Gelb, undesigned und immer ein bisschen zu spät

Es passt gerade ganz gut. Gestern abend trudelte Herrn Nielsens neue ein, was mich vor allem daran erinnert, dass wieder einmal zwei Wochen rum sind - und gerade eben finde ich einen Artikel von 37Signals . Nur warte ich noch auf den Wiederentdeckungseffekt…

Leider kommt die Alertbox per Mail immer reichlich spät, nämlich  ca. 12 Stunden nach Twitter. Gerade habe ich mir daher überlegt, dass es vielleicht auch etwas altmodisch sei, sich einen Newsletter schicken zu lassen. Aber wo ist der RSS Feed auf USEIT?…

Auch mir ging es damals wie Derek Miller - Nielsen lese ich von Beginn an, mehr oder weniger regelmäßig und die Alertbox bildet so etwas wie die ursprüngliche Basis meiner Arbeit. Ob es, wie Miller schreibt, etwas mit der totalen Inspiration zu tun hatte oder hat, wage ich zu bezweifeln, aber ich habe selten daran gezweifelt, dass Nielsens Aussagen Hand und Fuß haben. Übrigens vielleicht auch ein Fehler - allein deshalb, weil Hinterfragen unheimlich viel zum Verständnis beiträgt.

Was mich schon immer wirklich verwundert, jedoch nie begeistert hat, war Nielsens Mut zum Nicht-Design. Es ist, nein, Herr Miller, nicht inspirierend (oder bitte arbeiten Sie noch etwas an Ihrer Ironie). Es ist typisch für viele alteingesessene, etablierte HCI Websites und es ist ein gepflegtes Markenzeichen, das wir selbstverständlich in dieser Art nicht kopieren dürften, es aber auch gar nicht könnten, ohne zur Lachnummer zu avancieren. Eine Art Understatement vielleicht? HCI Websites bestechen durch “unauffällige” Seitenaufbauten gemischt mit einem gewagten Griff Richtung Türkis oder Gelb, alternativ “frisches Khaki” (oder einer anderen Varianten der Farbe dieser Einheitsklamotte für die älteren Menschen ohne jeglichen Hang zum Modebewusstsein) und einem Faible für rudimentärstes, typografisches Styling. Das war schon immer so und das wird wahrscheinlich auch so bleiben, bis hier eine neue Generation das Erbe der alten Meister antritt. Interessanterweise also ist Nielsens Alertbox damit auch die perfekte Marke. Er führt uns damit in gewisser Weise vor.

Irgendwann wird man sich die fette Verdana auf knackigem Gelb jedoch schlicht nicht mehr leisten können. Puristisch und asketisch, das ist etwas ganz anderes… zeitlos sieht anders aus.

Und auch inhaltlich gesehen, ist die Alertbox vor allem eines: ein Newsletter und ein Marketinginstrument. Der aktuelle Newsletter wirbt mit mindestens sechs Veranstaltungen, an denen, da bin ich mir sicher, Herr Nielsen ganz gut mitverdient.

It’s all rock solid. It still has that new car smell. There’s no fad in here.

Können wir das wenigstens relativieren in Richtung “it’s sometimes has that new car smell”? Nielsen ist der Klassiker, mehr aber auch nicht. Nicht jedes seiner Themen ist interessant, manches beispielsweise scheint schlicht zu spät, der einzige Benefit ist dann noch, zu wissen, dass nun auch Nielsen sich der Sache angenommen (und sie für gut oder für schlecht befunden hat) und uns damit eine argumentative Basis gibt, falls alle anderen Stricke reißen. Und manchmal, da scheint es, möchte er uns provokant an die guten alten Werte erinnern und uns ein bisschen zum “Back to the Roots” animieren. Auch nicht schlecht, wenn man nicht so recht die Notwendigkeit sieht, auf den neuesten Zug aufzuspringen und mal schnell “seinen Nielsen” aus der Tasche ziehen kann.

Die eigentliche Inspiration läge wahrscheinlich in Nielsens Reports oder in einem seiner Vorträge. Yes, - we’ll meet  in San Francisco. Some day…. Ein anderes Problem ist die Fokussierung auf große Unternehmen (und groß meint hier groß). Können und dürfen wir uns überhaupt auf Ergebnisse stützen, die auf Basis der Großen der Größten ermittelt wurden? Ein gelungenes Beispiel hierfür sind die besten .

Es gibt guten Content im Internet, natürlich auch zum Thema Usability. Abseits der Alertbox. Vor allem weniger marketing-gespickt.

Es ist gut, dass es ihn gibt, den Herrn Nielsen. Aber er ist nicht mehr wichtig. Er begleitet mich nun schon seit über 12 Jahren durch meine Welt der Usability, der Software Ergonomie und des Webdesigns. Inzwischen aber ist er einer von vielen, wenn auch einer der wenigen mit einem richtig große Namen, wenn auch der “Guru”, der alte Meister. Doch auch die Größen werden jedoch irgendwann einfach älter, bekommen Konkurrenz, stehen einer Generation “junger Wilder” gegenüber und irgendwann werden sie abgelöst.

 

Auch was dazu sagen?