Wolfram Alpha - eine echte Alpha?

Heute war es soweit: ging online. Die Erwartungen waren wohl hoch. Und die Enttäuschung heute an einigen Stellen auch.

Ich habe mir Alpha natürlich auch neugierig angeschaut. Alpha - das mag man dann bei einigen Experimenten gerne als Alphaversion interpretieren, dennoch beschließe ich, nicht voreingenommen zu sein und teste erstmal. Das Ergebnis: verheerend!

Annäherung an Alpha

Es ist keine Suchmaschine. Wir nennen Alpha eine Maschine zur Berechnung menschlichen Wissens (computational knowledge engine).

sagt Stephen Wolfram in einem Interview mit der . Das ist natürlich schon mal eine Messlatte. Dass Wolfram mit Mathematica eine bemerkenswerte Software und mit ein bemerkenswertes Portal mit vor allem grandiosen Graphiken erschaffen hat, trägt wohl seinen Teil dazu bei, dass die Erwarungshaltung recht hoch gesteckt war.

Der Umgang mit Alpha will gelernt sein, denke ich mir zunächst. Simpel und schnell durchschaut funktioniert Alpha als “Computer”: gib eine Gleichung ein und du bekommst den Output.

Man kann eine Funktion eingeben, z.B. x^2 sin(x) und bekommt dann einen Plot der Funktion, die Nullstellen werden angegeben, man bekommt die Potenzreihenentwickung, die Ableitung und das Integral, lokale Maxima und Minima, und auch noch diverse Umformungen.

schreibt , kritisiert aber zu Recht, dass danach schon fast wieder Schluss ist. Mathematica auf Sparflamme. Und Mathematik auf Mathematica Niveau, wie man schnell bei der Eingabe eines Suchbegriffs wie “Sinus” feststellen kann. Wer beispielsweise als Schüler sucht, ist auf Wikipedia besser aufgehoben.

Sehr enttäuschend auch meine Suche nach . Hier hätte einiges kommen müssen, denn der Mann ist immerhin einer der wichtigsten Mathematiker des letzten Jahrhunderts. Auch zum Namen “” hätte mehr kommen müssen als das Geburtsdatum und der Todestag.

Getestet habe ich auch, was Herr Wolfram im ZEIT Interview beschreibt: Man könne nach der Temperatur in Washington an Kennedys Todestag suchen und Alpha könne das Ganze zumindest semantisch in einen korrekten Zusammenhang bringen. Also gebe ich mal “temperature washington kennedy death” ein und erhalte sehr hübsch folgendes:

Etwas macht mich stutzig, denn Kennedy wurde ja bekannterweise in Dallas ermordet, wen interessiert also das Wetter in Washington, ganz abgesehen davon, dass die Frage generell unwichtig ist, und daher ersetze ich “washington” gegen “dallas”.

Dass hier nur rudimentäre Informationen kommen, empört mich: Ist diese Washington Geschichte nur ein Fake?

Im ZEIT Interview übrigens auch noch der Hinweis, man solle Alpha nicht mit der Frage nach dem Sinn des Lebens kommen. Das Ergebnis lautet dann auch konsequenterweise 42. Was sonst?

Die Suchanfrage nach meinem Geburtsdatum frustriert mich eher: Nun weiß ich, dass ich schon 13606 Tage alt bin und dass die Sonne an diesem Tag in Frankfurt um 7.40 Uhr aufgegangen ist. Ich weiß auch, wer mit mir Geburtstag hat - aber wichtig ist das alles nicht.

Enttäuschend auch die Suche nach zwei historischen Persönlichkeiten. Die eine Suchanfrage ist “Goethe”. Immerhin weiß Wolfram Alpha, dass es ihn gab. Die Information, die mir dort geboten wird, zeigt aber deutlich, dass ich mir Wikipedia um einiges besser bedient bin, denn nicht ein einziges Werk wird gelistet. Nicht mal ein Vorname. Nicht mal die Tatsache, dass Goethe ein deutscher Dichter war. Schlimmer noch: Laut Wolfram Alpha sei Goethe in Frankfurt in Brandenburg(!) geboren. Sorry, aber das ist ein No Go.Ich bitte also besonders, folgendes Bild zu beachten:

Übrigens liefert auch Goethe und Faust in Kombination nichts wirklich Informatives. Semantik? Stelle ich mir anders vor.

Mein zweiter Name ist Richard Feynman. Kann ja sein, dass Alpha mit Amerikanern und Naturwissenschaftlern besser kann.  Hier stimmen dann wenigstens die Daten und dass Feynman Physiker war, weiß Alpha auch. Kein Hinweis auf einen Nobelpreis allerdings. Kein Hinweis auch auf seine bahnbrechenden Entdeckungen in der Quantenfeldtheorie, kein Hinweis auf die Feynman-Diagramme.

Naja, vielleicht reicht ein Nobelpreis ja nicht? Also Linus Pauling.  Aber auch da ist es nicht besser… Lassen wir das also. Wer sich für die interessanten Herren interessiert, möge lieber Wikipedia befragen oder im Fall Feynman eines seiner herrlichen Bücher lesen.

Fazit

Wolfram Alpha hat die harsche Kritik derzeit durchaus verdient, sollte da nicht noch einiges nachkommen. Ich kann schlecht beurteilen, wie viel denn die von Wolfram genannten 10 und 20 Milliarden Datenpunkte sind. Aber die Geschichte mit Goethe lässt mich an allem zweifeln.

Ich kann daher nur raten, Wolfram Alpha einerseits noch eine Chance zu geben, andererseits aber nicht allzuviel auf die Treffer und Informationen zu geben. Unvollständigkeit ist eines, aber falsche Informationen sind das andere.  Hier gibt es also noch einiges zu tun. Derzeit sieht Wolfram eher so aus als habe man das bereits vorhandene Wolframsche mathematische Wissen zusammengepackt und ein paar rudimentäre Zusatzinfos hinzugefügt. Was hier wirklich wichtig und was hier wirklich menschliches Wissen oder gar Allgemeinbildung ist, muss man dahingestellt lassen. Schade.

Was mir zusätzlich fehlt, ist definitiv eine Querverlinkung. Es ist der große Benefit von Systemen wie Wikipedia im Speziellen, Wikis im Allgemeinen und dem Web im ganz Allgemeinen. Wie will ich explorativ mein Wissen erweitern, wenn es keine Links auf die genannten Informationen gibt (Frankfurt beispielsweise - vielleicht hätte ich dann herausgefunden, warum Alpha Herrn Goethe partout nicht nach F/M tun will?). Wenn das Wissen über Goethe da schon wieder aufhört und nochdazu so falsch, dann danke…

Alpha bietet den Menschen endlich das, wovon sie seit der Geburt des Computers träumen, und nicht das, was sie seit Jahren von Computern gewohnt sind. Ich glaube die Menschen werden schnell bemerken, dass sie mit dem simplen Eingabefeld so viel mehr tun können, als nach bereits existierenden Text-Fetzen zu suchen.

heißt es in der ZEIT laut Wolfram selbst. Derzeit muss ich das dementieren.

Vielleicht haben sie einen Fehler gemacht. Irgendwie scheint mir das Ganze doch mit recht heißer Nadel gestrickt… Die Idee - damit das Ganze kein totaler Verriss wird- ist prima und die Darstellungsform finde ich recht gelungen - so man sich denn eine Suche aussucht, die nette Graphiken ausspuckt. Das Ergebnis zeigt jedoch mir, dass Wolfram entweder übers Ziel hinausgeschossen ist oder aber die Zeit noch nicht reif ist für Traum der Menschheit nach der totalen Semantik. Vielleicht ist das ja ganz gut so?

 

3 Antworten zum Beitrag “Wolfram Alpha - eine echte Alpha?”

  1. am 16 Mai 09 um 21:33 meint

    Ich muss zugeben, erst war ich auch enttäuscht. Weil ich habe genau so gesucht, wie Du es hier beschreibst, nämlich so wie wir es gewohnt sind bei Google oder bei Wiki nach etwas zu suchen. Dort hat man uns heimlich, still und leise Strategien anerzogen, um uns dann mit den gewünschten Resultaten zuzuschütten und uns mit einer Datenfülle allein zu lassen. Ich hoffe Wolfram Alpha wird noch besser. Aber wenn man eine konkrete Frage eingibt, wie z.B. “Who wrote Faust” dann erhält man die präzise Antwort. Ich erwarte mir kein neues Google, oder ein neues Wiki, ich erwarte mir etwas was die beiden ergänzt, oder die Lücken stopft, die die beiden haben und finde Wolfram Alpha auf einem guten Weg. Das mit Frankfurt an der Oder ist natürlich ein kapitaler Fehler. Aber sie sind ja noch ganz neu …

  2. am 16 Mai 09 um 21:48 meint

    Anne-Kathrin

    Hm, wobei ich das z.T. schon auch so gemacht habe und mich der Goethe extrem grantig gemacht hat.
    Was man natürlich nicht vergessen darf: hier geht es um Wissen.
    Ich hab beim Goethe auf Frankfurt geklickt, aber da kommt leider nichts zu Frankfurt sondern eine Zusammenfassung des Suchergebnisses.
    Und probier mal… es gibt keinen Unterschied zwischen “who wrote Faust” und “Faust” oder “What is Sinus” und “Sinus”.
    Aber eine Chance gebe ich dem Ganzen, denn die Darstellung der Suchergebnisse finde ich interessant und vielversprechend. Und richtig gut ist auch das “print to PDF” - ein Fact Sheet. Das hatte ich vergessen zu erwähnen - ein gelungenes Novum.

    Womit du sicherlich recht hast: wir sind Google gesteuert, wenn es um die Formulierung von Suchanfragen geht und das ist nicht unkritisch. Hier sollte man vielleicht ansetzen!?

  3. am 16 Mai 09 um 21:52 meint

    Anne-Kathrin

    Ein Update muss ich machen, denn ich fand die Timeline anfangs so sinnlos.
    Sucht man nach mehreren Personen, dann beginnt die Timeline Sinn zu machen.
    Vielleicht oder vielmehr wahrscheinlich mag es am derzeitigen Datenbestand liegen, dass Alpha so alpha erscheint…!?

Auch was dazu sagen?