No Interface

Mir fiel vor einiger Zeit auf, dass innerhalb eines Projekts an verschiedenen Stellen Notizfelder gewünscht wurden. Es war geradezu bezeichnend. Da das System einige Vorgaben zur Aufgabenorganisation und zur Zusammenarbeit mitbringt, war mein erster Impuls, meine Überredungskünste dafür einzusetzen, die späteren Nutzer von der Nützlichkeit von Aufgabenlisten, Emailbenachrichtigung und Kalendern zu überzeugen, die alle längst implementiert und bebildert dokumentiert waren, leider nur nicht genutzt wurden.

Eine bestätigt in gewisser Weise in meiner Einschätzung: die Nutzer wollen das alles ganz ganz einfach nicht - denn sie wollen es ganz einfach.

Die Studie am MIT beschäftigte sich mit einem Sonderfall des Notizfelds, nämlich der nicht-elektronischen Variante in Form jener meist gelben Zettelchen, den Post-It Notes. Es gibt viele Menschen, die sehr exzessiven Gebrauch von diesen pappenden Blöckchen machen, perfektioniert durch verschiedene Farbgebung. Ich bin der festen Überzeugung, dass man den Umgang mit Post-Its wirklich so verinnerlichen kann, dass die ganze eigene Organisation perfekt darauf aufbaut (und ohne hoffentlich auch nicht zusammenbricht). Ich selbst nutze sie übrigens nicht oder eher seltenst.

Die genannte Untersuchung fand genau dies heraus. Sie fand auch heraus, - und das ist das Wesentliche- , dass Post-It Notes von Post-It Notes Benutzern wesentlich lieber verwendet werden als die vermeintlich direktere, elektronische Lösung. Dies hat verschiedene Gründe.

Zum einen macht es die Geschwindigkeit: oft geht es schneller, mal kurz ein paar Stichpunkte aufzuschreiben als ich durch den eigenen Rechner und ein Programm zu klicken. Andererseits, so fand man heraus, hätten viele Anwendungen schon wieder zu viel Funktionalität. Auf dem Post-It Note kann man “kritzeln” wie es einem gefällt und das empfinden viele als angenehm.

Hier setzt dann auch meine Überlegung mit den Notizfeldern an:

Keep it totally simple

Die Notwendigkeit, den Überblick zu behalten und sich Notizen zu machen, ist das eine. Auch innerhalb einer Portalanwendung. Der Zwang, sich darüber Gedanken zu machen, wie man denn nun eine Aufgabe benennt, wie man sie klassifiziert, wie man einen Termin benennt, wie lange dieser Termin wirklich dauern wird, … das alles sind Überlegungen, die vielen auf die Schnelle zu viel sind. Will man Notizen machen, die man eigentlich weder als Aufgabe, noch als Termin interpretiert und muss sich zunächst Gedanken machen, in welche Kategorie die Notiz überhaupt fällt, stimmt am Preis- Leistungsverhältnis gar nichts mehr.

Auch elektronisch gibt es Post-Its. Das Problem elektronischer Notizzettelchen ist jedoch, dass man sie nicht an seinen Monitor, an den Blumentopf, ans Regal oder die Tür kleben kann. Post Its bleiben elektronisch virtuell und mindestens auf dem Rechner.

Lösungsansätze

Ich bin also in diesem Fall dazu übergegangen, für annähernd jeden Datensatztyp ein Freitextfeld mitzuziehen. Dies gibt genau die gewünschte Freiheit. Erstaunlicherweise wird auch die Kollaborationsfunktion verschiedener Features nicht vermisst. Man schreibt dann lieber “Email an… “, statt dies per Aufgabenzuweisung oder per Diskussion portalintern zu lösen. Im realen Büro funktioniert wahrscheinlich noch viel mehr auf Zuruf oder eben per persönlicher Post als es sich der ein oder andere Portaldesigner wünschen würde.

Die Forscher am MIT haben ein Firefox Plugin entworfen. heißt es und soll die Probleme zumindest des “too much functionality” beheben. Via Synchronisation sind die schnell erfassten virtuellen Notizen dann auch auf allen verwendeten Rechnern verfügbar - sofern list.it dort auch installiert ist.

Ob das dem “Problem” entgegenwirkt, weiß ich nicht, ich wage es zu bezweifeln.

Das alles zeigt vor allem eines: vieles ist vielleicht etwas zu gut gemeint. Die provokante Aussage “no interface” trifft wahrscheinlich den Nagel auf den Kopf: vieles ist einfach zu kompliziert und orientiert sich zu wenig an den ganz normalen alltäglichen Arbeitsabläufen. Keep it simple.

 

2 Antworten zum Beitrag “No Interface”

  1. am 09 Feb 09 um 20:06 meint

    Als ich ständig mit Excel, Word & Co. gearbeitet habe, habe ich mir ganz unbedarft ein elektronisches Post-it gewünscht. Einfach eine kleine Notiz irgendwo an den Rand pappen und fertig. Der Vorteil der kleinen gelben Dinger ist, sie fallen sofort auf und sind genau an Ort und Stelle, wo man sie braucht. Da es das in MS-Office nicht gab, habe ich eben mit dem gearbeitet, was da war: Kommentarfelder in Excel, Aufgaben und Termine in Outlook (die praktischerweise zur Erinnerung aufpoppen, was kein Zettelchen kann), den einen oder anderen Ausdruck mit Post-its. So ging es auch, und es ging gut. Auch ich bin übrigens kein Post-it-Poweruser. Und trotzdem: virtuelle Notizzettel als Drag-and-Drop-Funktion auf dem Dokument habe ich mir immer wieder mal gewünscht.

  2. am 09 Feb 09 um 20:14 meint

    Anne-Kathrin

    Du bist auch nicht so glücklich mit diesen Notizfunktionen in Excel und Word? Es wäre prima, wenn man sie einfach verschieben könnte, sie aber immer sichtbar wären. So wie Post Its auch “umgepappt” werden können.

Auch was dazu sagen?