Iteratives Webdesign?

Während Ansätze wie Extreme Programming oder allgemeiner agile Softwareansätze bereits etabliert, wenn auch nicht unumstritten sind, habe ich manchmal den Eindruck, im Webdesign wären wir von diesen Ansätzen weit entfernt, trotzdem einzelne Aspekte durchaus Thema sind.

Können die aus der Software Entwicklung bekannten Ansätze auch das Webdesign flexibler gestalten, Service Design verbessern, Verständnis fördern und so vielleicht auch die Akzeptanz von Konzepten wie User Experience erhöhen? Überlegungen zum Redesign des Webdesign Prozesses.

Kurz zusammengefasst ist es doch bisher so: Eine Website wird spezifiziert, sie wird geplant und schließlich umgesetzt. Gleiches gilt für konventionelle Softwareerstellungsprozesse.

Agile Methoden gehen von einer direkteren Zusammenarbeit von Auftraggeber und Auftragnehmer aus. Die Spezifikation zu Beginn wird abgelöst durch einen sukzessiven Aufbau einer Spezifikation zur Laufzeit. Das Projekt damit ein iterativer Prozess, der sich mehr am Kundenwunsch, insbesondere aber an den Kundenanforderungen orientiert. Prototyping und Umsetzung rücken damit näher zusammen.

Gemeinsamkeiten und Analogien

Es ist nicht nur bei der Software Entwicklung ein gängiges Problem, dass Kunden schlicht überfordert sind, ihre Anforderungen zu Beginn, - ohne irgendetwas Fassbares- zu Papier zu bringen oder überhaupt in Worte zu fassen. Auch der Webdesigner kennt diesen Effekt. Genau dieser Effekt macht es so schwer, Projektzeitpläne und Budgets zu halten und führt zu all diesen gut gemeinten, aber teils überflüssigen Ratschlägen, wie denn Projekte wieder “rumzureißen” wären oder Kunden von Notwendigkeiten wie einer zielgruppenorientierten Umsetzung überzeugt werden könnten.

Es ist nicht nur bei der Software Entwicklung ein gängiges Problem, dass Prototyping zwar ein durchaus anerkannter Schritt in der Entwicklungsphase darstellt, jedoch von Kunden mangels Fassbarkeit kaum verstanden werden und daher wahrscheinlich gerade von Freelancern eher selten eingesetzt wird. Noch viel mehr scheitert es gelegentlich schon am Vorstellungsvermögen hinter einem noch so professionell aufgemachten Designentwurf. Nicht verwunderlich eigentlich: Der Kunde weiß nicht, wie es sich anfühlt, zu interagieren, er kann es sich nur vage vorstellen und genau das ist oft nicht ausreichend.

Es ist nicht nur bei der Software Entwicklung ein gängiges Problem, dass Detailfragen oft schlicht nicht beantwortet werden können - entweder weil das Problem als solches nicht erkannt wird oder aber die Überlegungen und Alternativen hinsichtlich möglicher Lösungswege zu komplex sind. Beispiel wären hier die Zustandsänderung eines Systems oder mögliche Benutzereingaben (Formen der Interaktion)- genau das hat auch eine Website.

Betrachtet man das Thema Usability, oder was mir inzwischen deutlich besser gefällt “User Experience”, so zeigt sich hier ja oft vor allem eines: ein Kommunikationsproblem. Ein Wissensproblem. Hier hilft Aufklärung. Nur woher soll die Aufklärung kommen, wenn der Kunde bereits zu Beginn mit “Spezifikationen” und “Usabilitys Grundsätzen” konfrontiert, ja sogar wahrscheinlich überfahren wird und Schwierigkeiten hat, überhaupt zu entscheiden, was er da an vertraglichen Leistungen unterschreiben soll. Hier hilft dann nur das Vetrauen in den Dienstleister.

Aber bringen wir so das Internet “weiter”? Hilft die bestehende Vorgehensweise, den Kunden, der unter Umständen noch recht unbedarft mit den für ihn neuen Konzepten umgeht, dazu anzuleiten, sich selbst um sein “Fortkommen im Internet” zu kümmern und sich selbstständig mit der Thematik auseinanderzusetzen?

Agile Methoden auch im Webdesign: eine Chance? Ich würde sagen: JA! Positive Aspekte sehe ich in:

  • Lerneffekten und verbessertem Verständnis vor allem frischgebackener oder wenig internet-affiner Internetseitenbetreiber
  • einem auf den Kunden zugeschnittener Entwicklungsprozess mit ganzheitlicher Komponente
  • verbessertem Möglichkeiten, Usability Tests durchzuführen, Benutzerakzeptanz zu untersuchen und User Centered Designs umzusetzen
  • Funktionalitäten noch mehr an die geschäftlichen Anforderungen des Kunden anzupassen

Aber…

Das Ganze hat natürlich auch seine Nachteile und die liegen in erster Linie im Budget und in der Zeitplanung als auch in den damit ganz neuen, anderen vertraglichen Abstimmungen. Eine weitere Forderung, vor allem aber ein Benefit, ist räumliche Nähe, denn Dokumentation und Absprachen, auch kleiner Zwischenergebnisse, sind  wesentliche Erfolgskriterien der agilen, iterativen Vorgehensweise.

Trotz allem können sich die Kosten rechnen, wenn bereits zu Beginn klar ist, dass Anforderungen nicht so detailliert beschrieben werden können wie nötig und so für den Projektverlauf viele Änderungen zu erwarten sind. Insbesondere eignet sich der Ansatz für Internetneulinge und interessierte Kunden, die sich vielleicht auch mit zusätzlichen Aspekten wie Social Media oder umfassenden Online Marketing Methoden auseinandersetzen möchten. Nicht geeignet scheint das Modell für Kunden, die sich am liebsten um nichts kümmern möchten - außer sie können sich einen dynamischen, iterativen Website-Erstellungsprozess mit allen nur erdenklichen Chance Requests und Änderungen, leisten.

Ich habe in letzter Zeit gerade mit Kunden, die zwar neugierig, sprich interessiert sind, trotzdem aber bisher weniger mit dem Internet zu tun haben, gute Erfahrungen machen können. Übrigens auch abseits jeglicher, ach doch so verkaufsträchtiger Begrifflichkeiten. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr überzeugt mich die Idee des “interaktiven Webdesigns”. Ich glaube sogar, es ist der einzige Weg, die Kluft zwischen dem Webdesigner/Webentwickler und der weniger internet-affinen Welt zu überwinden. Vielleicht werde ich hier in Zukunft den ein oder anderen Aspekt dieser Geschichte detaillierter unter die Lupe nehmen.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Iteratives Webdesign?”

  1. am 26 Mai 09 um 21:53 meint

    Wie ich schon mal aufgegriffen habe, gibt’s für Webdesigner einiges an Lernansätzen:

    Aber wie Du auch richtig feststellst, gibt es Nachteile, die durch Budgets und Zeitplanung bedingt sind. Das v.a. auf Kundenseite. Das wiederum ist nachvollziehbar. Einen solchen weitergedachten und an die Entwicklung angelehnten Prozess kann man einem externen Kunden nur schwer verkaufen. Der Kunde erwartet, dass das alles schon im Paket steckt. Bzw. der Auftragnehmer seine eigenen Prozesse und Methoden hat, die erwarteten Ergebnisse abzuliefern. An Zwischenergebnissen und -schritten ist der Kunde eher weniger interessiert.

    Trotzdem muss auch im Webdesign weiter an einer Professionalisierung gearbeitet werden. Nicht zuletzt, weil das Ganze langsam aber sicher immer komplexer wird. Die Softwareentwicklung hat da schon was voraus, da es sie schon länger gibt.

Auch was dazu sagen?