Die Sache mit dem externen Link

Es war nur mein eher lapidarer Einwand, “das mache man heute nicht mehr”, der den Stein ins Rollen brachte: die Diskussion um den externen Link.
Um es gleich vorweg zu nehmen: ich bin ein entschiedener Freund des neuen Tabs (nicht Fenster!)- mit einem vernünftigen Browser geht dass ja auch und habe mir deshalb die Argumente, die für mich neu waren, interessiert angehört. Und daher schreibe ich auch was zu dieser abgelutschten Geschichte.

Gleich vorab, ich habe unter anderem gelesen, den ich hier auch ganz bewusst in neuem Tab oder Fenster öffnen lasse und gleichzeitig brav als extern gekennzeichnet habe.

Da liest man also seit Jahren, dass es keine gute Praxis sei, externe Links in externem/neuen Fenster zu öffnen. Man hat sogar den den Eindruck, dies sei , egal ob es sich dabei um einen internen oder externen Link handelt und jeder, der sich gegen diese Regel entscheide, sei entweder ein Unwissender oder ein Banause.
Ich kann mich bei externen Links immer noch nicht damit anfreunden (bei internen Links nervt das wirklich ziemlich, die müssen zwingend dort aufgehen, wo man ist), auch wenn ich natürlich in guter Webmacher Manier meine Kunden dennoch darauf hinweise, was “gute Webpraxis” ist.
Trotzdem: mancher hält mit guten, bedenkenswerten Argumenten dagegen und überzeugt mich dann, dass es dann eben auch so gemacht wird.

Es kam also zu einer Diskussion darüber, was mit externen Links passieren solle, ich war in der Rolle des Machers und mein Gegenüber fand meine Einwände nicht besonders schlüssig.

zurück im Browser

Mein erster Einwand war ein Standardargument, der User könne ja die Zurück Taste des Browsers nutzen.
Die Semantik der Zurück Taste des Browsers wurde mir während meiner Studienlaufzeit zu genüge erläutert und ist hinreichend bekannt. Nur leider (vielleicht empfinde nur ich da so?):
Manchmal ist “zurück” nicht das “zurück”, das man sich selbst vorstellt und mit vorwärts ist es auch nicht anders oder vorwärts ist plötzlich da, wo man eigentlich rückwärts vermutet und umgekehrt.
Sicherlich haben findige Leute daher im Browser dieses kleine Pfeilchen neben der Vor- und Zurück Taste eingeführt, das einem einige Vorgaben der zuletzt besuchten Seiten macht.
Ich muss sagen: an sowas schau ich vorbei! Und ich nutze Firefox, Safari und ab und zu auch den Internet Explorer wirklich ständig.

Herr :

Users happily know that they can try anything on the Web and always be saved by a click or two on Back to return them to familiar territory.

Das war 1999. Sind wir wirklich im Web so hinterher, dass uns bisher noch nichts besseres eingefallen ist? Nein, sind wir nicht, es gibt doch Tabbed Browsing!

Das Argument mit dem Backbutton kann ich schon selbst nicht richtig erkennen und verstehen und damit überzeugt mich dann auch jedes Gegenüber, das hier meiner Meinung ist.

Peter Kröner schreibt in oben genanntem Artikel:

Mit neuen Fenster läuft man Gefahr, seine Nutzerschaft zu verwirren oder zu verärgern - sei es durch das Fenster oder durch die dann plötzlich nicht mehr funktionierende „Zurück“-Funktion.

Aber leider vergisst er dabei meines Erachtens nach, überhaupt zu erwähnen, wie schwer es mit der Semantik des Backbuttons ist. Mir wurde das jedenfalls von meinem netten Informationswissenschaftler Prof damals durchaus erklärt. Eine passende Lösung haben wir damals allerdings auch nicht gefunden…

nein, das reicht nicht

Das nächste Gegenargument war jedenfalls ein ganz anderes:

der Backbutton sein nicht ausreichend für das, was er inhaltlich in seiner Website sehe, also in welchem Nutzungskontext. Es handelte sich dabei um eine eher wissenschaftliche Website.

Ich habe darüber nachgedacht und fand das Argument passend, denn ich mache viele Recherchen im Internet, ich verbringe also mehr Zeit damit, Informationen zu sammeln und mir Wissen anzueignen, als bei Online Shopping Portalen zu schauen, wo ich wieder mein Geld lassen könnte oder mir bei YouTube und Co die Zeit zu vertreiben.
Wer heute in die Unibibliothek geht, wird sich erstmal ein paar Bücher aus dem Regal nehmen und wenn es an die Arbeit geht, wird er mehrere Bücher geöffnet neben sich haben. Die, die sich als weniger ergiebig erweisen, landen doch erstmal auf dem Tisch und werden dann mit allen anderen wieder aufgeräumt, oder nicht?

Es ist daher alles andere als praxisnah, sich von allen Informationen nach dem Lesen sofort wieder zu verabschieden. Praxisnäher hingegen ist, das, was potenziell relevant sein könnte, nebeneinander zu haben, zum späteren inhaltlichen Vergleich. Praxisnah ist es auch, sich auf verlinkten Seiten ganz spontan durch weiter-klicken zu verlieren. Plötzlich ist man der zurück-Taste des Browsers gar nicht mehr so sehr nah.
Dies erreicht man nicht mit den Navigationstasten des Browsers, übrigens auch nicht mit einigen offenen Fenstern (höchstens man arbeitet mit einem sehr großen Monitor oder mehreren Monitoren), dies erreicht man mit Tabs.
Ja klar, ein Tab ist kein neues Fenster (oder doch?) und damit eine Errungenschaft.
Finden wir Tabs nicht alle klasse?
Und sind Tabs wirklich schwer zu durchschauen?
Ist Nielsens Argument von 1999 wirklich noch schlagkräftig genug?

Wer meint, es gäbe ja vor allem in diesem wissenschaftlichen Kontext noch Bookmarks für das Rechercheproblem, hat zwar ein Argument gefunden, aber meines Erachtens verlieren Lesezeichen an Qualität, wenn man sich alles merkt, was im Moment interessant ist.
Bookmarks sind in meinen Augen wirklich was, das man ungern verliert, irgendwas mit wertvoller Information.
Gut, da könnte man natürlich regelmäßig ausmisten - aber wer tut das in der Praxis schon täglich?
Vielleicht wäre da dieses neue Firefox Addon zur Vergabe von Tags noch hilfreich!?

Konfiguration

Ja, man kann sich natürlich den Browser so einstellen, wie man das gerne möchte, habe ich dann noch entgegengehalten, denn irgendwie wollte ich dann doch zeigen, dass ich mich mit der Sache richtig auseinandergesetzt habe. Und dann gibt es, wollte ich einwenden, auch so nette Tools, wie das JavaScript zur.
Halt! So einfach ist das auch nicht…
Das tun vielleicht wir, die wir uns gegenseitig nette Vorschläge zur Verbesserung des Internets und des Lustgewinns am Surfen machen.
Aber tut das der ganz normale User auch? Dass annähernd jede Software, also auch ein Browser - Einstellungen für persönliche Präferenzen vorsieht- ist das wirklich hinlänglich bekannt?

Mit diesem Argument “Kenntnisstand”, für das mir sofort ein paar lebende Beispiele einfielen, überzeugte man mich auch hier.

Rechte Maustaste…! Was ist das?

Wie es denn mit der rechten Maustaste sei und es gäbe da auch noch Shortcuts, fragte ich….
Noch so ein Argument, das man überall liest und das ja auch durchaus plausibel ist.
Wenn ich einen Link anklicke, der mir interessant erscheint, dann benutze ich übrigens grundsätzlich die rechte Maustaste, nämlich für “open in new tab“, sicherheitshalber. Okay, das Ergebnis ist meistens, dass mein Browserfenster sehr schnell mindestens 15 offene Tabs zählt…, was aber nicht das Thema ist.
Außerdem kann man dieser Unübersichtlichkeit mit Colorful Tabs etwas entgegenwirken.

Mein Argument: der “mündige” Internetbenutzer , dem man ja die Benutzung der rechten Maustaste durchaus zumuten könne , da dieser damit die Freiheit erhalte, selbst zu entscheiden, wie er einen Link öffnen wolle und noch mehr: der Internetbenutzer, der sich nicht meinen Präferenzen unterwerfen müsse. Mit einem vorgegebenen Öffnen im neuen Fenster würde dem Besucher diese Option genommen, okay…
Nur…, kam von der Gegenseite und wieder fielen mir praktische Beispiele ein: ist eigentlich den Usability Gurus wirklich klar, wie mühsam es ist, jemandem, der nicht so versiert ist und sich mühsam beigebracht hat, überhaupt mit dem Computer umzugehen, der gerade mal weiß, was ein Browser ist (”das brauch ich doch fürs Internet, oder?”) und dass Browser ungleich Internet Explorer, zunächst die Existenz der rechten Maustaste begreiflich und dann die Nutzung schmackhaft zu machen?

Ich hatte lebhaft vor Augen, wie viel Erstaunen ich hervorgerufen habe, als ich jemandem mal erzählte, dass das doch alles viel einfacher und schneller mit eben jener rechten Maustaste und/oder außerdem auch mit Shortcut ginge.
Ich erinnere mich aber, dass das Erstaunen beim nächsten Mal genauso groß war und meine Erklärungen irgendwo verhallten, statt umgesetzt zu werden.

Viele, vor allem ältere Computerbenutzer, haben sich zu Beginn “irgendwie” antrainiert, wie bestimmte Aufgaben zu erledigen sind. Ich meine damit nicht die Besucher von Computerkursen aller Art sondern die Do it yourself Typen. Dazu gehört beispielsweise auch, dass das Kopieren von Text trotz Shortcuts und Kontextmenü eben vielfach noch über das “Bearbeiten” Menü und mit einigen Arbeitsschritten mehr als nötig erledigt wird. Und plötzlich ist das so intus, dass der Stress beim Einüben neuer Arbeitsabläufe (”wie war das nochmal?”) ein nicht zu unterschätzendes Gegenargument gegen die kleinen Helferlein wird.
Also: ich fand das alles in allem plausibel und konnte mich dem Argument relativ schnell nur anschließen.

Wir hatten uns also darauf geeinigt, dass die Links in neuem Fenster öffnen dürfen, allerdings ausschließlich die externen.
Gut meinte ich, wie wäre es dann wenigstens mit einer Kennzeichnung - so wie ich es hier dann auch umgesetzt habe. Das finde ich grundsätzlich eine gute Sache. Diese kleinen Symbole sind gut erkennbar und haben ganz nebenbei einen netten Nebeneffekt: sie lockern die Optik auf.
Leider ist das ja auch nicht Konvention. Und sind die Pfeilchen nun wirklich semantisch eindeutig als “externer Link” erkennbar?

An dieser Stelle ganz nebenbei:
die verlangt mit Priorität 1

Das Erscheinenlassen von Pop-Ups oder anderen Fenstern ist zu vermeiden. Die Nutzerin, der Nutzer ist über Wechsel der aktuellen Ansicht zu informieren.

Ein Link öffnet sich ja nicht grundsätzlich in einem Pop-Up. Gegebenenfalls aber über ein neues Fenster (nicht bei den meisten, ich weiß…).
Und “zu vermeiden” heißt für mich nicht “ist verboten”.
Und was heißt “zu informieren”, wenn ich es denn nicht vermeiden kann? Aus meiner Sicht ist da eigentlich eine optische Kenntzeichnung nicht ausreichend…

Aber haben wir alle überhaupt den Anspruch einer barrierefreien Website? Bestimmt nicht! Wo kommt nur diese Verbohrtheit her, den externen Link im neuen Fenster so derartig zu verfluchen?

Klar, früher, als es noch blinkte und wackelte auf den “Homepages” und man sich zwischen den Framesets hin und her hangeln musste, während es an jeder Stelle aufpoppte, da war das schon nervig. Aber heute, mit einem “modernen” Browser, mit benutzerfreundlichen Tabs… wo bitte liegt das Problem?

Ich erlebe also meine Kunden als Menschen, die sich Gedanken machen.
Und manchmal passiert es da auch, dass mir da Gegenargumente genannt werden, an denen ich nicht vorbei kann. Auch in diesem Fall war das so: es mag gute Webdesigner Praxis sein (und daher würde ich sowas auch immer erwähnen und begründen), aber das war dem Kunden schlicht egal. Er möchte es anders und die Argumente waren stichhaltig und schlagkräftig. Er hatte durchaus an seine Zielgruppe gedacht und ebenso an die Inhalte, die sein Internetauftritt vermittelt.
Warum sollte ich mich dagegen wehren und versuchen, eine Debatte vom Zaun zu brechen, weil ich der “guten Webesigner Praxis” nicht untreu werden will?

Alles kein Problem mit einem vernünftigen Navigationswerkzeug.

Und meine Website? Die handhabt das jetzt genau so. Damit erfüllt sie zwar nicht den XHTML Standard der W3C, aber dann vielleicht den nächsten (2.0), in dem derzeit das _blank durchaus wieder vorgesehen ist.

 

Auch was dazu sagen?