Es bleibt: viel Erklärungsbedarf

Schon öfter habe ich hier geschrieben: wir sind meilenweit voraus. Für uns ist das Internet inzwischen eine Selbstverständlichkeit. Das wirklich Tolle ist: Unsere Kinder wachsen heute ganz von alleine ins Internet hinein. Für sie ist das Internet Informationsmedium, Unterhaltungsmedium und ein riesiges Einkaufszentrum. Die Vorstellung einer virtuellen Welt ist da gar nicht mehr so weit weg.

Die einen und die anderen

Für viele andere ist das nicht so. Habt Ihr schon mal bei einer großen Umfrage eines der renommierten Meinungsforschungsinstitute mitgemacht? Da kommt gelegentlich die Frage, wie viele Stunden man denn wöchentlich im Internet verbringt. Mich beispielsweise müsste man fragen, wie viele Stunden ich nicht im Internet verbringe… Ich beobachte mich gelegentlich selbst dabei, wie ich manche meiner Mitmenschen im Umgang mit Computer und Internet sehe und mich frage, in welcher Welt sie leben. Eine Welt, in der der Internet nach Amazon, Online Banking und Emailschreiben fast schon wieder zu Ende ist. Mich selbst an der Nase packenderweise (denn etwas überheblich komme ich mir da vor) muss ich dann feststellen, dass es eine Zeit gab, in der ich fast genauso wenig Ahnung hatte und vielleicht wäre das heute immer noch so, wäre das nicht mein Job und hätte ich mich nicht mit der Informationswissenschaft für ein Studium entschieden, das so nahtlos mit dem Internet verbunden ist?

Übrigens - weil ich das vorab geschrieben hatte: es wachsen nicht alle Kinder selbstverständlich ins Internet. Es gibt genug Eltern, die sehr restriktiv sind, wenn es um Kinder und Internet geht. Sie müssen das selbst entscheiden - ich jedoch bin extrem froh drum, dass ich meinen Kindern zeigen kann, wie man das Internet als Informationsmedium nutzt - und zwar kritisch.

Es herrscht…

Dass ich zwei Weblogs betreibe und “Websites mache”, das kann ich gut verkaufen. Fast ein wenig verstohlen kommen aber dann die Fragen, wie man denn eigentlich zu so einem Blog käme, wie das eigentlich funktionere, die Bilder “ins Internet zu bringen”, was es denn eigentlich mit dem geheimnisvollen Twitter auf sich habe, wie ich diese und jene Information eigentlich so schnell gefunden hätte oder wie man ein Bild auf den eigenen Rechner herunterzieht. Fragt man dann doch weiter, wird gelegentlich auch mal klar, dass ähnliches auch für den Computer ganz generell gilt. Word, das “Programm fürs Internet” - und dann?

Es wird schnell klar: es herrscht Informationsbedarf.
Zum einen mangelt es an Wissen. Gut. Muss ja nicht jeder wissen, wie das genau funktioniert. Ich engagiere auch den Profi, wenn ich ein neues Bad brauche oder mein Auto nicht mehr so mag wie es soll (ha, ich kann immerhin den Ölstand überprüfen).
Zum anderen aber stimmt auch die Vorstellung nicht immer. Das Internet: für viele eine Black Box, eine “Institution”, die aus ihrer Natur heraus daher eher mit Misstrauen zu beäugen ist. In den Köpfen dominieren süchtigmachende Onlinespiele und unseriöse Partnerbörsen, möchte man gelegentlich meinen.

Noch immer trifft man Menschen, die - und man kann dabei fast ein bisschen Stolz in der Stimme durchhören- freimütig zugeben, sie hätten mit dieser Sache nichts am Hut oder alternativ keine Ahnung von dem “ganzen Kram”. Verweigerer aus Prinzip? Oder ist Nichtwissen chic?

Und da kommen nun wir, diese abenteuerlich anmutenden Wesen, die 24/7 online die Welt mit obskuren Konzepten wie “Social Media” und Blogs überfluten und sind in einer Tour unter anderem damit beschäftigt, uns gegenseitig Recht zu geben, gegenseitig zu bestätigen, zu bebauchpinseln oder auch mal zu kritteln. Vor lauter Begeisterung merken wir gar nicht mehr, in welcher Seifenblase wir uns bewegen.

Manchmal mag man vielleicht denken: Zum Glück!? Denn was mag die Welt für ein Bild haben von den “Irrungen und Wirrungen” dieser “Internetjunkies” und Webprofis, die aber inhaltlich  leider kaum ein Mensch mehr versteht?

Es fing an mit dem Schrei nach der Abschaffung des IE6, die mir zu denken gab, denn ich bin immer noch der Überzeugung: die, die ihn noch nutzen, wissen nicht, dass sie ihn haben oder wie sie ihn ersetzen und damit loswerden. Selbst wenn man ihnen Anleitungen präsentiert, sind sie vielfach irritiert, weil der gezeigte Screenshot nicht exakt so aussieht wie auf dem eigenen Rechner. Nein, ich mein das nicht böse. Ich wäre wahrscheinlich genauso irritiert oder ängstlich.

Es geht weiter mit den Erfahrungen, die ich seit Jahren in meinem Beruf oder auch in meinen Privatleben mache mache und es gipfelt derzeit in den Erfahrungen, die ich mache, während ich versuche, meine Position in Punkto “Internetsperren” klar zu machen. Neben denen, die nicht einmal wissen, dass es jenen fragwürdigen Gesetzentwurf überhaupt gibt, gibt es die, die ihn falsch interpretieren, weil sie eine andere Vorstellung haben vom Medium Internet (ich möchte allerdings denen, die eine fundiert begründet andere Meinung haben, ihre Meinung nicht absprechen). Aber das soll ausdrücklich nicht das Thema hier sein.

Man hört uns nicht

Unsere Botschaften, egal um was es denn nun geht, kommen nicht an, solange wir sie nur im Internet publik machen.

Wir können uns x-fach über den IE6 auslassen, über gutes oder schlechtes Webdesign, über Usability, über die Chancen und Grenzen von Social Media (oder aber auch versuchen, unsere fachlich fundierte Meinung zu einem unzureichenden Gesetzentwurf unter die Leute zu bringen) - wir werden uns alle einig sein, nur: man wird uns nicht hören!

Wollen wir nicht mal ernsthaft überlegen, was man tun könnte? Damit meine ich nicht das bemerkenswerte Engagement derer, die sich der Aufklärung hinsichtlich des Gesetzentwurfs widmen, das ist eine Sache, der sich andere bereits annehmen, damit meine ich in erster Linie Information.

Wie bringt man für interessierte, offene Menschen die Konzepte, Chancen und Grenzen wirklich “unters Volk”? Macht die Idee, dieses idealistische Ziel überhaupt Sinn?

Sind das nur die Volkshochschulen und die Printmedien oder geht es im Internet, nur auf anderen Kanälen? Funktioniert ein Weblog - entsprechend positioniert -, der einmal das Prinzip (die Prinzipien?) zeigt, informiert und zum Mitmachen anregt? Funktioniert überhaupt die Information durch einen Profi oder ist es besser, dies den vielen engagierten und daher so wertvollen Laien und Hobbybastlern zu überlassen, die sich so toll darum kümmern, neue Erkenntnisse via Foren, Websites und Blogs leicht verständlich darzustellen? Würde zusätzlich ein Pädagoge helfen? Sind wir da im Bereich “e-Learning”?

Ich weiß es (noch?) nicht, aber es macht mich unglücklich und daher überlege ich, wie Lösungen aussehen könnten. Vorwiegend macht mich unglücklich, dass das Bild vieler einfach so verzerrt und mangels Unwissen teils auch falsch ist.  Aufklärung und Information könnten vieles vereinfachen. Das alles, nur mal ein paar, teils auch unausgegorene Überlegungen - aber sitzen wir da nicht alle in einem Boot?

 

3 Antworten zum Beitrag “Es bleibt: viel Erklärungsbedarf”

  1. am 15 Mai 09 um 23:44 meint

    Verena

    Ralph Segert hat z.B. sehr gute, praktische Videoanleitungen gebaut:
    Über Firefox:

    Über Blogs:

    Da stimmen Form und Inhalt, er holt die Leute gut ab und zeigt ihnen einen echten Mehrwert. Es müsste noch was in der Art geben über Suche im Web - da tappen viele echt im Nirvana.

    In meinem Freundeskreis fehlt vielen die Neugierde in puncto Technologien, besonders den Frauen. Die Frauen in meinem Umfeld haben am meisten mit dem Internet zu tun, indem sie es für ihre Kinder zeitlich begrenzen ;-)
    Ich versuche, ab und zu was im Netz zu empfehlen, aber die kriegen die Seiten dann nicht auf, weil der Mann JavaScript abgeschaltet hat und sich nichts sagen lässt.
    Seit langem hab ich schon die Idee, Computer-Schulungen explizit von Frau zu Frau anzubieten. Bisher noch aus Zeitgründen vertagt.

  2. am 16 Mai 09 um 10:49 meint

    Anne-Kathrin

    Hallo Verena!

    Da bist du ja schon recht konkret - ich bin da noch viel allgemeiner in meinen Überlegungen…
    Vielleicht funktioniert auch genau das nicht, was ich mir vorstelle und es muss doch im kleinen Rahmen stattfinden.
    Lustig, - an die Frauengeschichte hatte ich auch schon gedacht.
    Ich weiß nur nicht, ob ich da so die Richtige dafür wäre ;-)

  3. am 28 Mai 09 um 18:44 meint

    Internet ist heute schlicht und einfach eine Kulturtechnik, mit der man umgehen lernen muss, auch wenn man sie nicht versteht. Umgehen heißt meiner Erfahrung nach erst einmal und vor allem: die Angst davor verlieren, etwas falsch zu machen, etwas kaputt zu machen, wenn man mal den falschen Knopf drückt und vor allem, die Angst zu verlieren, in die Fallstricke des Internets zu geraten. Ich weiß selbst, daß es geraume Zeit gebraucht hat, bis ich Sinn und Herrlichkeit von Feeds kapiert hatte….

    Ich kenn Leute, die sowohl überhaupt keine mails machen, weil sie Angst haben vor Viren als auch welche, die ohne Scheu jede Mail und jeden Anhang, und mögen sie auch noch so obskur sein, öffnen, weil sie einfach zu neugierig sind… Privatleute brauchen ja auch keine Virenscanner… der Beispiele sind viele… allein der Gedanke, den IE zu verlassen und auf Opera o.ä. zu wechseln: der Herr sei bei uns!!

    Was wäre, wenn man für Anfänger erst einmal alles vereinfacht? Die Tastatur mit weniger Funktionstasten, einen “Browser light”, der dann stufenweise erweiterbar ist, weil die meisten von der Vollversion eh nur einen Bruchteil der Möglichkeiten ausschöpfen… es gibt bestimmt noch mehr Möglichkeiten.

    Es gibt im Fernsehen soviele Reiseberichte, könnte man nicht auch mal eine Reise durchs Internet zeigen, auf der en passant die Grundtechniken des Surfens/des Netzes vermittelt werden? Einen Trip durch Blogs und Foren, in Chatroom und was weiß ich alles….

    Es ist aber ein wenig wie glaube ich Planck seinerzeit gesagt hat, Neuerungen setzen sich nicht so sehr durch, weil die Alten überzeugt werden, sondern weil die Jungen mit dieser Neuerung aufwachsen und damit leben.

    lg
    fs

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