Pflichtveranstaltung

“Lessons learned from a (huge?) project in a very small business” möchte ich gerade schreiben. Ich nenne es “Pflichtveranstaltung” und träume von einer Runde verpflichtender Aufklärung, bevor es überhaupt an den ersten inhaltlichen Gedanken zu einem neuen Projekt geht.

Was erwartet den neuen Website Betreiber eigentlich? Diese Frage, so denke ich mir, muss lückenlos geklärt sein, bevor irgendein erster Schritt getan und ein Gedanke an einen Internetauftritt verschwendet wird. Es reicht definitiv nicht aus, sich auf das Urteil des Internetneulings zu verlassen, man schaffe das dann schon alles.

Es entschied sich ein Kunde nach monatelanger Arbeit an seiner neuen Website (die schon auf dem Server installiert und nur noch mit Leben gefülllt werden musste) schließlich und letztendlich dafür, im Moment komplett auf den Internetauftritt zu verzichten und das Projekt erstmal ruhen zu lassen. Kosten und Engagement hin oder her: ich finde eine solche Entscheidung traurig. Sie macht mich traurig.

Ich kann es nur vermuten und mich auf die mir gelieferte Begründung verlassen. Was ich heraushöre ist vor allem: hier wurde ganz klar der Aufwand unterschätzt. Oder hat sich der Kunde womöglich selbst überschätzt? Das Internet mit all seinen Anforderungen und Tücken falsch eingeschätzt? Immer noch ist es dann besser, ein solches Unternehmen vorab abzubrechen, als das Projekt mühsam bis zum Ende durchzuziehen und eine Website zu launchen, die dann dort stehen bleiben wird, wo sie mit letzter Kraft hingehievt wurde. Trotzdem denke ich mir, manch ein Laie, ein Neuling, insbesondere der im “ganz kleinen Unternehmen”, braucht einfach vorab ein paar ganz klare Worte. Die sind vielleicht an der ein oder anderen Stelle individuell, vielleicht will sie das Gegenüber auch nicht hören, im Großen und Ganzen aber dann doch recht gut auf den Punkt zu bringen:

  • Wer eine Website möchte, braucht eine Strategie
  • Die Konkurrenz im Web ist noch größer als auf der Straße
  • Der Besucher klickt weg, wenn es ihm nicht gefällt und es wird ihn niemand aufhalten können
  • Pro Suchanfrage gibt es nur einen Platz 1 bei Google
  • Suchmaschinenoptimierung und Marketing geht etwas an
  • Ein CMS macht es einfacher, - mehr aber auch nicht
  • Inhalte schreiben sich nicht von alleine
  • ein erfolgreicher Internetauftritt bedarf einer gewissen Pflege
  • ein lebendiger Internetauftritt bedeutet Verantwortung
  • Usability ist eine Notwendigkeit, positive User Experience ist ein Mehrwert, fehlt beides, ist es ein Killer

Gut, es mag nichts helfen und vieles davon kann nur angeschnitten werden. Alles in allem kann es aber helfen, eine falsche Erwartungshaltung hinsichtlich des Aufwands als auch des Erfolgs ein wenig zu dämpfen, vor allem aber in realistische Bahnen zu lenken. Erst wenn sich der zukünftige Websitebetreiber wenigstens darüber im Klaren ist, sollte man an die erste Ideenfindung gehen.

Idealerweise, so überlege ich mir, würde ich so auch den Kunden und nicht nur das Unternehmen und sein Projekt, noch etwas besser kennenlernen. Ich würde die kritischen Punkte kennenlernen, könnte meinen Service noch besser auf den Kunden hin ausrichten - und zwar schon mit dem Angebot. Vielleicht würde ich auch den ein oder anderen davon überzeugen (müssen), lieber keinen Internetauftritt zu haben. Das ist in Kauf zu nehmen - denn der gelungene Preis ist im anderen Fall ein zufriedener Kunde in einem Projekt ohne unglücklichen Ausgang und eine Website, die sich nicht im luftleeren Raum befindet und nun mal da steht und auf bessere Zeiten wartet.

Und ich? Ich habe wirklich mal wieder etwas gelernt. Nämlich, dass es wirklich nicht so einfach ist und Idealismus allein nicht nur einfach nicht ausreicht sondern auch ganz schön kontraproduktiv sein kann. Dann nämlich, wenn er mangels Wissen und Erfahrung nicht ankommen kann.

 

3 Antworten zum Beitrag “Pflichtveranstaltung”

  1. am 23 Jun 09 um 08:22 meint

    Wolfgang

    Hrt sich doch auch überall so an, als ob es (fast) nichts kostet. Der Web-Editor,die Bildbearbeitung, das CMS …OK, das Hosting kostet ein paar Euro im Monat. Klingt doch toll,oder? Jeder fast umsonst im Internet.

    Du hast schon recht, kaufmännisch sauber gerechnet kostet auch eine kleine Web-Site sauber aufgebaut (egal ob nur mit kundigen Angestelten oder mit externer Hilfe) eine hohe 4-stellige Summe. Punkt.

  2. am 01 Jul 09 um 09:35 meint

    [...] Frage stellt Anne-Kathrin Merz auf ihrem Blog mediamind in ihrem Beitrag Pflichtveranstaltung für alle diejenigen an den Anfang aller Überlegungen im Bezug auf die Nutzung des Webs, indem sie [...]

  3. am 25 Aug 09 um 08:21 meint

    @Wolfgang: Leider haben - meiner Erfahrung nach - das viele Kunden genau so im Kopf: Website kostet nix. Steht ja schließlich in jedem Rewe auf den Computerzeitschriften neben der Kasse. “Ins Web im 5 Minuten!”

    Und mit viel gutem Willen gibts dann ein Budget von ein paar hundert Euro, weil sowohl die Arbeit des Webentwicklers als auch die eigene, die folgen muss nicht gesehen wird.
    Ich habe auch schon Menschen gesagt, unter den Umständen sollen sie es lieber sein lassen.

Auch was dazu sagen?