön ;-)

    Jeder, der mich kennt, weiß, dass mein Herz an diesem CMS hing und auch irgendwie hängt. Nur wird mein Vertrauen schlicht immer wieder auf eine harte Probe gestellt. Ich würde gerne weiter dazu beitragen, dass Joomla Spaß macht…

    Auf meiner Seite daher: Ratlosigkeit. Totale Ratlosigkeit. Und auch eine gewisse Traurigkeit.

  3. am 14 Nov 09 um 16:02 meint

    seven of nine

    Da fahre ich im Auto von einem Kunden los, dessen umfangreiche Seite ich gerade vor einem halben Jahr für viel Geld von der J! 1.0 auf 1.5 portiert habe. Klar hat der auch schon von der 1.6 Beta gehört. Der nächsten rückwärts inkompatiblen Version auf dem Weg zum heiligen Gral, der 2.0
    Geht das ganze Neuschreiben jetzt wieder von vorne los, hat er gefragt und wenn Ja, wird das jetzt ewig so weiter gehen? Kann man dann wenigstens auch Bilder in die Artikel einsetzen oder braucht es dafür weiterhin einen Fachinfomatiker?

    Liegt es am Regen oder der Tatsache, das es um vier schon dämmert? Naja, auf jeden Fall fahre ich so vor mich hin und denke “Geht das nur mir so, wie soll das denn weiter gehen und vor allem: Was sagst Du dem jetzt?”
    Nein, Moment, da war doch was, Juhu! Setzen wir auf das richtige Pferd, der Artikel auf Medamind! Der erzähle ich das jetzt, ob sie will oder nicht :)

    Oder abgekürzt: Du bist nicht allein!

  4. am 20 Mrz 10 um 16:38 meint

    Samuell

    Leider kann ich euch beide nur zugut verstehen.
    Ich wär auch gern glücklich mit Joomla. Zumal es so viele klasse Dinge zu bieten hat. Wenn ich mir andere CMS anschaue, freu ich mich jedesmal über die “einfachen Overwrites” und das ansich leichte Templatesystem.

    Aber … in den letzten Tagen trieb es mich zunehmend dahin mir mal dieses Typolight anzuschauen …. und ich fürchte langsam, wenn ich mich entscheiden muss könnte meine Entscheidung eines schönen Tages gegen Joomla ausfallen :-(

Auch was dazu sagen?