Zwei Seelen wohnen da…

Tja, meine Lieben, im Moment bringt ihr mich wieder ganz schön in Gewissensnöte. Microsoft oder nicht Microsoft, - im Moment scheiden sich die Geister an den Microsoftschen Bestrebungen, HTML Mails über die Word Rendering Engine abzuwickeln. Ein für den CSS Junkie - das verstehe ich. Aber aus Benutzersicht?
Insbesondere aber stehe ich in Gedanken zwischen den Stühlen, denn ich arbeite viel und teils auch gerne mit Microsoft Produkten, während ich natürlich ebenso den Wunsch nach der reinen HTML Lehre oder den nach dem offenen Code verstehe.

Ein Outing sozusagen von jemandem, der in beiden Welten irgendwie zu Hause ist.

Spaß ist relativ

Microsoft macht nicht immer Spaß. Es gibt vieles, über das man sich ärgern könnte. Und das beginnt nicht bei der HTML Mail, sonder schlicht bereits bei Word. Wer irgendwann einmal versucht hat, eine mehr als 80 Seiten Arbeit mit zugrundeliegender Gliederung und durchdachter Formatierung im Griff zu behalten, der weiß, was ich meine. Und so stößt man irgendwann bei jedem Office Produkt an dessen Grenzen (und damit auch an seine eigenen) und irgendwann landet man vielleicht bei Infopath und dann bei MOSS - spätestens dann schlägt der Webdesigner die Hände über dem Kopf zusammen: der Code hinter den Kulissen ist traumhaft tabellarisch. Der Sharepoint Designer zwar ein mächtiges Tool, mitgeliefert aber das alte Frontpage Flair, was zur Hassliebe führt und dazu, sich dann eben der Tabellen anzunehmen, ist der Rest schon unübersichtlich genug.

Und trotzdem setzen viele Menschen und Unternehmen auf Microsoft. Man mag das mit der Monopolstellung begründen, man kann das aber auch mit einem durchaus durchdachten Gesamtkonzept begründen. Insbesondere aber sind es die Leute einfach gewohnt. So musste oder konnte ich beispielsweise feststellen, wie denkbar simpel sich der Einsatz von Infopath erweist. Man setzt die Nutzer vors Programm und los geht es. Es gibt keine Probleme - höchstens mit der Komplexität einer Infopath Vorlage. Das Programm an sich ist gewohnt. Um nicht zu sagen: die Leute lieben es. Wem das zu pathetisch klingt, ersetze es bitte. Ich empfinde es so, es ist genau das Feedback, das ich bekomme. (Ich liebe Infopath übrigens nicht - es ist der Killer meiner Nerven, gelegentlich zumindest.)

Ich tue mich daher schwer, mich gegen die Microsoftschen Bestrebungen auszusprechen. Klar, könnte man sagen, wäre es an der Zeit, mal ganz vernünftig und solide den Standard zu unterstützen. Dann aber müsste man sich (im Kontext HTML Mail) an Word wagen und an noch so einiges andere - das Zusammenspiel Word und Outlook jedoch ist aus Endbenutzersicht nur konsequent.

Die Realität

Man mag von Microsoft halten, was man will. Betrachtet man die Realität, so wird schnell klar, dass eine gesamte Unternehmensstruktur an der Softwareinfrastruktur hängt und es mehr als nur ein paar schnelle, strategische Entscheidungen erfordert, ein bestehendes System mal schnell umzustellen, beispielsweise auf Open Source. Übrigens begründet sich damit ja auch vielfach die Nutzung des auch von mir leidenschaftlich gehassten IE6. Ersetz mal eine Software, die eben hinterherhinkt. Es ist nicht nur eine organisatorische, es ist auch eine Kostenfrage.  Und auch im privaten Alltag muss nicht jeder seinen Mac haben - so schön der auch ist.

Wie immer in diesen Dingen hänge ich in der Luft, sitze zwischen zwei Stühlen. Ich verdiene mein Geld unter anderem mit Microsoft. Wiederholt schon habe ich als Lösungen versucht, Open Source Produkte schmackhaft zu machen, doch die Angst ist groß. Was, wenn die Entwickler abspringen, wenn das Produkt nicht mehr weiterentwickelt wird, wenn Geldgeber fehlen und so weiter… Auch die Erläuterung, man müsse da eben Lösungen für alles Microsoftsche finden, stößt oft auf Ablehnung. Verständlich aus Anwender- und Auftraggebersicht, gelegentlich. Denn warum sollte man sich für eine Lösung entscheiden, die einen für den Laien undurchschaubaren Programmieraufwand erfordert, der im ersten Schritt erstmal mit dem Blick auf die Kosten verbunden ist, wenn das andere längst da ist und sich in eine bestehende, wenn auch proprietäre Welt integriert. Microsoft wirkt da für manchen wie das erlösende Schlüsselwort. Das mag falsch sein - aber es ist die Realität. Und Microsoft bietet gerade im großen Unternehmensumfeld einfach Lösungen an, die ja- vielleicht sogar bestechen.

Schaue ich mir meine beiden Arbeitsschwerpunkte (MOSS und Infopath auf der einen, Webentwicklung und Webdesign auf der anderen) so an, dann fühle ich mich komischerweise gerade oft von der Webentwickler Seite gerne mal unter Druck (der Druck, den ich mir mache - er kommt nicht von außen!). DIe Open Source Welt beispielsweise ist deutlich “radikaler” als die Microsoft Welt. Bezeichnend? Warum das so ist, das wäre auch einmal eine Überlegung wert.  ch arbeite mit einem höchst proprietären Produkt, das viele Nachteile mit sich bringt aus Entwicklersicht, aber viele Nutzer glücklich und zufrieden macht.  Und immer wieder werde ich daher ganz still, wenn es um Kritik genau daran geht, denn ich kann meine Arbeit mit Microsoft Produkten sehr gut rechtfertigen und begründen. Auch wenn ich beispielsweise persönlich nie wieder einen PC mit einem Windows als Hauptbetriebssystem nutzen möchte.

Predigen ist gut, Standards sind gut und auch ich würde mich gerne weniger Problemen gegenüber sehen, insbesondere wenn es um Dinge wie Datenaustausch geht.  Die Realität allerdings sieht manchmal einfach anders aus, als wir Webworker oder nicht-ASP/C#- Programmierer (auch hier bewege ich mich in einer Zwischenwelt) sie uns so vorstellen. Wir sind weit weg vom Ideal, das wir predigen. In der Welt der Unternehmensberatung und des Consulting sieht man das pragmatischer. Wir, so glaube ich, stellen uns gelegentlich selbst ein Bein…

Ich werde wohl weiter damit leben müssen, dass ich mich hier und da gelegentlich als “Verräter” fühle, stelle mich jedoch gerne auf den Standpunkt, am liebsten einfach nur den Wünschen und Anforderungen von Kunden entgegenzukommen.  Dass Microsoft langfristig wirklich Bemühungen anstellen sollte, an einigen Stellen eine etwas weniger proporietäre Schiene zu fahren, ist eine ganz andere Sache - da gehe ich jederzeit mit Freuden mit. Es würde meine eigene Arbeit um einiges erleichtern.

 

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