Wie ein Zahnarzt ohne Bohrer?

Seit inzwischen vier Tagen lebe ich mit eingeschränktem Internet. Es traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Zwar ist eine Vertragsänderung geplant, für zweiten April, aber ich sehe keinen Anlass dafür, dass die netten Leute mit dem magentafarbenen T bereits fünf Tage voher die DSL Leitung kappen und noch dazu freundlich in der Nacht von Freitag auf Samstag.

Der Schock (ja!) sitzt erstmal tief. Schließlich wäre gerade Frühstück mit Bloglesen angesagt gewesen. Für mich, einen erklärten Morgenmuffel, sowas wie Lebensqualität.

Seit Samstag früh habe ich mich nun auf ein paar Tage mit vielen offline Phasen eingestellt und auch gut eingerichtet. Gut, wenn man zwei Haushalte hat…

Schnell stellt man fest, welche Präsenz das Internet hat und wie wichtig es für das tägliche Arbeiten ist. Und erstmal ist man nah dran, zu schreien, zu toben und zu keifen. Schließlich ist man ja der, der mit dem Internet arbeitet. Was also soll ich ohne Internet? Das ist wie Boden unter den Füßen wegziehen, Arbeitsgrundlage nehmen. Eine totale Unverschämtheit?

Ich kann nicht am Infopath weiterarbeiten, weil die Sharepoint Connection nicht hergestellt werden kann. Ich kann nicht auf eine Software zugreifen, die ihren Lizenzcode alle paar Minuten von einem Server holt. Ich kann natürlich auch nicht auf meinen Websites schreiben und ich kann Websites, die bereits von Localhost auf den Zielserver umgezogen sind, nicht weiter bearbeiten. Ich bin, ganz antiquiert, auch nur per Telefon erreichbar.

Ganz wesentlich aber ist: ich kann keine Blogs lesen und ich kann nicht twittern. Nein! Das Ganze ist noch nicht zu meinem wesentlichen Lebensinhalt geworden, ich kann noch klar denken. Wesentlich ist: ich werde nicht abgelenkt, ich lasse mich nicht ablenken.

Schnell stellt man nämlich auch fest, was es dann doch alles abseits des Webs zu tun gibt. Administrativen Kram, den man gerne vor sich herschiebt und auch andere Jobs, die man zwar erledigt, aber um Längen langsamer- weil da mal schnell eine Email reinschneit, das TweetDeck piepst oder irgendwelche Inspirationen lauern.

Meine paar Tage mit eingeschränktem Internet: heilsam!

Ich habe die Offline-Jobs in wesentlich schnellerer Zeit ziemlich straight forward abgearbeitet und fand das gar nicht mal schlimm - es hat Spaß gemacht.  Die Online-Jobs musste ich auch schneller hinkriegen, damit der Wohnungswechsel locker funktioniert, und auch das ging problemlos.

Irgendwie - denke ich mir - sollte das Internet entweder einen Filter haben oder man sollte sich wirklich dazu zwingen, zeitweise Mail, Browser und sonstige Zeitverschwender einfach abzuschalten. Ganz ohne geht es nicht. Schließlich ist es Teil des Jobs. Aber wie sehr, auch wenn man es sich nicht eingestehen will, dieses ganze Medium nicht nur Killer der eigenen Zeit ist sondern auch die Verführung pur, selbst dabei sein zu wollen- eine Droge, in gewisser Weise, das wird erst klar, wenn man mal nicht mehr kann, wenn man will.

Fazit, wenn auch nicht neu, so dann wenigstens gerade wieder erfolgreich selbst “praktiziert”: gerade wer im Web arbeitet, braucht eine Menge Disziplin. Wer noch dazu bloggt oder twittert, braucht noch mehr Disziplin. Wer außerdem selbstständig ist, sollte eine Menge davon mitbringen…

Die Sache wenigstens gelegentlich zu hinterfragen, ist sicherlich eine ganz gute Idee.

Trotzdem

Die doch relativ typische Aktion rund um Vertragswechsel bleibt dann doch fragwürdig. Eigentlich sollte sich der technische Aufwand in Grenzen halten. Der administrative Aufwand scheint höher. Insbesondere aber lässt man die Verbraucher die Schikane spüren - bis in die letzte Konsequenz. Oder glaubt hier jemand ernsthaft daran, dass sich zwischen Samstag Mitternacht und Montag früh irgendein Status geändert haben könnte?

Gespannt bin ich dann auch, ob man sich an die Zusage zweiter April halten möchte…

 

3 Antworten zum Beitrag “Wie ein Zahnarzt ohne Bohrer?”

  1. am 31 Mrz 09 um 23:11 meint

    … für solche Fälle gibt’s ne UMTS Flatrate ;-)

  2. am 01 Apr 09 um 07:46 meint

    Anne-Kathrin

    Nee. Genau das nicht.
    Oder vielleicht doch?
    ich bin dafür, einfach überall Internetzugänge bereit zu stellen, damit wäre das Problem erledigt.

    Wenn ich irgendwas mobil-internettiges hätte, das wäre eine Katastrophe.
    Es passt schon ganz gut, mit Hund und Kind und Kegel mal vollkommen off zu sein.
    Da nehm ich meistens nicht mal das Handy mit.
    Trotzdem gibt es genug Zeit am Tag, zu der ich einfach arbeiten muss…

  3. am 01 Apr 09 um 15:06 meint

    Einen Providerwechsel hab ich auch grad hinter mir. Es war nicht das erste Mal und bei der Kündigung ging ich davon aus, alles richtig gemacht zu haben. Aus Schaden wird man klug: DSL extra gekündigt werden. Schön brav auch alle Telefonnummern gekündigt. Darüberhinaus die Internetflatrate (zur Sicherheit schrieb ich noch dazu: [....]und sämtliche weiteren Vertragsverhältnisse [....]).

    Schließlich war der Portierungsausftrag die Stolperfalle: der wurde vom neuen Provider nicht rechtzeitig eingereicht, mit der Folge, ein weiteres Jahr bei Versatel bleiben zu müssen. Den Altvertrag (deutlich überteuert) hatte ich zuvor nicht auf eienn neuen Vertrag umstellen lassen, damit sich die Kündigungsfrist nicht wieder auf zwei Jahre verlängert. Ich sah mich schon in der Situation, ein weiteres Jahr verharren zu müssen.

    Gottseidank bin ich irgendwann auf einen “richtigen Mitarbeiter” gestoßen - d.h. kein Callcenter-Mitarbeiter. Dank seinem Engagement und dem Entgegenkommen der Versatel, durfte ich nun doch gehen.

    Das war aber Glück. Ansonsten sind die Support-Leistungen der Telekommunikationsanbieter ein Katastrophe. Neuerdings läuft Werbung im Radio: Ein Internetprovider der damit wirbt, im Supprt besser zu sein als die Mitbewerber. Damit es auch jeder glaubt, werden noch Stimmen von der Straße eingeblendet, die bestätigen, wie unzufrieden sie mit ihrem Provider sind.

    Ich stell mit immer vor, wie es ist, wenn Internet mal nicht ist. Deine Beschreibungen kann ich voll und ganz nachvollziehen. Auf das Handy verzichte ich übrigens auch die meiste Zeit.

Auch was dazu sagen?