Keep it simple

“Keep it simple!” - eine kurze und recht knackige Formulierung, beispielsweise für den Wunsch, ein Interface mal ein bisschen abzuspecken oder aber auch, eine Funktion nur nicht überzubewerten und auszustatten mit allem möglich Sinnvollem. “Keep it simple!” - so einfach das auch klingen mag, ist eine alles andere als simple Anforderung. Eigentlich schafft dieser Wunsch unter Umständen nochmal ein ganz anderes Problem…

Ein netter Slogan, der es ganz schön in sich hat.

Simpel?

Einfachheit ist eine Kunst. Ihr kennt das sicherlich alle. Ein gutes Beispiel ist gutes Produktdesign. Schlicht, elegant, simpel und gelegentlich auch mit der bewundernswerten Frage behaftet “Warum hat es so lange gedauert, bis jemand auf diese geniale Idee kam?”. Meistens liegt die Bewunderung genau in jener Einfachheit. Und das Design, der Entwicklungsprozess, diese Einfachheit mit Funktionalität und gutem Geschmack zu paaren, ist die Kunst. Das ist ein Schuss Kreativität, ein Schuss Usability und ein Schuss UX - wir hatten das Thema ja schon, ich finde gelegentlich, im Produktdesign erlebt das Ganze seine Perfektion.

“Keep it simple!”- ein Satz, der mal so lässig in den Raum gestellt wird, den Designer, damit auch den Webdesigner, den Konzepter oder/und den Entwickler aber gerne mal vor ernsthafte Probleme stellt. Denn diese geforderte oder gewünschte Einfachheit ist nichts, das sich mal schnell aus dem Hut zaubern lässt. Zumindest in den wenigsten Fällen.

Ein ganz simples User Interface

Kommen wir zurück zur Software oder zur Website. Es geht also nicht um Design im Sinne von Optik und Styling - naja, ein bisschen natürlich schon. Vorwiegend geht es aber um Funktionalität und Usability. Es sei alles ein bisschen viel, meint der Benutzer, ob man das nicht abspecken könne. Bisher war das Thema Usability nicht angesprochen worden, ja im Gegenteil: es ging oft um Kleinigkeiten statt um das große Ganze. Usability? Ein akademisches Buzzword. Jetzt geht es endlich ans Eingemachte, nur leider irgendwie zu spät, oder?

Eine Website lässt es ebensowenig wie eine Software zu, einfach mal etwas wegzulassen. Sie lässt es höchstens zu, etwas anders anzuordnen und einzelne Elemente im Kontext wegzulassen. Was man dazu braucht, ist klar: ein Konzept. Und was hinter diesem Konzept steht, wissen alle, die sich eingehend mit Usability auseinandergesetzt haben: das Wissen um das, was die Nutzer suchen, wie die Nutzer denken und arbeiten und welche “Aufgaben” erledigt werden müssen.

“Keep it simple!” ist ein legitimer Anspruch. Gelingt genau das wirklich, ist man sicherlich einen ganz wesentlichen Schritt in Richtung Usability und UX weitergekommen. “Don’t make me think!”- das Motto dieses ganz hervorragenden Buchs bringt es gelungen auf den Punkt: der Benutzer muss intuitiv wissen, welcher Klick zu welchem Ziel, sprich zu welcher Information oder (Software) zu welchem Effekt führt. Und er muss natürlich auch intuitiv den Überblick bekommen und auch behalten können. Ganz schön viel auf einmal, nur dafür gibt es genau die, die sich damit auskennen: Usability Profis, Informationsarchitekten und wie sie sonst noch alle heißen mögen.

Und da wären wir (wieder) beim Punkt: nur weil da einfach draufsteht, ist der Weg dorthin noch lange nicht einfach, - im Gegenteil kann sich dahinter harte Arbeit verstecken.

Eine ganz simple Funktion

“Nur kein Stress, so einfach wie möglich…” oder “So wie hier, nicht mehr… ” sind ganz typische Überlegungen, wenn es um Funktionen geht. Das und das brauche man nicht, es täte auch eine ganz kleine Implementierung. Ganz einfach. “Keep it simple!” Aha. Tja, das was so einfach aussieht (für den Nutzer) hat meist um einiges mehr Funktion im Hintergrund. Das, was da so einfach arbeitet, wie es soll, fängt eben alle Eventualitäten einfach ab. Welche technischen Hürden hinter einer vermeintlich simplen Sache stehen können, davon rede ich gar nicht. Immer, wenn Technik im Spiel ist, sind die Eventualitäten üblicherweise ja umfangreich und gelegentlich schier unkalkulierbar.

Der Teufel steckt im Detail und damit auch die Gefahr, vor lauter simplen Anforderungen eben nicht komplex genug weiterzudenken oder schlicht die komplexen Anforderungen nicht sehen zu wollen oder zu können.

Aha - simpel

Im Prinzip sollte das Wort simpel hellhörig machen. Nicht immer. Manchmal sind Lösungen auch simpel. Aber eben nicht immer. Meistens jedenfalls kosten sie mehr Zeit, als das Wort simpel vermuten ließe. Insbesondere steigt die erforderliche Zeit proportional mit dem Zeitpunkt, an dem die “simple Anforderung” geäußert wurde (so wie übrigens jeder Change Request und jede zusätzliche Anforderung ein Projekt im späten Stadium einfach kritischer macht). Besonders kritisch wird der Wunsch nach Simplizität dann, wenn er mal im Vorbeigehen geäußert wird.

“Keep it simple!” ist eine Kunst. Es ist die Kunst, den simplen, aber alles durchdachten Weg zu finden, ihn auf Machbarkeit hin zu überprüfen und schließlich in ein womöglich bis dato alles andere als simples Projekt simpel zu integrieren.

“Keep it simple!” ist immer nur ein Credo für den User, der ein System leicht bedienen kann und sich im Umgang damit wohl fühlt. Alles in Allem ist es aber keine Anforderung an die Implementierungsphase.

Hier prallen dann bestimmt wieder gelegentlich zwei Welten aufeinander. Der Coder oder Designer, der sofort erklärt, das sei alles nicht so einfach und der “Wünschende”, der sich eher auf Nutzerseite bewegt und die Umsetzung dieser einfachen Anforderungen für eine ebenso geniale Kleinigkeit hält wie seine Anforderung.

Manchmal ist es vielleicht gar nicht so einfach mit den Usability Slogans…

 

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