Hilfe!? Mein Kind verfolgt mich.

Vorgestern abend ist es also dann passiert - das, was ich nie gewollt und immer mit einem angekündigten Grund gemacht hatte, aus Twitter wieder auszusteigen: Mein eigenes Kind verfolgt mich! Im Internet! Auf Twitter! Zwar ist es dabei selbst etwas stumm, aber was, wenn die Hemmschwelle erstmal überwunden ist?

Bei uns daheim herrscht ziemlich freizügiger Umgang mit Rechner und damit auch mit dem Internet. Ich finde das gut. Es war daher nur eine Frage der Zeit… und doch möchte ich im Moment groß angelegt innerfamiliären Protest einlegen.

Cornelius ist 15. Eher fast ein wenig mehr 16. Und er ist eigentlich soweit ganz vernünftig, soweit man bei 15jährigen von Vernunft sprechen kann. Er ist gerne und viel (gerne auch ein bisschen zu viel, denn spätestens nach Mitternacht haperts dann etwas mit der realen Kontrolle…) im Internet unterwegs, vor allem auf YouTube und auch Schüler VZ. Natürlich liest er auch ganz gerne mal auf medamind, manchmal muss er sogar als Testleser herhalten (und ich muss mir dann im Gegenzug ein tolles Drummer-Video ansehen). An seltsamen, netten Abenden sitzen wir uns gegenüber, jeder an seinem Rechner und spielen uns gegenseitig Musik vor, die wir irgendwo finden. Seit gestern können wir uns gegenüber sitzen und uns zutwittern zu-twittern.

Und während ich das alles eigentlich ganz “cool” finde, dass sich meine Kinder für das interessieren, was ich mache, macht sich leicht auch ein bisschen Frust breit. Sie werden also groß. Gut, ich war noch ziemlich jung, als ich Cornelius bekommen habe, aber sollte er sich nicht trotzdem lieber bei “Seinesgleichen” aufhalten?

Es zeigt sich aber etwas anderes. Ein Problem, mit dem auch wir tagtäglich auf Twitter zu kämpfen haben. Der Spam. Diese netten Twitter(innen) mit 0 Followern, einem einzigen ziemlich direkten Posting in Form eines mehr oder weniger moralischen Angebots und einer ganzen Reihe an potenziell interessanten Follow-Opfern. Das also auch für den Cornelius? Prompt hingen da schon zwei an ihm dran und es geht weiter. Eigentlich müsste ich ihm raten, seine Updates (so er denn welche hätte, er schweigt und hört mir zu…) protected zu setzen. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist umkehrt die Frage, wem er folgt. Grundsätzlich kann er folgen, wem er möchte, auch im Internet liegen die Inhalte sehr nah nebeneinander. Trotzdem - vielleicht ist das auch nur aus mütterlicher Sorge heraus?- habe ich den Eindruck, auf Twitter läge der Mist noch viel mehr nebeneinander. Linkschleudern mit fragwürdigen Inhalten. Die Spaßvögel mit dem fragwürdigen Humor. Aktivisten mit fragwürdigen Inhalten… - und dazwischen wir, die ganz normalen Twitterer. Für einen 15-jährigen wahrscheinlich mäßig interessant. Oder spricht hier wieder nur das übervorsichtige Muttertier in mir? Bin das wirklich ich, die gleichzeitig auch den freizügigen, wenn auch durchaus überlegten und aufgeklärten Umgang mit dem Internet propagiert?

Ein Lernprozess

Lernen muss wohl vor allem ich. Mein Kind bewegt sich eben nicht mehr auf KiKa und Toggo. Es wird flügge, wie ich schon geahnt hatte. Und es schaut mir zu, beobachtet, was ich treibe, provoziert mich auch ein wenig (wahrscheinlich wissentlich meiner damaligen Überlegung) und bahnt sich selbst seine Wege durchs Netz. Ich begegne ihm dabei, er begegnet mir. Wie man sich eben so über den Weg läuft im Netz. Besonders aktiv ist er da noch nicht, aber wahrscheinlich wird er reinwachsen. Er ist derzeit Konsument, außer auf Schüler VZ, das ist dann doch eher die Plattform zum Kennenlernen, Mitreden und Mitdiskutieren. Trotz allem ist es die Post-Internet Generation, also die, die mit dem Internet groß geworden ist und die Chance bekommen hat, diese virtuellen Welten als selbstverständlichen Bestandteil des eigenen Lebens zu nutzen.

Ich sehe vor allem, wie viel Theorie dann doch hinter meinen Überlegungen steckt und dass wie üblicherweise Theorie und Praxis nicht sonderlich weit beeinander liegen. Ich werde ihn (weiterhin) “mitnehmen” müssen, ihm zeigen, wie ich das Netz verstehe, was ich dort finde, was ich nicht finden möchte, wie ich mich informiere und wie ich mein Wissen erweitere. So gesehen dann ein Lernprozess für uns beide.

Medienkompetenz, dazu hatte ich auch kürzlich etwas geschrieben, muss vorgelebt werden. Ich bin ohne mein Zutun und ohne mein Wollen plötzlich mitten in der Praxis gelandet. Mehr als mir das lieb ist. Vielleicht stecke ich auch schon lange mittendrin, ohne es gemerkt zu haben? Nein, von irgendeinem gluckenhaften Trieb in meinem Innersten werde ich mich nicht leiten lassen. Twitter ist dann doch nur ein Kanal.

Twitter übrigens halte ich generell als weniger für Kinder geeignet. Vielleicht weil nicht interessant genug. Ich stelle fest, wie gerne sie unter sich bleiben und sich dort auch wohl fühlen (aktiv), während sie nur als Konsumenten auch andere Bereiche aufsuchen. YouTube beispielsweise. Leider liegen auch hier die kritischen Inhalte nur ein paar Klicks auseinander. Es ist also durchaus eine Aufgabe, uns als Erwachsene irgendwie Gedanken zu machen, wie wir vermitteln können, was Sinn macht und was nicht. Die Inhalte, die uns als Eltern nicht gefallen, werden wir nicht in den Griff kriegen. Es ist mit dem Internet ganz einfach wie im täglichen Leben…

 

2 Antworten zum Beitrag “Hilfe!? Mein Kind verfolgt mich.”

  1. am 02 Jul 09 um 21:45 meint

    Da hast du wahres Wort gesprochen. Wirklich ein schöner Beitrag und wahre Überlegungen. Bei uns liegt diese Situation zwar noch in weiter Ferne, aber trotzdem muss man sich ständig damit auseinandersetzen, um gewabnet zu sein.

  2. am 03 Jul 09 um 08:29 meint

    Delus

    hm tja..dumm gelaufen!
    aber das mit der realen Kontrolle is wohl ein Mythos! ;-)

Auch was dazu sagen?