Ordnungsversuch: die usable-user-Begrifflichkeiten

Ich finde, es wird Zeit, Ordnung reinzubringen in einige Begrifflichkeiten aus der Welt der Usability, die alle so eng zusammenliegen und ohne die andere nicht sein könnte. Und auch in diesem Satz liegt schon der Fehler, nämlich die Usability. Was ist eigentlich der Kern, der alles zusammenhält? Kann man klar abgrenzen? Etwas provokanter: Haben sich hier nicht ein paar Kunstbegriffe entwickelt, die bei näherer Betrachtung auf das Wesentliche reduziert werden könnten, nämlich auf den Benutzer oder noch einfacher den Menschen?

Was ich versuche zusammenzubringen sind vor allem Usability, User Expercience, (Human Computer Interaction (HCI)), Interaction Design und dann auch noch einen recht neuen Begriff: Service Design. Mein Versuch, mit Hilfe eines sicher mehr als rudimentären Artikels Ordnung in mein eigenes Denken zu bringen.

Schon vorab muss ich mich dafür entschuldigen, dass ich hier so viel Wikipedia reinbringe. Es gibt viele Quellen und viele Definitionen, ich habe viel recherchiert. Der Einfachheit halber ist dann doch Wikipedia ganz nett, der nächste Schritt ist natürlich immer der, tiefer einzusteigen, dann verschiedene Nuancen und Facetten zu lesen und sich selbst ein Bild zu machen.

Usability mit Fokus Benutzer und Aufgabe

Usability, die Benutzerfreundlichkeit, da sind wir uns alle einig. Wirklich? Wollen wir wenigstens mal festhalten, dass in Bezug auf Produktdesign abseits der HCI damit Gebrauchstauglichkeit gemeint ist, die ja wiederum auch 1:1 auf eine Software oder Website anzuwenden ist. Gebrauchstauglichkeit meint strenger als Benutzerfreundlichkeit die Aufgabenangemessenheit und ist der Begriff, der dann auch offiziell verwendet wird, wenn es um Usability geht. Benutzerfreundlichkeit also eine HCI Begrifflichkeit vs. Aufgabenangenmessenheit als der taskorientierte Ansatz?

Wesentlich für das Verständnis sind die Teile 110 (früher 10) und 11 der . Teil 11 beschreibt mit drei Grundsätzen, um was es geht bei der Gebrauchstauglichkeit:

  • Effektivität zur Durchführung einer Aufgabe,
  • Effizienz der Bedienung des Systems,
  • Zufriedenheit der Benutzer einer Software

Teil 11 damit eher softwarelastig? “Websitelastiger” wird es in Teil 110, der sich mit dem Dialogdesign beschäftigt und Regeln für gelungenes Dialogdesign festlegt (Dialog hier als Kommunikation zwischen Mensch und Maschine). Da eine Website ja abstrahiert als einziger Dialog interpretiert werden kann, egal ob es sich dabei um eine Navigation, ein Formular oder eingebundene Medien geht, ist das wohl die Usability, die vielfach dann gemeint ist, wenn es um die Benutzerfreundlichkeit von Websites geht.

Nein, so klar zu trennen sind 11 und 110 oder Gebrauchstauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit dann doch nicht. Gebrauchstauglichkeit braucht, wenn es um Software geht auch den Dialog und damit die Benutzerfreundlichkeit. Benutzerfreundlichkeit ist nur dann in einen vernünftigen Kontext zu stellen, wenn man auch das Ziel des Dialogdesigns berücksichtigt. Vielleicht wird auch schon klar wie schwierig eine Begriffsbestimmung ist, wenn man das Dreigestirn Norman, Shneiderman und Nielsen betrachtet, die an der ganzen Sache ja wesentliche beteiligt sind. Jeder hat seinen Fokus, alle denken aber aus psychologischer Sicht in eine ähnliche Richtung.

Etwas anderes schwingt aber gerade bei der Definition der Gebrauchstauglichkeit schon mit: User Experience.

Die User Expercience

Etwas wie Phönix aus der Asche scheint die User Experience, also die Benutzererfahrung oder gelungener das Nutzungserlebnis, in unser virtuell-technisches Leben geraten zu sein. Dabei ist sie eigentlich in Teil 11 der ISO 9241 schon genannt, wenn es um positive User Experience geht: Zufriedenheit.To keep it simple, würde ich sagen, das prototypische Beispiel guter User Experience sind Apple Produkte, aber das ist vielleicht zu einfach…

Ich erinnere mich nicht, ob Herr Norman in seinem herrlichen Buch “The Design of Everyday Things” den Begriff schon so in den Raum stellt und definiert. Später nennt Norman sich offenbar selbst User Experience Architect. Da ist der Begriff an sich jedenfalls nicht erst seit gestern.

User experience als Rahmenbegriff verweist nämlich lediglich auf das Entstehen eines Nutzererlebnis’, nicht ob dieses gut oder schlecht ist. Usability ist per Definition eine messbare Qualität. Die Verbindung der beiden Begriffe erlaubt also, User experience auf Gebrauchstauglichkeit und Zufriedenstellung gemäß ergonomischen Maßstäben zu qualifizieren.

liest man bei . Und dort auch, dass dies vor allem eine im Kontext Web 2.0 neu auferstandene Begrifflichkeit ist, eine Einschätzung, die wiederum manifestiert wird durch eine eher:

Originally used in reference to human-computer interactions – and still largely associated with those disciplines – the term is now used to refer to any specific human-design interaction, ranging from a digital device, to a sales process, to an entire conference.

Das Interessante ist die Ausweitung auf Prozesse oder auch Services. Wie gut, dass man auf die Idee gekommen ist, Interaction und Service Design zum Leben zu erwecken. Okay, das mag zuviel der Ironie sein… also ein ernsthafter Blick auf das Design von Dienstleistung & Co.

Interaction - und Service Design

Spätestens jetzt beginne ich so meine Probleme zu haben. In wie weit sind diese Definitionen und Begrifflichkeiten Teil einer virtuellen Welt, in wie weit sind sie Teil der realen Welt? Wo liegen die Grenzen? Welche Begrifflichkeiten kann ich wann verwenden? Insbesondere: sind sie eindeutig? Und welche dieser Disziplinen betrifft mich eigentlich?

Viele Fragezeichen wirft folgende Graphik von Dan Saffer vom kicker studio auf, die allerdings auch viele Antworten liefert und mir sehr gut gefällt und daher ganz gut hier reinpasst. Er selbst, wie viele Überlegungen dahinter stehen. Das Blog vom Kickerstudio übrigens auch ein lesenswertes.

schreibt dazu:

Interaction Design wird häufig mit Interface Design (auch Screendesign) oder dem User-Experience-Design in Verbindung gebracht.

interessanter aber noch:

Interaktivität ist dabei nicht an neue Technologien gebunden. [...] Deshalb kann unter Interaction Design auch die Entwicklung von Lösungen für Dienstleistungen und Abläufen gesehen werden. Dabei haben z. B. Produktdesigner [...] bereits seit den 50er Jahren Interaktionen bei ihren Produkten (Taschenradio, Fernseher, Plattenspieler usw.) gestaltet, ohne diese Tätigkeit dabei als Interaction Design zu bezeichnen.

Eigentlich gelungen, oder? Jeder, der heute kein Screendesigner mehr sein möchte oder ein Software Architekt, kann sich damit schnell mal Interaction Designer nennen. Aber so einfach ist es dann doch wieder nicht…  Qualifiziert mich beispielsweise die Kenntnis um User Experience sowie der ISO 9241 in all ihren Facetten mich als der ein oder andere Designer zu bezeichnen? Ich weiß es nicht…

Einen wirklich interessanten zur Entstehungsgeschichte der Begrifflichkeiten gibt es bei Human Computer Interaction. Lesenswert für alle, die sich mit irgendeinem der angegliederten Themengebieten zu beschäftigen glauben. Ja, - ich schreibe das ganz bewusst in der Möglichkeitsform. Die Grenzen sind schließlich fließend.

Neben Interaction Design macht mich jedoch Service Design etwas ratlos, während ich gleichzeitig feststelle, dass ich hier sowohl für mein eigenes Business (ich als der Dienstleister) als auch für meine Kunden (Website als Transportmedium einer Dienstleistung) etwas ziehen kann. Sind wir dann da auch nicht gleich bei Marketing und um den Kreis wieder zu schließen bei Usability und User Experience, nur dass der User die Rolle des Kunden einnimmt?

, eine auf Service Design spezialisierte Firma schreibt für mich sehr verständlich

Service design is a design specialism that helps develop and deliver great services. Service design projects improve factors like ease of use, satisfaction, loyalty and efficiency right across areas such as environments, communications and products – and not forgetting the people who deliver the service.

Ordnungshalber

Und wie könnte nun ein Ordnungsansatz aussehen? Alles hängt eng zusammen, das ist klar. Und klar ist auch, wie die Graphik von Herrn Saffer zeigt, dass die Begrifflichkeiten eine Frage der Disziplin sind. Auch Produktdesign kennt User Experience und Usability. Da nennt man es eben nicht immer Interface oder Interaction Design.  Klar ist nicht, ob es sich hier nicht um kleine feine Unterscheidungen handelt, die es einerseits Unternehmen ermöglicht, sich zu spezialisieren und neue Konzepte an den Mann oder die Frau zu bringen.

Es bleiben dann weitere Begrifflichkeiten wie Information Design, Information Architecture und so weiter…

Für mich reduziert sich alles auf den Benutzer und auf die Aufgaben. Dass Aufgaben gerade in der HCI und im virtuellen Leben einen ganz neuen Stellenwert einnehmen, ist erstaunlich. Schon Norman schreibt in seinem Buch aus dem Alltag und auch ich könnte mich tagelang auslassen über Fragen der Benutzbarkeit von Kühlschränken und Kaffeemaschinen.

Schön ist aber, dass die verschiedenen Begrifflichkeiten Konzepte wie auch Messgrößen für eine qualitative Analyse ebenso definieren wie  Prozesse, in dem jene Konzepte umgesetzt und Ergebnisse mit jenen Messgrößen ermittelt werden können.

Erfreut stelle ich auch fest, dass ich aus annähernd allem, was in diesem Kontext geschrieben wird, etwas lernen kann. Da muss dann auch nicht das “Webdesign” Papperl draufkleben. Irgendwie steht das Web ja nicht isoliert sondern ist Teil unseres Lebens. Man muss dann auch sehen, dass alle diese Wissenschaften noch recht jung sind.

Eine Überlegung am Rande

Einen Aspekt möchte ich unbedingt noch in den Raum werfen und zur Diskussion stellen: Wäre es nicht gelungener, seinem Kunden das Prinzip der User Experience plausibel zu machen? Gerade dieses “zufrieden und glücklich”, eine Art Genugtuung bei der Benutzung (und damit verbunden natürlich auch der Mehrwert, Produkt oder Website unter die Leute zu bringen), ist vielleicht leichter verständlich als dieses inzwischen so abgedroschene(!) “Usability”?

Eigentlich wollte ich nun abschließend noch einige Links bringen - und merke: das würde kein Ende nehmen. Es gibt viel zum Thema. Vielleicht hab ich ja dem ein oder anderen, der sich verzweifelt versucht, durch diesen Begriffsdschungel zu kämpfen, ein bisschen Lust gemacht darauf, sich abseits der Usability  ein bisschen schlau zu machen.

 

6 Antworten zum Beitrag “Ordnungsversuch: die usable-user-Begrifflichkeiten”

  1. am 21 Mai 09 um 16:44 meint

    Der Trend geht wirklich in die Richtung, dass UX als Fachbegriff den abgedroschenen Begriff der Usability ablöst. Davon spricht kaum jemand mehr, sondern viel mehr von UX, ohne oftmals auch hier zu wissen, was sich dahinter verbrigt. Aber in D ist es immer schwer, jemanden klar zu machen, dass es Spaß und Erleben (positiv) sein soll, die einem Produkt Charakter verleihen. Besonders dann, wenn es um Websites geht.

    Deine Grafik ist wirklcih gelungen… danke dafür

  2. am 21 Mai 09 um 16:49 meint

    Hier noch ein Link: zum Thema “Usability ist nicht gleich UX”

  3. am 21 Mai 09 um 16:55 meint

    Anne-Kathrin

    Ich muss klarstellen - tut der Text aber auch, dass die Graphik nicht von mir ist. Schön wärs ;-) Siehe Link!

  4. am 24 Mai 09 um 22:04 meint

    [...] Anne machte sich erst kürzlich die Mühe, allgemein etwas Ordnung in den Buzz-Wald unserer Branche zu bringen. Haben sich hier nicht ein paar Kunstbegriffe entwickelt, die bei näherer Betrachtung auf das Wesentliche reduziert werden könnten, nämlich auf den Benutzer oder noch einfacher den Menschen?Ordnungsversuch: die usable-user-Begrifflichkeiten [...]

  5. am 18 Nov 10 um 16:53 meint

    Wo wäre Usability Engineering als Kreis im Schaubild?

  6. am 19 Nov 10 um 08:39 meint

    Anne-Kathrin

    Hallo Thomas,

    Das Schaubild ist ja nicht von mir - siehe Quellenangabe.
    Die Software-Ergonomie (ich denke, das verstehst du unter Usability Engineering) ist generell etwas, was in der ganzen Begrifflichkeit etwas unterzugehen scheint.
    Aber du siehst sie: rechts unten als Schnittstelle zwischen Interaction Design und HCI.
    Nur ohne Kreis ;-)

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