Über “Ruhm”

Kürzlich habe ich Daniel Kehlmanns “Ruhm” fertiggelesen. “Die Vermessung der Welt” hatte mir unheimlich gut gefallen. Den Erfolg der Geschichte über Gauss und Humboldt hatte ich zwar nicht ganz verstanden- schließlich gibt es wenig Grund, Episoden eines Mathematikers und eines Naturwissenschaftlers gut zu finden, ohne eine Affinität zum ein oder anderen zu haben. Mir hat -kurz- die Sprache gefallen wie auch die unheimliche Power.  So hat bisher niemand geschrieben, - besser habe ich vorher so etwas noch nie gelesen. Vom “Ruhm” hatte ich mir ähnliches versprochen.

“Ruhm” beginnt auf subtile Weise spannungsgeladen. Die erste der neun Geschichten, aus denen der Roman zusammengesetzt ist (und die auch durchaus schlüssig zu einem Gesamtszenario zusammenfügen), macht neugierig. Weiterlesen garantiert. So war es dann auch. Jeden Abend eine Geschichte.

Wirklich interessant und für mich das Highlight des Werks: die originelle Idee, sich während des Erzählens einer Geschichte als der Erzähler, wie der Regisseur, in die Handlung einzuklinken, verschiedene Szenarien anzuschneiden, weiterdenken zu lassen.

Spätestens die Geschichte der Krimiautorin, deren Schicksal sie in einem fremden Land mittellos (und den Leser ratlos) zurücklässt, lies mich jedoch an Kehlmanns neuem Werk zweifeln. Im positiven Sinn könnte man es “kafkaesk” nennen, - ich formuliere mal, Herr Kehlmann hätte seinen Kafka gut gelesen.

Besonders geärgert hingegen hat mich jene Episode über den “Internetblogger” (so der Bucheinband), der sich bei genauerem Lesen als passionierter Forenleser- und schreiber entpuppt -btw wo bloggen wir sonst noch? Hier wird jedes Klischee bedient und ich lerne (anscheinend) web-zweinullige, hippe Begriffe aus der Welt der “Internetler”, die mir bisher glücklicherweise unbekannt waren, beispielsweise Lifesense.

Voller Container Fehlermeldungen jedes Mal [...]

Ich war jetzt voller Container visible!

Wenn Dreckshit kommt, dann immer eben voller Container.

Wo hat Herr Kehlmann denn diese sprachlichen Highlights aufgeschnappt?  Sorry, aber wer redet denn so? Die “Internetblogger” von heute? Jugendsprache ist das auch nicht, das wüsste spätestens mein 15-jähriger Sohn. Ganz abgesehen davon sehe ich keinerlei Grund, eine derart plumpe Wortwiederholung alle halbe Seite zu präsentieren.  Lieber Herr Kehlmann, vielleicht wollen Sie das nächste Mal entweder den Wink mit dem Zaunpfahl meiden oder aber besser in der “Scene” recherchieren? Die message lässt sich sicher auch anders posten rüberbringen.

Stilistisch überzeugt dieser Roman, wie auch seine Vorgänger, sehr.

lese ich bei meinen Google Recherchen. Das kann ich beim besten Willen nicht unterschreiben (ich kenne allerdings nur die Vermessung).

Das Ganze Buch: gelegentlich amüsant, gelegentlich überraschend, meines Erachtens gelegentlich auch  langweilig und immer wieder mal eine einzige Provokation, die entgegen aller Meldungen nur marginal mit “Handys” zu tun hat, vor allem aber wohl eines schaffen könnte: man kauft sich irgendwann wieder einen neuen Kehlmann, um zu sehen, ob es beim nächsten Mal “besser” geworden sein könnte.

 

2 Antworten zum Beitrag “Über “Ruhm””

  1. am 21 Feb 09 um 13:52 meint

    Hallo Anne,
    vielen Dank für die sehr ausführliche und sehr hilfreiche Rezension! Ich gehöre zu jenen, die schon der “Vermessung der Welt” wenig Gutes abringen konnten. Ich habe mich großteils gelangweilt, ein oder zwei Stellen amusierten mich, das war mir zu wenig. Stilistisch fand ich es beinahe katastrophal, die inhaltlichen Fehler aufgrund der teils schlechten Recherche störten mich, sie als künstlerische Freiheit abzutun wollte mir nicht gelingen. Daher stand für mich fest, nicht so schnell ein zweites Kehlmannbuch zu lesen.
    Nach deiner Besprechung raffe ich mich vielleicht doch noch zum “Ruhm” auf, nicht aber ohne auf die Taschenbuchausgabe zu warten ;-)
    liebe Grüße Johannes

  2. am 22 Feb 09 um 09:13 meint

    Anne-Kathrin

    Auf dem Perlentaucher gehen die Rezensionen, die aus verschiedenen Zeitungen zusammengetragen wurden, ziemlich auseinander.
    Ich war recht froh drum, das gefunden zu haben, denn man liest viele Lobeshymnen (”genialistische Fingerübung”!?), so dass ich mich fragen musste, ob ich einfach nicht in der Lage bin, den tieferen Sinn hinter “Ruhm” zu verstehen ;-)

    Ich glaube, die Vermessung hat nicht den Abspruch, einer vollständigen Recherche.
    Interessant fand ich übrigens den sehr eigenwilligen Umgang mit der indirekten Rede.

Auch was dazu sagen?