Ich ziehe meine Kreise: Google Plus

Es kommt äußerst selten vor, dass ich nicht eine der letzten bin, die etwas Neues ausprobiert. Es war eher Zufall, dass ich es gestern (noch oder schon) in Googles Plus geschafft habe. Ich ziehe meine Kreise jetzt auch dort. Social Networking, die Totale? Mal sehen wie weit die Radien letztendlich reichen werden.

Mein erster von sicherlich vielen  Blicken auf die zumindest von vielen Medien schon als neue Facebook Konkurrenz heraufbeschworene Google Neuerung. Was macht Spaß, was ist anders, was ist besser?

Facebook Account Inhaberin bin ich seit Jahren, so richtig “mit” mache ich aber seit nicht einmal einem Jahr. Dazwischen lagen Monate, in denen ich dieses Facebook ziemlich kritisch, gar argwöhnisch beäugt habe und alles wollte, nur nicht dabei sein. Schuld daran, dass ich dann doch irgendwann meinen ersten Beitrag geschrieben habe, waren dann lustigerweise alte Freunde. Keine totale Networkerei. Und schon gar kein Spaß auf Facebook.

Es gibt sicherlich einiges, was mich wie viele andere an Facebook nervt. Nichts neues, nichts Spektakuäres. Das alte Lied eben:
Das Dilemma mit den undurchsichtigen Sicherheitseinstellungen,
die Unübersichtlichkeit schlechthin,
die generelle Politik hinter Facebook bis hin zu ganz aktuellen Vorwürfen des Handy-Ausspionierens (zumindest in der neuesten Android App).

Und während sich die Welt über die Machenschaften der einen Datenkrake echauffiert, wird die andere ebenso aktiv und legt nach, so dass sogar ich nicht daran vorbei schauen kann und beschließe, mir das, was da so neu und anders sein soll, insbesondere aber sofort als ernsthafte Facebook Konkurrenz gehandelt wird,  auch sofort ansehen zu müssen. Ist das jetzt wirklich besser? Sicherer? Innovativer?

Erster Blick

Der erste Blick verspricht: Google Plus ist zumindest schöner. Irgendwie chicer. Irgendwie lebendiger. Und irgendwie bunter. Und irgendwie anders. Gekonnt spielt Google mit dem Begriff Kreis und räumt so endlich mit einer der semantischen Facebook Miseren auf, in der Gott und die Welt Freunde sind und ich mich nur zwischen Gefallen und (nicht-) Gefallen im Sinne des “Mundhaltens oder Nichtstuns” entscheiden kann. Familienkreis, Freundeskreis, Bekanntenkreis, Arbeitskreis, Studienkreis - eine elegante Lösung, die sich optisch gelungen nochdazu klasse in die Googleschen “ooooo”s einreiht.

Gelungen ebenso: Es gibt eben nicht nur Freunde, die ich in Listen packen kann, sondern Menschen, die ich in etwas Rundes wie Kreise schieben, nah oder weniger nah an mich ranlassen und mir so meinen eigenen Umkreis basteln darf. So intuitiv und durch die immer präsente Option, einen neuen Familienfreundesbekanntenarbeitsstudienkreistypus anzulegen, sofort sympathischer als die Freundesliste, die einfach ein wenig kantig daherkommt. Ich seh da in Zukunft schon einige wirklich gelungene Visualisierungsmöglichkeiten vor meinem geistigen Auge und bin gespannt.

Der zweite Blick gilt mit vorsichtigem Schielen Richtung Facebook natürlich sofort den Sicherheitseinstellungen.  Die konnte man natürlich als Konkurrenzanbieter nur übersichtlicher gestalten und auch das ist gelungen. Zwar steht auch hier nicht alles auf einen Blick und erfordert damit den ein oder anderne Klick mehr als man sich das eigentlich wünschen würde. Immerhin aber fühlt man sich als Nutzer sofort ernstgenommen in seiner Datenkrakenpanik und irgendwie auch ein bisschen auf der sicheren Seite. Gelungen finde ich beispielsweise die deutlich direkter gestaltete Frage nach der Zielgruppe eines Beitrags: Öffentlich? Nur im Freundeskreis? Oder noch ein paar Leute mehr? Da wirkt das Geklicke bei Facebook richtiggehend behäbig.
So macht es denn auch Sinn, dieses Freundschaftsangefrage, das jemand wie ich bei Facebook schon sehr ernst nimmt, ebenso wie das Gelike aufzulösen und sich in dieser Frage eher einer Mischung aus Freundschaft und Informationsmedium anzunähern.
Das ist doch mal gelungen, - überlege ich beispielsweise bei Facebook schon lange, ob ich nun auch noch eine “Unternehmensseite” brauche, um einerseits mein meda* zu kanalisieren und andererseits Berufliches von Privatem für mich einfacher(?) trennen zu können.
Allerdings ist es genau das, was uns auf Google Plus natürlich umso mehr darüber nachdenken lassen muss, welche Inhalte wir denn nun wem präsentieren können und wollen.

Und wer sich dann soweit ein bisschen Überblick verschafft hat, kann sich dann auch endlicher “Timeline” zuwenden, dem was also so passiert in den eigenen Kreisen. Naja, - ein bisschen wie Facebook halt. Nur besser. Wirklich besser? Aufgeräumter, größer, klarer. Hatten wir aber nicht anders erwartet, oder?

Gelungen, aber für einen Suchmaschinenanbieter ja wohl auch nur konsequent, die Einbindung der Suche unter dem Stichwort “Sparks”.  Find it and plus it?  Nein, nicht alles, was ich suche und finde, ist es wert geteilt zu werden und so nervt mich auch sofort ganz massiv diese Aufforderung, etwas zu teilen oder die bei Google Anmeldung neuerlich dauerpräsenten kleinen +1-en mit aufdringlichem Rainbow-Hover-Effekt.

Zweiter Blick oder: Wo ist mein Facebook?

Spätestens beim zweiten Blick wird klar, wie ausgeklügelt das System wirklich ist. Ich bin als mit Googlemail-Adresse und damit Google Plus angemeldeter User omnipräsent auf allen Google Plattformen - ohne das eigentlich zu wollen. Es war ja schon immer irgendwie unheimlich und wird durch Google Plus  noch ein wenig unheimlicher.

Überall lautert der +1 Button und schillert über den Bildschirm, sobald ich die Maus bewege. Das “Liken” ist nur einen unebdachten Klick entfernt.
Meine Googlemail Kontakte, darunter auch Leute, denen ich vor Jahren auch nur eine einzige, unwichtige Mail geschickt habe, auch. An jeder nur erdenklichen Stelle soll ich sie in irgendeiner Form in die Arme der Googlekrake ziehen. Ich bin irgendwie froh, dass ich Picasa nicht nutze  - irgendwie wird mir ein wenig mulmig bei dem Gedanken, was mir bei Google Plus noch alles um die Ohren schwirren könnte. Schlagartig denkt man da an diese kontext-spezifische Werbung, die mir jedesmal die Galle hochkommen lässt, weil ich mich so ertappt fühle.

Es geht mir zu schnell, es ist mir zu bunt, es ist mir zu perfekt - es ist mir irgendwie unheimlich und ich fühle mich trotz deutlich transparenterer Datenschutz Einstellungen alles in allem beobachteter. Ja! Google hat es geschafft, mir vor Augen zu führen, wie die Realität aussieht und lässt mich ahnen, dass sie eigentlich noch viel schlimmer ist.

Ich frage mich, ob sich die unter meinen Freunden, die Facebook für die Errungenschaft des Internets schlechthin halten, sich dort mit netten Spielchen und Glücknussschmeißereien die Zeit vertreiben, gerne mal einen netten Kommentar abgeben oder ein hübsches Foto posten, aber sonst dieses ganze Socialmedia ganz anders nutzen als ich das tue, mit Google Plus werden anfreunden können. Intuitiv komme ich zum dem Schluss: Nein, das werden sie nicht. Sie mögen ihre “Privatsphäre” auf Facebook, sie mögen das Liken und das Befreunden und viele davon wollen sich ab und zu Herzchen schicken. Sie wollen dieses Farmville, von dem ich glücklicherweise nur weiß, wie man es schreibt, aber sie wollen keine Google Plus Perfektion, die ihnen zeigt, wer sie sind und wo sie stehen. Und sie wollen das, wo im Moment alle anderen sind, die sich irgendwann mal dem Hype ergeben haben und “dabei sind”.

Ich wünsche mir ohne groß darüber nachgedacht zu haben, dass genau das natürlich nicht im Sinne des Plus-Erfinders sein mag, dass mein Netzwerk einfach zusammenspielt. Lass Facebook ein paar Features von Google Plus übernehmen und lass Google Plus ein bisschen freundlicher sein, so wie ich es bei Facebook empfinde. Das alles spielt dann noch mit Twitter und allem anderen und folgt dem Grundsatz “Don’t make me think”.  Und ich möchte dem Herrn Facebook genauso wie dem Herrn Google sagen: lasst uns doch einfach in Ruhe, wir geben Euch schon genug von uns preis.

Me and Google Plus?

Im Moment tut sich da wenig. Die Invites sind closed, irgendwie, obwohl man gelegentlich liest, das würde sich schon gestern ändern. Und meine Kanäle, das sind halt dann einfach Twitter und Facebook mit unterschiedlichen Nuancen und unterschiedlichem Fokus. Nein, ich werde sie nicht alle an die Hand nehmen und versuchen, mit mir an anderer Stelle ihre Kreise zu ziehen.

Google Plus - eine runde Sache. Aber ein Erfolgsmodell? Ich weiß es nicht. Ganz bestimmt jedoch nicht morgen. Auch nicht übermorgen. Hoffentlich sind es nicht die Farmvilles, Glücksnüsse, Herzchen, Drinks oder noch schlimmer die dämlichen Fragespielchen, die die Leute bei Facebook halten oder sie von Google Plus fernhalten (wie war das: Facebook ist, wenn man mehr geblockte Anwendungen als Freunde hat?).

Wollen wir nicht einfach ein rundrum, wunderbar verzahntes Networking, ein bisschen Social und das alles unkompliziert? Besteht für uns User das Social wirklich im Konkurrenzdenken zweier Giganten? Ich glaube: nein. Ich glaube, wir wollen miteinander - genau so funktioniert das für mich. Was Google, Facebook und andere uns da so vor machen, widerspricht diesem Denken eigentlich vollkommen. Ich bin mir angesichts dieser Diskussionen nicht so ganz sicher, ob da nicht irgendwie am User, am Menschen vorbeigedacht und vorbeidesignt wird.

Vielleicht kommt ja irgendwann jemand und macht es ganz, ganz anders? Bis dahin viel Erfolg im GegenseitigHochpushenUndGrößereDatenmengenSammeln.

 

3 Antworten zum Beitrag “Ich ziehe meine Kreise: Google Plus”

  1. am 02 Jul 11 um 15:16 meint

    Greg B.

    Hallo Anne-Kathrin

    Ich kann dein Fazit vollumfänglich unterstützen. Google macht mit dem Launch dieser Plattform niemandem einen Gefallen, ausser sich selbst. Für den User an sich stiftet das nur mehr Verwirrung als Klarheit, es wieder etwas neues, anderes, was wieder kennengelernt werden muss.

    Ich denke, dass Google+ zwar wohl gut gemacht ist, jedoch ist halt Facebook der dominante Player am Markt, auf dem jeder vertreten ist, inkl. dem nicht internet-affinen Bauarbeiter oder der Putzfrau, die eigentlich den PC nicht wirklich braucht. Die Gruppe der wirklichen “Happy User”, welche erst in den letzten 1-2 Jahren auf Facebook aufkam (meiner Meinung nach), werden sehr lange brauchen, bis auf eine andere Plattform gewechselt wird. Fragen wie “Wieso soll ich wechseln - alle meine Freunde, Fotos, etc. sind ja auf Facebook!” machen es für neue Player auf dem Markt sehr schwierig, sich zu beweisen.

    Dass in der Social-Media & Internet-Welt die Adaption von Google+ schnell vorangehen wird, ist klare Sache. Aber auch ich frage mich, obschon ich mein Geld mit dem Internet verdiene, wieso jetzt noch Google+? Das macht es für meine Kunden nicht einfacher, es macht es für die User nicht einfacher und ich “darf” neben Facebook, XING, Twitter (welche alle drei ja unterschiedliche Scopes haben) etc. jetzt nochmal ein Social-Media-Netzwerk pflegen, welches nach meinem ersten Eindruck die Verbindung aus den o.g. sein soll. Na dann….

    Dass Google ja schon relativ viele Daten sammelt, ist ja nicht neues. Google+ hilft, noch viel genauere Profile zu erstellen. Da sehe ich was ich Suche, was ich gerne habe, was für eine Ausbildung ich habe, wo ich arbeite, welche Freunde, welche Interessen, wo ich wohne, mit wem ich eMails austausche, was für Maps ich mir speichere, welche Videos auf Youtube ich mir anschaue…. Ob das wirklich so toll ist?

    Grüsse Greg

  2. am 02 Jul 11 um 15:32 meint

    Anne-Kathrin

    Danke für deinen Kommentar.

    Ich will übrigens die Frage nach dem Datenabgreifterror gar nicht so in den Vordergrund stellen. Es ist aber durchaus ein interessantes psychologisches Moment, dass man (ich?) sich bei Google viel mehr die Frage stellt, was mit den eigenen Daten passiert, weil die Verknüpfung einzelner Accounts so viel offensichtlicher (und damit, nebenbei gesagt, ja auch so unheimlich praktisch und komfortabel) ist als uns das bei Facebook überhaupt auffällt. Das macht aber weder das eine besser noch das andere schlechter. Davon müssen wir uns wohl insgesamt frei machen oder besser gesagt verabschieden.

    Insgesamt frage ich mich - und das sind ja auch deine Argumente, ob Google mit einem guten Konzept, mit einem geradezu perfekten Konzept (bei dem ja unübersehbar viel aus den Fehlern der Konkurrenz gelernt wurde), nicht einfach zu spät kommt, … weil unsere Köpfe gesättigt sind und es den Usern sowieso vorkommen mag wie vom Regen in die Traufe.
    In jedem Fall ein Prozess von Jahren, wenn der Hype nicht wieder so schnell einschläft wie beispielsweise WAVE.
    BTW redet heute noch ein Mensch von Diaspora?…

  3. am 02 Jul 11 um 17:18 meint

    Wir (=Internet/Social-Media-affin) stellen uns diese Frage ja viel eher, was mit den Daten geschieht, ich denke, dass für normale User der Komfort in der Benutzung eines bestimmten Services höher gewichtet ist als die Datensicherheit. Security und Komfort waren ja schon immer zwei Bedürfnisse, die invers zueinander stehen.

    Die Frage ist nur, was Google jetzt daraus macht. Durch eine gute Implementierung in die übrigen Services bestehen gute Möglichkeiten, die Plattform zu pushen. Viele Happy-User haben die private eMail auf GMail, wenn also der Sprung vom Mail zu Google + nicht mehr weit ist, beispielsweise durch eine automatische Anzeige von Profilbildern in Mails aus Google +, denke ich schon, dass sich plötzlich auch der normale User die Sache ansehen könnte.

    Die Akzeptanz eines solchen Tools steht und fällt ja mit dem Vorhandensein von Leuten, die man kennt. Die ganzen Studi-VZ-Geschichten haben im deutschsprachigen Raum so lange gut funktioniert, bis einer gemerkt hat - die Leute aus den USA, Frankreich etc. finde ich dort nicht - die sind aber auf Facebook, dann gehe ich auch dort hin.
    Das hängt ja dann eng zusammen mit einer Peer-Pressure die sich aufbaut; Fotos werden nur noch auf Facebook geteilt - wer sie sehen will, muss sich eben registrieren.
    Ob und wenn ja in welchem Zeithorizont dieses Momentum sich auf eine andere Plattform verschieben kann, ist wirklich schwierig abzuschätzen. Ich denke jedoch, dass sich Facebook bereits so stark etabliert hat, dass es sich, wenn auch vielleicht mit technologischen Schwächen, nach wie vor die #1 bleibt.
    Aus Sicht des Users macht Google + keinen Sinn, weil eben bereits alles auf Facebook ist.
    Und was kann Google+ schon mehr? Mal abgesehen von der Hangout-Funktion…

    Nicht zu verachten ist auch die Situation mit Microsoft - Facebook - Nokia. Durch die native Implementation von Facebook auf Windows Phone 7 (und wer weiss was bei Windows 8 alles passiert) und die entsprechende Marktdominanz von Microsoft, hat Facebook einen sehr starken Partner. Nokia ist zusätzlich ein starker Player auf dem Markt von mobilen Geräten und mit Windows Phone 7 wird dort jetzt ein äusserst leistungsfähiges Betriebssystem implementiert welches einen anderen Ansatz verfolgt als die App-Launcher-Systeme iOS und Android. Ich denke, da wird es noch Bewegung im Markt geben.
    Vielleicht ist Google + wie Linux - kann zwar vieles besser, aber wirklich brauchen tun es nur wenige…

    Diaspora war ja auch so ein Thema…. Und wieso Google jetzt Invitations blockt, ist mir auch ein Rätsel. Hat schon Wave-Züge, das konnte zwar auch viel, aber gebraucht hat es niemand.
    Das ist ja sowieso eine Grundeinstellung bei Google, da werden Technologien gepusht und einfach mal geschaut, ob der Markt damit umgehen kann. Wer hatte schon das Bedürfniss, auf seinem Computer die Nachbarschaft eines 10′000km entfernten Ortes erkunden zu können?
    Man darf also gespannt sein, ob und wie sich Google+ weiter entwickeln wird. Ich lehne mich zurück und erfreue mich der Diskussionen!

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