Ich- die Einfrau “Agentur”

Der aktuelle und sehr richtige Artikel im bringt mich zu einer Reihe von Fragen, unter anderem der nach dem “ganzheitlichen Ansatz”. Als Einfrau- oder Einmannbetrieb ist man ja - anders als in einer “Agentur” (mehr dazu unten) - für alles zuständig. Auch gelten hier die Regeln des Projektmanagements eher theoretisch und müssen in Teilen individuell und jedesmal neu definiert werden. Für alles zuständig - eine Chance oder ein Hindernis für den ganzheitlichen Zugang zur Sache?

Ich bin jemand, den packt ein Projekt. Ich denke mich gerne von Beginn an rein, analysiere, plane und finde Ideen und Lösungen. Manchmal vielleicht sogar ein bisschen zu viel.

Webdesign- der ganzheitliche Ansatz

Die Frage nach der Zielgruppe wie auch die darauf folgenden nach der Informationsarchitektur sowie der Suchmaschinenoptimierung, um die es bei Björn Seibert geht, sind entscheidend und lassen sich in meinen Augen nur durch viele Gespräche und einem persönlichen Verständnis für den Kunden und dessen Unternehmen beantworten. Ein Zeitfaktor und eine sehr spannende, individuelle Aufgabe.

Ich unterstütze den Wunsch nach einen interdisziplinären Ansatz, glaube jedoch nicht, dass es hierfür zwingend mehrere Beteiligte geben muss. Nur ist es im “Alleingang” ein noch umfangreicheres Unterfangen, das ich rundherum als ganzheitlich bezeichnen würde. Ich würde es allerdings bisher kaum so kommunizieren.

Die Frage, die ich mir daher unter anderem stelle ist: wie viel Zeit und Konzeption investiere ich in ein Projekt wirklich, um diesem Anspruch gerecht zu werden?

Hinzu kommt dann natürlich noch der ganz persönliche Anspruch, es so richtig gut machen zu wollen. Als Einzelunternehmer empfinde ich den Kontakt zum Kunden als direkter, weniger anonym - persönlicher. Daraus ergibt sich natürlich auch wieder deutlich mehr Verantwortung, nicht nur auf der “Implementierungsebene”.

Ich denke… also arbeite ich?

Ich denke weitaus mehr über ein Projekt nach als ich tatsächlich effektiv daran arbeite, im Sinne von Papier und Bleistift oder CSS und CMS samt Telefonaten und Emails. Das kann sein, während ich mit meinem Bürohund spazieren gehe, das kann aber auch in der Früh unter der Dusche sein, wenn ich darüber siniere, was es alles zu tun gibt, nachmittags, wenn ich Kinder aus Schule oder Kindergarten einfange, auch wenn ich mit anderen Kunden rede oder mit Kollegen - und abends vor dem Fernseher, bedingt durch das richtige Stichwort. Mein Arbeitstag hat also diesbezüglich kaum Anfang oder Ende.

Es macht mit Spaß, ich empfinde das nicht als störend, denn es ist meine freiwillige Leistung. Mein ganz persönliches Pendant zum Meeting, abseits des Bildschirms. Ich denke unheimlich gerne. Von dieser “Arbeit” profitiere ich sehr, nicht speziell für ein Projekt sondern auch für folgende. De facto macht es aber jedes Projekt im Grunde umfangreicher als es scheint.

Ich würde davon trotzdem nie abweichen und mich zum Nicht-Nachdenken zwingen wollen. Es käme mir schäbig vor, eines Tages die Standardverkaufsargumente runterzuleiern, die altbewährten 08/15 Methoden aus der Schublade zu kramen und eine Routinearbeit abzuspulen.

Agentur, nur komprimiert

Was ist eigentlich eine Agentur? Ich weiß nicht, ob ich mich einfach “Agentur” nennen dürfte - ich finde aber schon die Überlegung falsch, denn ich bin ich. Im Folgenden daher synonym für das, was ich nicht bin, insbesondere ein Unternehmen mit mehreren Leuten.

Im Prinzip mache ich also all das, was eine Agentur macht, nur eben im Alleinbetrieb. Das bedeutet nicht, dass ich mir keine externen, zusätzlichen Profis zur Unterstützung suche, falls dies nötig ist, denn niemand kann alles perfekt und Webdesign bzw. von mir lieber Webentwicklung genannt, ist ein komplexes Thema. Und mein Anspruch ist bestimmt nicht geringer als der einer mehrköpfigen, interdisziplinären Truppe. Trotzdem vereint sich in meiner Aufgabe einiges, was in einer Agentur auf mehrere Beteiligte verteilt wird - und es einfacher macht, abends seinen Schreibtisch zu räumen und sich anderen Dingen zu widmen.

Ohne eine Diskussion über das Für und Wider von Agentur und Freelancer vom Zaun brechen zu wollen, sehe ich darin für mich viele Vorteile. Ich möchte das nicht anders. Ich lebe in jeglicher Hinsicht davon, dass mich ein Projekt packt, dass es mich mitnimmt, ich den Kunden begeistern kann und… dann natürlich auch das Abschalten schwerfällt. Ich hoffe, dass meine Kunden das auch zu schätzen wissen.

Die Forderung nach Berücksichtigung der “3W’s” kann ich voll und ganz unterstützen, auch der interdisziplinäre Ansatz ist genau der Richtige. Nur macht das Freelancer Dasein die Grenzen fließender, die Argumente anders, die Umsetzung anders, die Kommunikation direkter und die Forderung nach dem interdisziplinären Arbeiten zu einer Gratwanderung und Herausforderung mit einer Menge Lernpotenzial und spannenden Aufgaben.

Für mich im positivsten Sinn die Grundlage meines Geschäftsalltags und dahingehend “ganzheitlich”.

Bildnachweis: dieses Bild, das mit dem Titel inhaltlich so hervorragend zum Beitrag passt, habe ich gefunden bei Flickr.

 

2 Antworten zum Beitrag “Ich- die Einfrau “Agentur””

  1. am 03 Nov 08 um 00:06 meint

    Danke für den Verweis auf meinen Artikel Anne-Kathrin!

    Für alles zuständig - eine Chance oder ein Hindernis für den ganzheitlichen Zugang zur Sache?

    Generell gilt es imho immer nur so viel Konzept wie nötig. Wobei das natürlich auch wieder schwer zu bestimmen ist ;-) Man kann sich mit zu viel des Guten natürlich auch selbst Knüppel in die Beine werfen. Wir, die den Auftrag haben, eine Website zu machen sollten allerdigs immer versuchen, die Website als Ganzes zu betrachten. Kunden oder interne Auftraggeber sind oft zu fixiert, wie in dem konkreten Beispiel, das ich genannt habe.

    [...] und lassen sich in meinen Augen nur durch viele Gespräche und einem persönlichen Verständnis für den Kunden und dessen Unternehmen beantworten.

    Die Gespräche sind sehr wichtig. Wir sollten sie daher aktiv suchen und zielorientiert unsere Fragen stellen. Dann kann es relativ schnell gehen. Die Gespräche liefern uns dann wiederum Informationen zu den Zielsetzungen und Motivationen und schließlich den konkreten Anforderungen. Oft werden wir so auf für das Projekt wichtige Dinge aufmerksam, die wir alleine im stillen Kämmerlein gar nicht bemerkt hätten.

    Mein Arbeitstag hat also diesbezüglich kaum Anfang oder Ende.

    Mir geht es, obwohl fest angestellt, sehr ähnlich. Denken und ggf. Konzept schreiben gehören für mich auch voll zum Projekt. Weswegen ich oft dünnhäutig reagiere, wenn ich höre: “Wir müssen ins Doing (schreckliches Wort) kommen”. Mit anderen Worten hätte man gerne schnell was “KlickiBunti”.

    Denken und Konzept schreiben sind auch Arbeit und erhalten den Horizont ;-)

  2. am 03 Nov 08 um 10:37 meint

    Anne-Kathrin

    “… sind oft zu fixiert”.
    Das ist nochmal ein anderes Thema und auch eine Frage, die ich mir anlässlich deines Artikels gestellt habe.
    Ich erlebe es vielfach, dass Kunden die Frage “Wozu brauchen Sie eigentlich eine Website?” nicht richtig beantworten können. Das sei doch heute so, dass man eine Website habe…
    Falsch! finde ich.
    Zumindest wenn die 3 W-Fragen nicht beantwortet werden können. Die erste ist der Schlüssel für die Beantwortung der anderen beiden. Alle drei keine einfache Sache, denn es birgt die Gefahr von “Betriebsblindheit” genauso wie des “den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen” Effekts.
    Vielleicht auch noch was dazu, bei Gelegenheit.

Auch was dazu sagen?