WYSIWYG oder WYSIWYM?

Gerade habe ich über jenen Link auf den gefunden und frage mich, ob nicht das WYSIWYG Prinzip schlicht einfacher zu verstehen ist als What You See Is What You Mean, das dem WYMEditor zugrundeliegende Credo.

Eine Liste ist für den Betrachter auf den ersten Blick zunächst (aber auch für den ein oder anderen Autor) eine Liste, solange sie aussieht wie eine Liste. Spielt es da noch eine Rolle, ob sie technisch betrachtet eine ist? Natürlich tut es das, sagen wir technisch versierten Leute aus dem einen oder dem anderen Grund.

Ein paar Überlegungen zum “besseren Editor”.

WYMEditor

Das Prinzip hinter dem Editor ist -zusammengefasst- schnell erklärt: erlaubt ist nur, was nach XHTML valide ist. Ein Editor, der mit einiger Anpassung durchaus Chancen bietet, - und in dem Falls sind die Anpassungen sicher nötig, um Funktionalität und intiutive Benutzung zu verbessern. Der WYMEditor im Speziellen aus verschiedenen Gründen eher eine Enttäuschung. Hier fehlt es noch deutlich an Usability.

Beispielsweise ist das, was denn im Kontext valide und damit erlaubt ist, zumindest in den Demos nicht immer sofort erkennbar. Es wäre schön, wenn nicht erlaubte Tags im entsprechenden Kontext ausgeblendet oder besser noch ausgegraut werden würden.

Auch ist die Bedienung etwas gewöhnungsbedürftig, trotzdem sie eigentlich gar nicht so viel anders funktioniert als ein Tiny. Um beispielsweise eine Überschrift einzufügen, muss erst mittels Returntaste ein Paragraph eingefügt werden, der dann per Auswahl in eine H1 oder anderes geändert wird.

Mein Versuch, eine Tabelle einzufügen, gestaltete sich etwas ärgerlich. Zwar funktionierte die Tabelle noch wunderbar (nur konnte man nicht per Tab in die nächste Zelle springen), aber es war mir schlicht nicht möglich, einen auf die Tabelle folgenden Paragraph einzufügen.

Und dann fiel mir auf, dass es möglich ist, ein völliges Gewirr an Überschriften verschiedener Art zu verschachteln. Die für mich noch einleuchtendsten Aspekte von etwas wie “Semantik”, die auch ganz normale Benutzer verstehen können, funktionieren hier also nicht?

Das Optische an diesem Editor geht in den Demos bis auf das wesentlicher HTML Elemente trotz CSS Unterstützung völlig flöten, insbesondere Größenverhältnisse und Abstand einzelner Elemente. Kunden legen enorm darauf Wert , dass das Editor CSS exakt dem entspricht, was später auf der Website zum Tragen kommt und aus einem typischen WYSIWYG Verständnis heraus ist dieser Anspruch mehr als plausibel. Man müsste den Editor also eingehend anpassen.

Exkurs XML

Im Cross Media Publishing ist die semantisch korrekte Auszeichnung unumgänglich. Da natürlich XML prädestiniert dafür ist, die Rolle des Datenaustauschformat zu übernehmen, kann man dem Redakteur die fehlende optische 1:1 Auszeichnung durch die Tatsache “XML ist ein Datenformat” sowie die verschiedenen Ausgabeformate plausibel machen (HTML, PDF…). Für eher formularbasierte XML Editoren wie beispielsweise Infopath gilt dies noch viel mehr -da merken die Leute gar nicht mehr, was im Hintergrund passiert. HTML, das liegt in der Sache begründet, hat hier generell schon eine ganz andere Natur.

XML verzeiht im Gegensatz zur HTML Familie keine Fehler. Das ist ein Vorteil, macht aber auch die Konfiguration eines Editors für textlastiges XML, mit womöglich komplexer DTD (DocBook beispielsweise) ungleich schwerer. Man kann sich davon aber einiges abschauen.

Anforderungen an einen WYSIWYM und gleichzeitig WYSIWYG HTML Editor

Was müsste ein solcher Editor - genutzt als Basis für ein CMS- mindestens können?

  • Anzeige und Unterscheidung dessen was im Kontext und unterhalb des Kontext eingefügt werden kann
  • Deaktivierung von Elementen, die im Kontext nicht erlaubt sind
  • Return als Breakline und besondere Unterscheidung zum Paragraphen bzw. optische Hervorhebung und Buttons
  • volle Unterstützung des CSS der zugrundeliegenden Website inkl Farbgebung und Abständen
  • optische Hervorhebung des Kontexts (evtl zusätzlich durch eine Leiste mit Anzeige der hierarchischen Struktur)

Kurz und gut: Das Sehen und das Meinen müssten zusammenfallen. Der Benutzer müsste so intuitiv wie nur möglich dorthin geführt werden, genau das zu sehen, was er meint und genau das zu meinen, was er sieht.

Breakline und Pararaph für mich ganz interessante Aspekte: bei Joomlas Tiny gab man beispielsweise im Backend an, was denn nun “Klick auf Return” bedeutet. Ganz schlecht für Leute, die gerne die Return Taste drücken, aber nicht wissen, was sich dahinter laut config verbirgt. Was man dann natürlich auch berücksichtigen muss, ist die Tatsache, dass der ganz normale User wahrscheinlich selten in Word & Co. den Abstand eines Paragraphs setzen.
Auch mein Wordpress Tiny macht mich da noch nicht wirklich richtig glücklich.

Und mir fällt nun beim Lesen auf: mein Wunsch ginge dann eigentlich in Richtung dessen, was wir schon haben, beispielsweise einen Tiny. Nur eben einen Tick intelligenter.

Eine Chance?

Ich bin mir auf den ersten und auch zweiten Blick nicht sicher, ob der WYMEditor im Speziellen mit oder ohne größere Anpassungen (Verbesserungen?) bzw. ähnliches in der Art wirklich einen Benetfit bieten wird. Im Prinzip können auch hier Fehlerquellen, die sich aus dem “ich meine, was ich sehe” ergeben, nicht restlos ausgeschlossen werden. Ohne größere Anpassungen ist er für Vielschreiber wie mich einfach träge, für den Endnutzer kaum zu begreifen. Mit Anpassungen kann er durchaus eine Chance bieten, dem Web etwas mehr Semantik zu “verpassen”.

Was heißt eigentlich “meinen”?
Generell ist die Idee eines WYSIWYM Editors sehr gut, allerdings nur dann, wenn hier WYSIWYM und WYSIWYG zusammenfallen, denn: der Benutzer wird das meinen, was er optisch kreiiert = sieht. Ich denke dabei vorwiegend an Listen und natürlich an Tabellen. Ob das nun aus technischer Sicht eine “Katastrophe” ist oder nicht, wird ihn dabei wenig interessieren.

Wenn wir also als die Techniker in der ganzen Geschichte über semantisch korrekte Texte und valides XHTML nachdenken, wäre vielleicht ein intelligenter Editor, der sieht, was der Benutzer meint, das erstrebenswerteste Ziel…

Noch ein Wort zum WYMEditor: Seit drei Jahren (was mich ehrlichgesagt nicht sonderlich zuversichtlich stimmt) ist das Ganze Alpha, daher kann man von meiner Kritik an Funktionalität und Usability eventuell absehen. Alpha heißt in diesem Fall also: wer an sowas interessiert ist, sollte das Projekt weiterverfolgen.

 

Eine Antwort zum Beitrag “WYSIWYG oder WYSIWYM?”

  1. am 09 Jul 09 um 00:40 meint

    Hi, schöner Artikel! Ich stimme dir in allen Punkten zu. Die meisten Editoren nerven unglaublich.

    Inzwischen ist der erste Release Candidate vom WYMeditor heraus gekommen, welcher einen Blick wert ist. Was meinst du?

    Grüße, Paul

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