Wofür steht denn nun der Webdesigner?

Liest man regelmäßig Blogs von Kollegen so fällt mehrerlei auf:
Es wird viel Energie investiert, um sich mit Konzepten auseinanderzusetzen, Definitionen zu finden, Prioritäten zu setzen, Technologien anzupreisen und Standards heraufzubeschwören - und dann auch noch, sich in seinem eigenen Selbstverständnis als Webworker wiederzufinden in einer Welt aus Webdesignern, Webentwicklern und sonstigen Internetprofis.

Ist das noch reproduzierbar für den Außenstehenden? Wofür steht denn nun eigentlich der Webdesigner - landläufig?

Der ganz normale Alltag

Soweit ist das ja ganz nett. Wir sind unter uns. Jeder findet  etwas interessantes, das dann auch freundlich über Twitter und Blog an die Kollegen verteilt wird. Aber ist es nicht zunehmend wichtiger, zu kommunizieren, wie wir das Netz überhaupt sehen? Wie wir uns sehen? Und das möglichst nach außen?

Manchmal möchte man ja ganz laut weinen. Und gleichzeitig auch mal rufen: “Weint jemand mit?”

Wir brauchen ein gemeinsames Selbstverständnis! Wir brauchen aber insbesondere ein Selbstverständnis, das für den Kunden, diesen ganz normalen Menschen, der sich gängigerweise deutlich weniger im Internet aufhält und noch weniger häufig mit technischen Finessen und dem nächsten großen Hype auseinandersetzt, verständlich ist.

Immer mal wieder höre ich von Kollegen Geschichten, wie sie das Webdesignerleben so schreibt und ich sie natürlich auch kenne: …man könne soundsoviel Prozent seiner Projekte eigentlich nicht als Referenz verwenden, …wenn jemand mit Usability nichts anfangen könne,müsse man ihn eben lassen, … man solle, weil der Kunde schließlich König sei (und nicht zu vergessen Geldgeber, setze ich mal dahinter), das Ganze halt “wie gewünscht hinstellen”…, dann sollten die Kunden doch einfach einen Wartungsvertrag abschließen… und so weiter. Einerseits beruhigt es mich, dass ich nicht allein bin mit der ein oder anderen ernüchternden Erfahrung, andererseits macht es mich nachhaltig unglücklich, dass wir da alles so sehr in einem Boot zu sitzen scheinen. Denn den ein oder anderen Aspekt kennt bestimmt jeder.

Und ich selbst erlebe es, wenn man mich fragt, was ich denn beruflich mache, oft die Antwort: “Das ist ja toll, dann kannst du das also alles! Ich versteh davon ja gar nichts.” - sorry, natürlich (offen bleibt, was sich hinter “alles verbirgt…)! Das ist mein Job. Keine Zauberei. Mühevolle Arbeit. Würden diese Menschen einen Zahnarzt auch mit “Wow, da können Sie also Zähne ziehen? Das kann ich nicht.” kommentieren? Und schwingt da nicht auch unterschwellig gleich ein bisschen die Frage mit, ob damit Geld zu verdienen sei? “Ach und unsere Homepage, die machen Sie dann auch noch schnell…?” Und nicht auch noch dieser Gedanke, dass man dafür nicht sonderlich viel Geld ausgeben wolle?… Die Alternative übrigens ist ein verständnisloser Blick.

Noch also fühlt man sich gelegentlich nicht ernst genommen… ich zumindest nicht immer. Das Dilemma des Freelancers?

Webworker: ein ernstzunehmender Job?

Es wird Zeit, dass wir Webdesigner, Webentwickler, Webworker (das ich hier mal zusammenfassend für alle Bezeichnungen verwenden werde), insbesondere die Freelancer, endlich ernster genommen werden. Als Dienstleister. Als Dienstleister mit einem ganz normalen Job.

Es mag sein, dass Webdesign deshalb nicht ernst genug zu nehmen ist, weil annähernd jeder den Neffen eines Kollegen kennt, der gerade Abitur macht und “so eine Homepage schon machen kann”. Es mag sein, dass Webdesign nicht ernst genug zu nehmen ist, weil es Frontpage gab und Dreamweaver gibt. Es mag sein, dass Webdesign nicht ernst genug zu nehmen ist, weil es an jeder Straßenecke einen Hoster mit tollem Billigangebot und vorinstalliertem CMS gibt. Die Homepage - alles total easy. Häufig eine Fehleinschätzung derer, die selbst wenig mit der Technik zu tun haben, um sich herum aber nur hören, wie praktisch und einfach das doch alles sei: Email, ein bisschen Amazon und sogar Videos könne man schauen. Wenn man mal was suche: Google hilft. Jederzeit.

Für uns Webworker bedeutet das immer wieder mal den Kampf mit dem (Nicht-)Kunden, der meint, mehr als 300 Euro könne er aber nicht investieren. Oder die Auseinandersetzung mit Layoutänderungen kurz vor dem geplanten Launch, weil es doch plötzlich nicht mehr so gefalle. Innerhalb des vorher besprochenen Budgets natürlich. Klar ist dann auch, dass konzeptionelle Ansätze wie Informationsarchitekturen oder auch die dringend erforderliche Frage nach der Benutzerfreundlichkeit gerne als akademisch besserwisserische Preistreibereien interpretiert werden. Und klar ist in diesem Fall dann ebenso, dass dann schnell auch mal der Auftraggeber zuschlägt mitarbeitet und mit letzten Änderungswünschen eine optisch-benutzbare Katastrophe lostritt. Zu guter Letzt bleibt dann unter ganz bösen Umständen noch der Kampf um die Rechnung. Ich glaube, annähernd jeder Freelancer hat irgendwann sein erstes “Katastrophenprojekt” oder seinen ersten “weniger zahlungsfreudigen”, dafür aber umso fordernderen Kunden.

Hinter dieser (der Leser möge selbst entscheiden, in welchem Maße) überzogenen Darstellung verbirgt sich vor allem eines: wir sind schlicht nicht ernst genommen. Unser Berufsbild mag eines sein, aber eines, über das es keinen gesellschaftlichen Konsens zu geben scheint. Wir schwimmen für manch einen in einem Topf mit dem Neffen und dem Nachbarn von nebenan, der seine Vereinswebsite gestern im most-beatiful totally for free Template gekleidet online gehievt hat.

Eine ernstzunehmende Überlegung?

Hab dich nicht so und mal den Teufel nicht an die Wand, mögt Ihr Euch denken. Klar. Nicht alle sind so, nicht alle denken so. Das ist gut so, denn es ist ein Anfang.

Aber nehmen wir doch mal die Agentur - der es im öffentlichen Meinungsbild wahrscheinlich besser geht als dem Freelancer. Erleben wir es hier nicht auch immer mal wieder: “mal schnell noch das Template fürs xxxCMS - Design haben wir schon, wir können das halt nicht mit dem Installieren und Programmieren” oder “ach, machen Sie’s ruhig mit Tabellen, wir nehmen das nicht so ernst”… Ist das unser Anspruch? Ist das unser Niveau? Meines nicht.

Ziel sollte es also sein, klar zu machen, wofür wir eigentlich stehen, was das Berufsbild “Webworker” eigentlich meint und im nächsten Schritt dieses Berufsbild endlich unmissverständlich gesellschaftlich zu etablieren.  Was können wir? Wo liegen unsere Qualitätsansprüche? Und warum sind wir unser Geld wert?

Insbesondere würde ich mir übrigens wünschen, dass wir nicht mehr werbeträchtig beispielsweise über “Barrierearmut” reden müssen (ich finde diesen Begriff so schlimm…) oder über Trennung von Inhalt und Design, über CSS und HTML Standards. Ich möchte aber auch dem Kunden gegenüber nicht mehr über den Sinn (und vermeintlichen Unsinn) von Usability reden müssen. Das alles muss zur Selbstverständlichkeit werden.

Dann kann ich mich endlich auch dem Kunden und seinem Kunden widmen (das kann übrigens auch eine Agentur sein - und dann kommt eine Ebene dazu). Und ich bin mir sicher: der Kunde wird genau das zu schätzen wissen. Ein erster Ansatz mag “mehr Service im Webdesign” sein. Aber ob der gesellschaftlich auch ankommt?

Die Blogs der Kollegen, um noch einmal den Bogen zu spannen, sind wichtig. Denn wir können nicht stehen bleiben und müssen uns weiterentwickeln. Blogs sind da ein klasse Medium. Es ist auch sowas wie “unser Medium”, oder nicht? ;-) Spannend ist es auch. Das Thema, wie man Webdesign “gesellschaftsfähiger” machen, wie man mehr sensibilisieren könnte, wäre trotzdem ein interessantes, das mehr Raum verdient hätte. Wir brauchen Aufklärung. Immer noch!

 

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