Nur ein Traum

Immer wieder ärgern wir uns, wenn der Kunde, nach eigentlich detaillierter Absprache eines Layouts dann doch wieder mit dem ein oder anderen Änderungswunsch kommt. Es ist klar: so geht es einfach nicht.
Dieser Tage hatte ich im Halbschlaf einen (Alp-)Traum, wie es dazu kommen könnte, dass sich Layoutabsprachen plötzlich eine solche Eigendynamik entwickeln und gelegentlich abstruse Wünsche geäußert werden.

Ein Szenario…

Der Kunde will ja gerne was sehen. Die Entwürfe waren zwar schon recht bunt, sind aber dann doch recht wenig fassbar und zu wenig mit Leben, dafür aber umso mehr mit Blindtext gefüllt. Und so bin zumindest ich dann immer recht froh, wenn es daran geht, das Layout auch zu realisieren, in Form eines Templates für ein vorab gewähltes CMS.
Ich beginne meist lokal auf meinem eigenen Rechner mit dem Template oder Seitenlayout auf einer Standardinstallation und switche dann nach gewisser Zeit auf einen meiner eigenen Server, wo ich das neue Design dann mit der zuvor abgesprochenen Seitenstruktur und den gewünschten Erweiterungen aufsetze. Dann kommt das Finetuning- meist ergibt sich das ein oder andere ja gerade noch durch Erweiterungen abseits jeglicher Standardkonstrukte.
Allerdings ist es häufig so, dass der Kunde bis zur Fertigstellung des Rahmengebildes noch keinerlei Texte geliefert hat. Ich befülle dann weiter mit Blindtexten oder fiktiven Bildern und arbeite nur einige Punkte im Detail aus, während andere ganz bewusst Baustelle bleiben. Es kommt dann natürlich zusätzlich darauf an, was mit dem Kunden vereinbart ist: übernimmt er die Pflege der Inhalte oder ist die “Erstbestückung” inklusive?

Und dann kommt der Augenblick, an dem ich dem Kunden den Link gebe - der Schritt auch zur Begutachtung, zur Absprache und zu einer weiteren Teilzahlung. Hier begann mein Traum, der mich irgendwann aufschrecken ließ…

Baustelle

Nein, das Baugerüst ist zu diesem Zeitpunkt schon abgebaut. Aber die Inneneinrichtung steht noch nicht so ganz und auch die Außenfassade bedarf noch einiger Schönheitskorrekturen - im Moment sieht es funktional aus, aber nicht lebendig. Nur einige Statisten leben dort und spielen vor wie es denn später sein wird. Irgendwann wird mein Vortrag mit einem Satz der Richtung, ich bräuchte nun eben dringend Inhalte und Medien, enden und der Kunde wird angesichts der Baustelle murmeln, die Blindtexte müssten “halt noch weg”. - Hier beginnt spätestens der Job des Kunden, sofern ich nicht auch als Texter engagiert bin. Und das dauert erfahrungsgemäß.

Und während ich warte, macht mein Link die Runde bei Freunden, Bekannten, Kollegen, Mitarbeitern. Und keiner kann so recht was damit anfangen, dass hier längst nicht jeder Satz steht, dass teilweise gänzlich die Inhalte fehlen oder immer noch die Texte und Bilder der alten Website übernommen wurden, die doch eigentlich beim Relaunch auch neu getextet werden sollten. Und weil keiner so recht was damit anfangen kann, macht jeder der Begutachter mal seinen Vorschlag. Da noch ein Bild…, es wär doch ganz nett, hier noch “was durchlaufen zu lassen” ein Marquee einzubauen…, dem einen ist die Schrift zu klein, dem anderen zu groß und der nächste hat auf der Homepage von XY was ganz Tolles gesehen.

Bunt gemischt und frisch ans Werk

So entsteht eine bunte, teils abenteuerliche Mischung aus Vorschlägen, die ins nächste Meeting miteingehen. Und weil der neue Website Betreiber auch eine Menge guter Vorschläge zur Pflege der neuen Homepage bekommen hat, beginnt er, sich nach eingehender Schulung sofort ans Werk zu machen und reizt den neuen Online Editor, der fast genau so funktioniert wie Word auch gleich so richtig aus. Vergessen sind da all die guten Vorsätze, etwas vorsichtig mit Copy und Paste umzugehen, vordefinierte Styles mit sprechenden Namen wie “Ueberschrift_gruen” oder “Bild_links” zu verwenden. Auch mitgelieferte Layoutvorlagen bleiben unangetastet. Man greift voll in den Farbtopf und in die Tabellendefinition. Geht doch. Alles ganz easy - obwohl man bei der Schulung doch nicht so richtig zugehört hat und das Manual lieber mal in der Schublade verstauben lässt. Ich arbeite nachts gelegentlich heimlich hinterher - aber das scheint nicht aufzufallen. Ich, im Traum mein eigenes Heinzelmännchen.

Dass nahher alles ganz anders ist und nichts so aussieht wie auf dem tollen Designvorschlag, wissen wir. Der Neuling wundert sich. Auch in meinem Traum. Er wundert sich auch, dass die frisch angebrachten Layoutwünsche nicht auf Gegenliebe stoßen und nicht im Budget enthalten sind. War doch sowieso noch nicht fertig, die Website, oder? Auch wenn das Baugerüst abgebaut ist - dann bauen wir es eben wieder auf und streichen die Fassade in anderer Farbe. Bei der Gelegenheit montieren wir gleich die Außentreppe um und weil die Inneneinrichtung noch nicht geliefert ist, reißen wir gleich noch ein paar tragende Wände heraus und ziehen sie an anderer Stelle wieder ein.

Neue Verhandlungen

Es gibt Stress, ich merke, wie ich halb wach, halb schlafend weiterträume, im Schlaf in meinen Emails und Verträgen wühle, während der Kunde wartet, dass ich die Baumaßnahmen weiter vorantreibe und ich warte, dass nun endlich jene Teilzahlung eintrudelt. Natürlich bin ich nebenher etwas fleißig. Ein bisschen gute Stimmung tut gut. Das merken auch Freunde und Bekannte und Kollegen und Mitarbeiter. Das werde, so erzählt man dem neuen Websitebetreiber, doch schon richtig gut und machen ihm Mut, so dass der nächsten Teilzahlung nichts im Weg steht und damit auch der guten Laune nicht und auch nicht der Lust auf weitere Ideen. Die Freunde und Kollegen waren wieder inspiriert und inzwischen hat auch der Website Betreiber herausgefunden, wie man sich im Internet inspirieren lassen kann. Außerdem hat der Nachbar inzwischen auch gebaut - und da muss man natürlich konkurrieren können.

Weil inzwischen auch die Verhandlungen über das Umsetzen der Außentreppe und die Verlegung der Innenwände erfolgreich war, ist das Projekt wieder im vollem Gang. Der Kunde hat inzwischen gelernt, auf was es zu achten gilt und so wachsen auch die Inhalte.

Der Kunde hat inzwischen richtig Spaß, sich um die Inneneinrichtung zu kümmern, sein Elan kennt keine Grenzen mehr. Die Katastrophen bleiben weitestgehend aus und kleinere Problemchen können schnell per Email geklärt oder mit drei Klicks gehoben werden. Doch dann stellt der Kunde fest, dass eigentlich viel zu wenig Platz ist für das ganze Mobiliar samt Accessoires. Und auch ich merke, möbelrückenderweise, dass der Umbau der Innenwände nicht viel Platz geschaffen hat. Ich konzipiere neu, mache Pläne, es kommt (und ich schwitze ein bisschen und wälze mich unruhig hin und her…) zu neuen Verhandlungen…

Nach weiteren Verhandlungen

Wir bauen diesmal nicht nur um, wir bauen an. Vielleicht auch ein Mittelding aus beidem. Meine bisherigen Entwürfe und Skizzen habe ich längst ins Archiv ausgelagert. Ich möchte gar nicht mehr sehen, wie es denn mal gedacht war. In die Zukunft schauen, das ist, das einzige was zählt und meinen Traum weitertreibt. Irgendwann nach Monaten ist das Haus fertig eingerichtet. Die Basis steht noch, vielleicht steht sie auch wieder… einige Konstrukte kommen mir durchaus etwas instabil vor, - von den Dauerprovisorien gar nicht zu reden. Trotzdem, der Kunde ist glücklich.

Ich wache ziemlich gebeutelt und wenig erholt auf, als das ganz reale Telefon klingelt. Noch im Halbschlaf erschrecke ich, meinen Traum weiterträumend, und zucke zusammen. Es waren bestimmt wieder inspirierte Menschen am Werk… Während ich den grünen Knopf des Telefons drücke und ängstlich meinen Namen nenne, wird mir klar: es war alles nur ein Traum. Wie gut!

 

4 Antworten zum Beitrag “Nur ein Traum”

  1. am 08 Jun 09 um 10:07 meint

    … wie gut, dass es noch andere “Heinzelmännchen” gibt. Manchmal frage ich mich “wie bescheuert bist Du eigentlich, dass Du den Mist nacharbeitest, nur damit die Seite nicht ZU beschi**en aussieht?”. Aber dies hat mich dazu bewogen, die eigentlich von mir ungeliebten Wartungsverträge einzuführen. Bei neuen Projekten sind zwei Monate obligatorisch. Das macht die Sache zwar nicht besser - aber zumindest bezahlt.

    Thomas

  2. am 08 Jun 09 um 10:16 meint

    Anne-Kathrin

    Ist halt so eine Sache mit dem Wartungsvetrag. Die 2 Monate finde ich eigentlich eine gute Sache. Dann klappt es vielleicht wenigstens ein bisschen besser mit der “sanften Einarbeitung”.
    Prinzipiell möchte ich jedoch einem Kunden offen halten, was er für sich richtig findet. Künstliche Kundenbindung durch Wartungsvertrag - das empfinder ich nicht als den richtigen Weg. Da darf also nur ein Service sein und keine Abhängigkeit.

  3. am 08 Jun 09 um 18:37 meint

    … sehe ich auch so. Deswegen ja “ungeliebt”. Aber die zwei Monate sind ganz OK. Üblicherweise fällt den Kunden in dieser Zeit noch viel ein/auf. Somit lässt sich das schon ganz gut rechfertigen.

    Hast Du meine Kontonummer für die Provisionszahlungen durch Deine zukünftigen Wartungsverträge?

    Thomas

  4. am 08 Jun 09 um 20:11 meint

    Anne-Kathrin

    Ja, ja… war ja klar, auf welche Ideen du kommen würdest… ;-)

    Den Kunden fällt nicht nur üblicherweise sondern mit 100%tiger Sicherheit noch etwas ein. Daher gefällt mir die Idee, einfach mal 2-3 Monate als “üblich” anzubieten, denn man muss nicht gleich mit neuen Verträgen und Absprachen kommen sondern kann dies als Wartung verrechnen.

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