Meine Preis-Leistungs-Rechnung

Ich komme von einer dreistündigen Elternbeiratssitzung im Kindergarten. Wir haben das “Maifest” geplant. Feste finde ich immer gut und in den Kindergarten Elternbeirat bin ich voller Idealismus. Die Leute sind nett, die Sache ist gut, aber: Was nach jeder Sitzung bleibt, ist ein bitterer Nachgeschmack.

Meine ganze Tagesplanung läuft anders ab, als die meiner “Miteltern”. Und mein Verständnis von Kindergarten ist auch anders. Irgendwas läuft schief, wenn sich Kindergärten nur tragen, weil Eltern permanent Benefizveranstaltungen auf die Beine stellen müssen.

Für das Maifest rechne ich inklusive der heutigen Sitzung mal mit 12-15 Stunden Engagement. Fest eingeplant. Nicht irgendwie “wir gehen heute nachmittag mal auf das Fest” (was ich Linus herzlich gönne).
Seit heute weiß ich genau, was ich am zweiten Maiwochenende mache. Fast minutengenau. Ich weiß auch, was organisiert, eingekauft und aufgebaut werden muss. Durchorganisiert bis in die kleinste Kuchengabel. Um das in Erfahrung zu bringen, bin ich nun drei Stunden da gesessen.
Eigentlich sollte ich in der Woche nach Ostern, das ist die Woche, in der ich wieder arbeiten kann, denn der Kindergarten hat in der ersten Woche geschlossen, eine Gartenaktion starten: fröhlich gemeinsames Aufräumen der Überbleibsel vom Winter plus obligatorischer Weidenhäuschen.
Ähnliches wie das Maifest habe ich bereits Planungen für eine Martinsfeier und einen Weihnachtsmarkt sowie deren Durchführung hinter mir. Wie viele andere Eltern auch.

Bratwürstl gegen Websites

Wenn ich das alles, nochdazu in Relation zum Gewinn des Verkaufs von Waffeln und Kinderpunsch oder Bratwürstl und Kuchen (wobei ich ein Stück Kuchen natürlich immer bezahle, auch wenn ich drei Kuchen spende, klar!), betrachte und meinen beruflichen Zeitausfall plus dem Verlust meiner Freizeit gegenrechne, muss ich leider sagen, dass ich nicht gut wegkomme.

Der Kindergarten sei angewiesen auf die Mithilfe der Eltern heißt das Gegenargument. Er brauche diese Werbeaktionen, Benefizveranstaltungen und alles andere, um sich über Wasser zu halten.

Ist das wirklich so? Und wenn ich monatlich mehr Beiträge bezahle und alle anderen auch? Für mich rechnet sich das Spielchen wirklich überhaupt nicht. Wie, liebe Familienpolitiker, an erster Front die Dame mit den sieben Kindern, kann man hier von verbessertem Betreuungsangebot sprechen, wenn erstens die Betreuung generell schon so restriktiv funktioniert, sich aber dann offenbar alle Beteiligten stillschweigend darauf geeinigt haben, dass Elternintiative nicht nur ein Nice-To-Have sondern ein absolutes Muss ist? Leute, ich bin Euch wirklich nicht auf der Tasche gelegen. Ich habe nach 6 Wochen “Mutterschutz” wieder gearbeitet, studiert ganz früher sogar sofort wieder, indem ich mit einem drei Wochen alten Baby in irgendwelche Vorlesungen gerannt bin, ich habe mich mit einem knapp Einjährigen Kind selbstständig gemacht, ich habe meine Arbeitslosengeldansprüche einfach verjähren lassen - ist doch eigentlich alles ganz prima für Euch gelaufen, oder?

Wir reden hier nicht von gemeinsamen Aktionen für und mit Kindern. Wir reden von Sitzungen, in denen Massenveranstaltungen geplant werden, minutiös, weil es die letzten Jahre schon immer so war und weil  - ja warum eigentlich? Martinszug und Kindergartenfest: die Ereignisse in einer 8000 Einwohner Gemeinde? Das kann es doch echt nicht sein, oder? Schwierig natürlich solche Sitzungen, denn jeder hat eine andere Meinung. Bis man da zu Ergebnissen kommt, das dauert…

Betreuung oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahme?

Kann heute ein gut ausgestatteter Kindergarten wirklich nur noch dann funktionieren, wenn die Eltern sich an der Ausstattung beteiligen? Wir reden nicht von Personalkosten. Die wären mit einem Sommerfest für eine Kinderpflegerin oder gar Erzieherin nicht in Ansätzen zu stemmen. Steht es wirklich dafür, dass 15-20 Leute für Einnahmen auf einem Weihnachtsmarkt Tage und Wochen vorher diskutieren, planen, machen und tun? Für eine neue Schaukel? Ist das nicht auch noch drin?

Kann ich nicht einfach nur gute Betreuung erwarten, liebevolle Betreuung, pädagogisch wertvolle Betreuung? Ich dachte eigentlich, Elternbeirat, das sei etwas, um mitzureden. Vielleicht auch mal, sich mit dem Träger darüber zu unterhalten, was anders laufen muss. Nein. Elternbeirat ist nichts zum Mitreden. Es ist auch vollkommen harmonisch. Und die Eltern machen und tun, opfern ihre Zeit und ihre Nerven. Den Träger wird es freuen. Mich bringt es auf die Palme…

Man kriegt uns mit unseren Kindern… oder so

Nein! Ich bin mit unserem Kindergarten sehr zufrieden. Linus gefällt es gut und ich komme - aus der Betreuungssicht- auch gut hin mit den Schließzeiten. Aber so wie es dargestellt wird (die totale Betreuung, Kindergarten für alle, Vereinbarkeit von Familie und Job), ist es nun wirklich nicht. Das Engagement, das von der Gesamtheit aller Eltern gefordert wird, ist riesig. Klar kann man sich da als Selbstständige und Alleinerziehende mal rausreden. Immer wird man das nicht können. Höchstens man legt sich ein dickes Fell zu, nach mir die Sintflut, und versucht, seinem Kind die Sachlage gut zu erklären.  Ehrlichgesagt verstehe ich da schon, dass sich eine Kluft breitmacht zwischen den reinen Hausfrauen oder Teilzeitberufstätigen, die solche Geschichten natürlich gerne mal als Abwechslung sehen und Frauen wie mir. Schade eigentlich. Verständnisvoll wäre es irgendwie netter.  Aber wie will man da Verständnis haben: Der eine immer euphorisch, der andere immer gehetzt?

Dass ich eine dreiviertel Stunde über 800 vs. 1000 Bratwürstl bzwl. 350 vs. 450 Brezen diskutiere, weil die Feier eben für Oma, Opa, Tante, Onkel und überhaupt das ganze Dorf geplant wird, statt für die Beteiligten- das finde ich absurd. Wisst Ihr was? Ich würde die 20 übriggebliebenen Semmeln schlicht an die letzten Besucher verschenken.

Morgen muss ich früh raus. Geschäftstermin. Heute nacht träume ich vielleicht davon wie ich mir das vorstellen könnte, damit meine Rechnung zum Preis-Leistungsverhältnis ausgehen kann… Na gut, ich tu wenigstens was Gutes für meine Kinder, während ich den Rest der Welt mit Glauben machen helfe, es sei hier alles wirklich ganz, ganz prima. Immerhin. Es wird auch morgen klappen, so wie es immer geklappt hat und wir werden ein schönes Maifest haben.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Meine Preis-Leistungs-Rechnung”

  1. am 01 Apr 09 um 23:55 meint

    Moin, ich bin’s wieder…

    Ich kann Deine Gedanken gut nachvollziehen! Auch in unserem Kindergarten (mit dem wir “extrem” zufrieden sind - besser hätten wir es kaum treffen können) gibt es solche elternunterstützten Veranstaltungen. Auch ich habe wenig Zeit, die ich da spenden kann (und um ehrlich zu sein, auch nicht die allergrößte Lust). Ich habe das offen angesprochen und angeboten, Aufgaben zu übernehmen, die zeitlich nicht so kritisch sind (Flugzettel schreiben und vervielfältigen, Foto- und Video-CDs kopieren) und die man zur Not auch den Azubi machen lassen kann.

    Was Du m.E. übersiehst ist ,dass es viele Eltern gibt (zumindest bei uns), die in solchen Aufgaben aufgehen und sich da gern voll reinhängen. Politisch gesehen sind das ja sowieso nur “nice-to-have Features” - für die Basisbetreuung Deiner Zöglinge sind diese nicht unbedingt erforderlich. Deswegen soll wer solche Veranstaltungen für wichtig hält auch was dafür tun.

    Aber in der Schule wird es auch nicht besser - das wissen wir seit September nun auch…

Auch was dazu sagen?