Erfolgreich falsch bedient

Manchmal begegnen einem auch im Alltag Usability Katastrophen(???) - ich finde, sie sind ein hervorragendes Beispiel, um die Problematik generell zu erfassen. Vieles davon ist auch aufs Web übertragbar, nur ist hier unsere Toleranzgrenze höher.

Konkret ging es hier um einen CD-Radiowecker, der nun schon mehrfach dazu führte, dass wir erfolgreich verschlafen haben. Natürlich gilt das Prinzip “never read the f… manual” - da bin ich einfach sportlich, erwarte mir aber gerade von einem solchen Gerät eine selbsterklärende, wenn nicht gar idiotensichere Bedienung.

Worauf ich jedesmal reinfalle, ist die Kombination aus zwei Schiebereglern: einer für die Auswahl des Alarms (1 und 2 sowie beide), einer für die Auswahl des Weckmodus (und offenbar einiger anderer Einstellungen): hier ist die Wahl Buzzer (nein danke! Gibt es überhaupt jemanden, der sich so wecken lässt?), AUTO, ON und OFF. Ich hatte mich für Variante AUTO entschieden, Alarm 1 blinkte im Display auf. Nur geweckt wurden wir nicht.

Wenn es denn mal klappt, stehe ich übrigens jedesmal vor dem Problem, wie ich das Ding dazu bringe, den Alarm endlich zu beenden. Kein Sleep Modus also, sondern einfach nur OFF. Dabei fange ich, noch schlaftrunken, oft an, wild Knöpfe zu drücken oder zu schieben - irgendwann dann mit Erfolg, um am nächsten Tag wieder vor dem gleichen Problem zu stehen.

Und hier konnte keiner so recht erklären, wie es denn wirklich geht. Ich glaube, man hätte sich da mehr Gedanken machen müssen über die Anordnung der Knöpfe, statt den Benutzer damit zu konfrontieren, sich in Kombinatorik versuchen zu müssen.

Zu diesem Radiowecker gäbe es noch einiges zu sagen, ich hätte da auch noch ein anderes Modell mit ähnlichen Effekten.

Es gibt in meiner Welt auch Usability Probleme anderer Art. Ich bin nämlich Linkshänder. Es gibt viele freundliche Firmen, die sich inzwischen auch schon dieser doch gar nicht mehr so seltenen Spezies angenommen haben, beispielsweise auch die Hersteller von Computermäusen übrigens, - allerdings müssen diese Sondermodell meist erst bestellt werden und sind im Fachhandel nur schwer einfach mal so erhältlich. Es gibt aber immer noch genug Geräte des Alltags, die alles andere als linkshändertauglich sind -eine ganz normale Kaffeemaschine beispielsweise, eine Mikrowelle… Klar kann man jeden Gimmick heutzutage in einem Linkshänder Laden kaufen - aber sowas haben wir hier gar nicht und teuer ist das Zeug auch noch. Diskriminierung?

Ein hervorragendes Buch zum Thema ist übrigens das von Donald Norman: . Es ist auch in deutscher Sprache zu haben, ich bin allerdings der Überzeugung, dass bei vielen dieser Übersetzungen einfach neben dem Kurzen und Knackigen des Englischen auch gelegentlich die ein oder andere Nuance verloren geht.

Und das Web?

Auch im Web nehmen wir mancherlei “Krücke” einfach hin. Gestern war ich online in einigen Kindermodeshops unterwegs. Tolle Produkte, teueres Zeug und zum Teil schreckliche Websites, die nur den großen “Schade…!” Effekt haben, weil neben der Optik, - die hier zweitrangig ist, auch einfach das inhaltliche Konzept nicht stimmt. Da könnte man mit etwas professioneller Programmierung und etwas mehr Basisüberlegung so viel draus gemacht haben, die Klamotten in noch besseres Licht rücken und noch mehr Lust machen auf Kaufen. Das Verrückteste an der Stelle übrigens eine fehlende Größenauswahl. Na gut, dann eben nicht. Ganz einfach.

Warum nehmen wir das einfach so hin? Mangels Alternative? Welche Rolle spielen angebotenes Produkt und der Gesamtservice? Liegt es an der Zielgruppe, wie innovativ man ist und liegt es an der Zielgruppe, wie viel Mühe man sich gibt, wie viel man bereit ist zu investieren? Alles nicht wirklich Argumente zu sagen, man quält sich durch eine wenig gelungene Optik oder durch ein verwirrendes Navigationskonzept.

Mir fällt das natürlich sofort auf, es ist Teil meines Jobs (und ich würde privat unterwegs manchmal lieber wegschauen…). Vielen Endnutzern fallen manche Dinge erst dann auf, wenn sie zu Fehlern in der Bedienung, zu Verwirrung und entnervtem Wegklicken führen. Bis der Website Betreiber ohne professionelle Hilfe dazu kommt zu hinterfragen, warum so viele Besucher seine Website wieder verlassen, wird es unter Umständen noch länger dauern.

Egal wie man es dreht und wendet, findet sich der Radiowecker Effekt auch im Web - nur mit weniger Folgen für den Besucher als für den Website Betreiber. Wirklich? Ist nicht auch die Enttäuschung eines Besuchers, wenn er beispielsweise nicht findet, was er sucht, sich wenig erfolgreich versucht, durch einen Verkaufsvorgang zu hangeln und im letzten Schritt an seinen Erwartungen oder an mangelnder Benutzerfreundlichkeit scheitert, eine unschöne Folge - die nur nicht publik wird, ganz im Gegensatz zu den Ergebnissen der Website Statistik?

Eine Website will bekanntlich (?) verstanden und bedient werden und das in mancher Hinsicht. Vielleicht wäre es eine Idee, den Auftraggeber, den Kunden, auf ganz alltägliche Erfahrungen hinzuweisen?

Auch die Linkshänder “Diskriminierung”  gibt es übrigens übertragen  im Web - dann geht es Richtung Accessibility, also Barrierefreiheit. Aber wie auch im täglichen Leben der Rechtshänder einfach nicht verstehen will kann, wo denn nun die Tücken für den Linkshänder liegen, ensteht wahrscheinlich auch der Aha- Barriere-Effekt erst im Dialog.

Da fällt mir übrigens ein Gespräch wieder ein, das ich vor Jahren mit dem Vorsitzenden eines Blindenverbands hatte - selbst in seinem Sehvermögen mehr als beeinträchtigt. Der erzählte sehr beeindruckend, wie man sich in seiner Situation im Alltag mit den Unzulänglichkeiten arrangiert und Workarounds gefunden habe.

Was den Wecker betrifft, so werde ich nun entweder die Try and Error Variante probieren oder üben. Vielleicht kaufe ich mir irgendwann einen neuen (mit Grummeln in der Magengrube) - die paar Euronen tun dann nicht sooo sonderlich weh. Vielleicht denkt sich das auch der Hersteller? Dass ich jedenfalls früh um sechs oder abends um zwölf Lust und Nerven habe, mich mit der Technik eines Radioweckers auseinanderzusetzen, glaubt hoffentlich niemand…

Verschlafen heißt bei mir ganz nebenbei übrigens sieben statt sechs…

Bildnachweis: da sich ja die Frage stellt, ob ich der DAU unter den Radiowecker Nutzern bin, gibt es kein Foto meines Radioweckers, sondern etwas - gleichzeitig die Frage nach der Henne und dem Ei?

 

2 Antworten zum Beitrag “Erfolgreich falsch bedient”

  1. am 11 Dez 08 um 08:56 meint

    Ich find es sehr beeindruckend wie du immer Verbindung aus dem Alltag mit dem Beruflichen verknüpfst. Jedoch hast du Recht warum schaut man weg? warum sehen einige Menschen an dem vorbei was ist?

    Puh… Ich denke oft ist es so oder bei den meisten… sie wollen etwas genaues und auf welchen weg sie dahin gelangen ist ihnen egal. Warum so viele Webseiten eher Baustellen gleichen ist echt fragwürdig, gerade weil man ja denkt dies wäre ihre einnahme Quelle und ihre Existenz, das ganze dann so schleifen zu lassen ist sehr merkwürdig.

    Falls du in den Genuss eines neuen Weckers kommen solltes vieleich wäre der hier was für dich:

    da muss du dann sogar aufstehen um ihn auszuschalten ;)

    lg
    markus

  2. am 17 Dez 08 um 16:44 meint

    Als anerkannter Morgenmuffel möchte ich Dir von dem Flugwecker, den Markus empfohlen hat, abraten. Das Prinzip verstößt doch sicher gegen die Genfer Konvention. Da würde ich doch eher einen Wurf-Wecker vorschlagen, den es als Fuß-, Golf- oder Tennis- oder Baseball gibt. Der Alarm wird abgeschaltet, indem Du das Teil gegen die Wand wirfst. Nur zum Abstellen des Nachalarms musst Du aufstehen und zunächst den Wecker suchen. Es ist sinnvoll, die Weckzeit auf etwa 10 Minuten früher einzustellen als normal, denn man kann nie ausschließen, dass man anstatt der Wand auch mal einen Spiegel oder eine Vase trifft…

    Gruß
    Uli

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