Das ist ja schrecklich

Heute unterhielt ich mich im Kindergarten mit einer anderen Mutter, sie fragte mich, was ich denn machen würde. Wie üblicherweise erklärte ich etwas von Websites, von Webentwicklung und von IT-Beratung. Nicht zu kompliziert. Ich hatte vorher schon erzählt, dass mein Arbeitstag meist gegen 6.00 Uhr anfinge und irgendwann, jedenfalls nicht zu üblichen Geschäftszeiten, ende.

Sie meinte dann: “Und- du arbeitest von zu Hause?” Ja, antwortete ich und wollte gerade noch etwas hinterherschieben. Dazu kam ich nicht.
“Das ist ja schrecklich!”, schoss es aus ihr heraus.

Was ich Ihr sagen wollte, war -mit eigenen Relativierungen- eigentlich gerade das Gegenteil, obwohl ich genau in dem Moment Ähnliches gedacht hatte.

Mein Homeoffice

Es hat sich so ergeben mit meinem Homeoffice. Als ich mich selbstständig machte und wusste, dass ich vorwiegend im Internet tätig sein würde, war es als Freelancer nicht nötig, ein Büro anzumieten. Das war deshalb praktisch, weil es kostensparend war und sparen, das musste ich damals wie jeder, der sich selbstständig macht. In meinem Businessplan war zwar kalkuliert, dass ich nach spätestens zwei Jahren irgendwo ein kleines Büro anmieten würde, aber eben nicht zu Beginn.

Irgendwann stellte ich fest, dass noch einiges andere  praktisch war, denn meine Kinder wurden älter und mussten mal hier mal da aus der Schule geholt werden. Wenn das ein fester Tag in der Woche ist, kann man so etwas einplanen und hat damit einen Schritt Richtung “Familie und Job unter einen Hut bringen” getan. Gleichzeitig war ich froh, mal schnell in Eigenverantwortung zu Hause bleiben zu können, wenn eines der Kinder krank war, aber auch, wenn sich vormittags irgendein Handwerker oder ähnliches angesagt hatte.

Und parallel dazu ergab es sich immer häufiger, dass ich abends arbeiten musste oder noch schnell in der Früh um sechs. Wenn ich mir überlege, was ich gelegentlich an Daten und Informationen brauche, an die ich vorab nicht gedacht hatte, hätte ich abends und am nächsten Tag in der Früh ein halbes Office mit umziehen müssen.

Und eines Tages stellte ich fest, dass sich mein ganzer Rhythmus darauf eingestellt hatte, zu Hause zu arbeiten. Ich konnte bequem alles unter einen Hut bringen, das mit einem Büro in Regensburg wahrscheinlich eben jener Organisationsaufwand gewesen wäre wie in meinem bisherigen Job. Ich genoss es, dass mein Kühlschrank in der Nähe ist, dass ich schnell mal Erledigungen machen konnte, wenn ich daran dachte und nicht, wenn ich gerade mal Zeit hatte.  - Nein, ein Lotterleben war das nicht. Ich habe begonnen, mir jeden Abend einen Zeitplan mit ToDos für den nächsten Tag zu machen und das auch sehr strikt eingehalten.

Es gibt durchaus Schreckliches

“Schrecklich” ist, dass meine Kinder sehr schnell dem Trugschluss erlegen sind, ich wäre allzeit verfügbar. Es fing also damit an, dass ich mehr als die Fixtermine hätte wahrnehmen sollen und es oft Streit gab, wenn ich mich weigerte. Meine Standardsätze waren “Ich habe keine Zeit” oder “Stell dir vor, ich säße in irgendeinem Großraumbüro”. Inzwischen hat sich das relativiert, da sie wissen, dass ich damit schließlich auch Geld verdiene.

Schrecklich ist auch, dass sich Privates und Beruf sehr vermischen. Ich bin - genau wie in diesem blöden Spruch- “selbst und ständig am Arbeiten”. Es gibt leider immer noch Kunden, die das ausnutzen und es dann auch abseits jeglicher halbwegs vernünftigen Arbeitszeit versuchen, mich zu kontaktieren. Es ist schwierig, hier die richtigen Grenzen zu ziehen und ich muss sagen, dass ich das anfangs auch oft falsch gemacht habe.

Schrecklich ist auch, dass ich selbst nicht so recht abschalten kann und eben jederzeit die Möglichkeiten habe, mich wieder an die Arbeit zu setzen, - eine Tatsache, die dann auch  meine Kinder schon mal gelegentlich dazu animiert zu sagen “Ach, Mama, setz dich doch einfach wieder an deinen Laptop”.

Alles in Allem

Inzwischen habe ich auch noch einen Hund. Und das ist neben der Tatsache, überhaupt eine Hund zu haben, so richtig schön, weil es meinen Büroalltag etwas auflockert, während ich sonst gerne mal zwischendurch für fünf Minuten Pause gemacht habe -aber nie so richtig, immer nur halbherzig und aus medizinischer, geschweige denn arbeitsrechtlicher Sicht wahrscheinlich vollkommen unzureichend.

Inzwischen habe ich, um den Wahnsinn komplett zu machen, wieder Ämter im Kindergarten übernommen. Meine persönliche Entscheidung, mich da einzubringen, mit dem Vorteil, dass ich mir Zeit freischaufeln kann und das in Eigenregie.

Ich habe es nie ernsthaft bereut, den Schritt zum tollen Office nicht gemacht zu haben. Ich bin zwar ständig verfügbar für alle, die meinen, mich zu brauchen, aber ich bin auch für die verfügbar, die mich wirklich brauchen. Während andere vielleicht viel Ruhe brauchen zum Arbeiten, pulsiert bei mir das Leben um mich herum, während ich arbeite. Natürlich gibt es Zeiten, da ist es einfacher, weil ruhiger. Trotzdem merke ich: ich brauche es genau so. Und- um es noch etwas nachdenklich zu machen: ich glaube, es ginge für mich mit drei Kindern auch gar nicht anders. Nichts wäre schlimmer als ein schlechtes Gewissen!

Ich möchte mit niemandem tauschen, der sich allein ein Büro gemietet hat, dort vielleicht ein paar private Fotos aufgehängt und eine Kaffeemaschine installiert hat, auch wenn ich den fachlichen Austausch anders gestalten muss, als die, die ihre Kollegen im Büro nebenan haben und auch wenn mein Homeoffice alles andere als ein einfaches Konstrukt ist.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Das ist ja schrecklich”

  1. am 06 Dez 08 um 11:16 meint

    cortex

    mir geht’s genau so - ich geniesse es sehr, in meinem soho zu arbeiten. wer damit zuerst einmal “schrecklich” assoziiert, hat höchstwahrscheinlich ein anderes verhältnis zum “arbeiten gehen” als solches. aus meiner perspektive ist das eher bedauernswert, da nicht viel (zeit) übrig bleibt, wenn ich den angenehmen teil meines lebens auf die (seltenen) momente beschränke, die man im allgemeinen “freizeit” nennt.

    cx

Auch was dazu sagen?