Fragen oder einfach machen?

Auch wenn ich selbst ganz gerne mal dieses “ich bring Sie ins Internet - ganz einfach” vermittle, so bleibt doch mein Wissen: die Sache ist komplex. Es geht nicht um die Homepage. Es geht um eine Website. Es geht um Content Management Systeme, die zwar mit Einarbeitung recht gut zu verstehen und zu bedienen sind, letztendlich geht es aber immer um eine komplexe Software und damit nicht immer, aber gelegentlich auch um umfangreiche Entscheidungen.

Wie viel Mitentscheidungsrecht kann dem Kunden also eigentlich zugemutet werden? Welche Entscheidungen muss ich alleine treffen?

Vielleicht wiederhole ich mich, aber ich finde, das macht nichts. Vieles, was ich hier schreibe, ist auch ein Teil meiner ganz persönlichen Entwicklung. Auch wenn ich bald schon vier Jahre selbstständig bin - irgendwas passiert immer und das ist auch gut so.

Theorie und Praxis im Detail

Spätestens, wenn es nach dem Vertraglichen um sowas wie ein Pflichtenheft geht, muss man Tacheles reden. An dieser Stelle prallen Theorie und Praxis gewaltig aufeinander. Jeder, der etwas anderes behauptet, redet die Angelegenheit schön und einfach. Finde ich.

Während man im Lehrbuch liest, wie wichtig auch jede noch so kleine Detailspezifikation sei, stellt man in der Praxis schnell fest, das vieles von dem, was man so wichtig und richtig zusammengestellt hat, oft gar nicht wahrgenommen wird. Wahrscheinlich, weil vieles nicht verstanden wird. Und wer traut sich dann da schon zu fragen oder hat Nerven, dem einstündigen Fachvortrag eines Profis zuzuhören?

Wie viele Fragen darf ich dem Gegenüber eigentlich zumuten?

Oft braucht es mehr als nur eine Beschreibung, um klar zu machen, was ein Content Management überhaupt kann, insbesondere dann, wenn es um Erweiterungen geht.  Das muss man gesehen haben, da muss man probieren… Ganz vertrackt dann, wenn es Alternativen gibt, von denen die einen hier ihre Benefits haben und die anderen dort. Manchmal - und das liegt in der Natur der Sache, sind die Anforderungen von Kunden gelegentlich vage. Das brauche man unbedingt, aber da müsse man mal sehen und das sei auch noch ganz nett, aber nicht zwingend. Und erst viel später kommt es zu dem Effekt, dass man sich das eigentlich anders vorgestellt habe.

Gleiches gilt übrigens auch für Seitenarchitekturen (und das Mapping der Seitenstruktur im Backend, - nicht immer eine triviale Frage) sowie für spezielle Designfragen.

Reden oder einfach machen?

Besser ist es da manchmal, gar nicht so viele Alternativen anzubieten, gar nicht so viele Fragen zu stellen, gar nicht so viele Entscheidungen treffen zu lassen. Oder doch?

Vielfach entpuppt sich der Laie, die Kehrseite der Medaille, als vermeintlicher Profi und man befindet sich mitten in einer, dann teils emotionsgeladenen Diskussion über das Öffnen von Links in neuem Fenster, die Nutzung von Pop Up Fenstern, Fragen zur Semantik und sonstigen Aspekten, die wir schon lange ganz selbstverständlich als “No Go” eingestuft haben.

Schnell wird aus dem nicht vorhandenen Feature einer sonst vermeintlich eierlegenden Wollmilchsau total umfassenden Erweiterung eine Grundsatzdebatte über all das, was eine Open Source Software noch alles können sollte, und das alles ungeachtet jeglicher Sonderwünsche und Spezialfälle.

Und das zeigt sich auch in der Logik einer Software. Nennen wir es “Individualprogrammierung”. Ein gutes Beispiel ist die Frage nach Events. Was passiert, sobald der Benutzer etwas löscht  oder einfügt? Wie viel Automatisierung verträgt eine Anwendung und was muss dabei beachtet werden?

Da bleiben Fragen gerne mal unbeantwortet, um später dann doch wieder zum Thema zu werden. Da “passt es dann schon so” - schnell mal, obwohl jegliche Aspekte der Usability oder sogar der Benutzbarkeit dabei ad absurdum getrieben in Frage gestellt werden.

Es ist und bleibt eine Gratwanderung, aber man muss dann doch hart bleiben, meines Erachtens. Genau das ist es, was den Profi ausmacht. Schließlich wollen wir dem Projekt ja nichts Schlechtes. Wir wünschen uns vor allem eine gelungene Referenz und einen rundum zufriedenen Kunden.

Immer wieder höre ich von Kollegen hinter vorgehaltener Hand, man könne seine Projekte kaum mehr als Referenz verwenden. Sorry, aber stimmt das wirklich? Ist es wirklich sooo schlimm? Liegt der “Fehler” nicht bei uns, wenn es denn mal soweit gekommen ist? Warum lassen wir uns reinreden, realisieren die “komischsten” Dinge, statt darauf zu beharren, worauf jeder andere Wert legen würde? Auf unsere Kompetenz! Wohlgemerkt nicht für unser Ego sondern für das Projekt!

Fazit

Es gibt Dinge, die stelle ich nicht mehr in Frage. Die mache ich einfach und meistens ist es dann auch gut so, man lässt sich überzeugen, ist einverstanden. Es gibt für vieles einfach keine Alternative. Vieles ist keine Frage des persönlichen Geschmacks sondern von Qualität und Wissen. Und anderes wieder überfordert und man läuft Gefahr, das Projekt zu einem oszillierenden Gefühlswechsel zwischen Euphorie und Wahnsinn, Frust oder Begeisterung werden zu lassen.

Alternativen stellen sich beispielsweise dann, wenn es um Zeit und Geld geht. Da ist dann, wie auch bei Fragen nach Programmlogik und Funktionalität, das Gespräch gefragt. Die letztendliche Entscheidung hinsichtlich des Budgets liegt natürlich beim Auftraggeber. Die nach dem Wie liegt beim Auftragnehmer. Oder geht Ihr zum Zahnarzt und sucht Euch den schönsten Bohrer aus?

Für mich trotzdem immer wieder mal ein Drama, in gewisser Weise, denn ich beziehe meine Kunden gerne in den gesamten Prozess mit ein. Ich versuche gerne mal zu erklären - denn wie wir alle wissen, passiert es, dass eine Sache länger dauert als geplant, dass sich nie geahnte Fallstricke auftun. Was hier gesagt und besprochen werden kann, muss da noch lange nicht Thema sein können und umgekehrt. Wo die Grenzen liegen, des Einbeziehenkönnens, ist von Projekt zu Projekt und auch von Mensch zu Mensch verschieden. Denn anders als beim Zahnarzt haben in unserem Business einige kaum Vorwissen, während andere jahrelange Hobbybastler sind - und das wiederum bedeutet eine vollkommen andere Gesprächsbasis.

Den Kunden da abholen, wo er steht. Auch wenn das etwas nach Schule klingen sollte. Ein wesentlicher Teil meiner Arbeit und auch ein wesentlicher Schritt zum Erfolg eines Projekts. Und einer, der langfristig auch mich glücklicher macht!

Meine Entscheidung übrigens, hier auf medamind lieber mal Praxisbeispiele zu bringen statt “Best Practices” zu postulieren. Gerade im Projektmanagement mögen sich einige Dinge bewährt haben, die Stolpersteine sind bekannt. Nur was dabei vergessen wird, sind die Menschen dahinter. Und die passen in kein Raster.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Fragen oder einfach machen?”

  1. am 26 Apr 09 um 19:18 meint

    Hallo,

    wie schön, dass die Probleme überall irgendwie ähnlich sind ;-)

    Zum Thema “Fragen”:

    Gruß, Thomas

Auch was dazu sagen?