Architekturen, Wartbarkeitsfragen

Informationsarchitekturen und Designprozess erfordern im Sinne eines “Client Centered Service” nicht nur benutzerfreundliche, verständliche Strukturen und entsprechende “Aufmachung” sondern müssen auch die Wartbarkeit einer Seite berücksichtigen. Konzept, Design und spätere Wartbarkeit hängen eng zusammen.

Ein paar Überlegungen zu dem, was sich später hinter den Kulissen abspielen wird. Ein paar Überlegungen zu Motivation und Innovation. Gelingt uns beim “ganz normalen Kunden” die Innovation überhaupt? Steht des Webdesigners Idealismus vor natürlichen Grenzen?

Wer sein CMS kennt

Wer sein CMS kennt, der kennt auch alle Tricks, den Layoutentwurf irgendwie in ein Template gegossen zu bekommen. Und er kennt auch alle Tricks, die nötig sind, um eine technisch anspruchsvolle Navigation und Seitenstruktur trotz eventuell unflexibler interner CMS Strukturen irgendwie abzubilden. Und wer sein CMS oder auch nur ein CMS kennt, der weiß ebenso, dass Layout und Seitenstruktur sehr viel miteinander zu tun haben.

Nehmen wir als Beispiel Joomla und seine starre Struktur aus Bereichen und Kategorien, der man nur entkommen kann, indem man gänzlich darauf verzichtet und nur unkategorisierte Inhalte erstellt. Das ist eine Lösung, aber es ist beim besten Willen weder die einzige und meist auch nicht die beste Lösung, denn man vergibt sich damit die Chance auf eine automatisierte Anzeige gruppierter Inhalte. Und auch wenn andere CM Systeme andere Konzepte zur Verwaltung und Organisation von Inhalten vorsehen, so ist es dann doch irgendwie so, dass immer der Zeitpunkt kommt, an dem drei Aspekte ge-match-t werden müssen:

  • Seitenarchitektur
  • Layout und Design
  • Organisation der Inhalte im Backend und Regelwerk

Wer eine Website später verwalten möchte

Der, der die Website später verwaltet, ist  meistens nicht der, der ursprünglich die Inhaltsstrukturen festgelegt hat. Und er ist meist nicht der, der sich mit dem CMS so wirklich gut auskennt. Und es ist meist zwar der, der die innovativen Ideen zwar klasse findet, in der Realität aber schnell feststellt, dass das alles mit Arbeit und damit auch mit Zeit verbunden ist.  “Client Centered Design”, das Prinzip, sich des Kunden im Rahmen eines “Service Design” orientierten Projektablaufs anzunehmen und sich auf ihn einzustellen, darf hier nicht aufhören. Nur: ist das nicht genau der Hemmschuh wenn es um Innovation geht?

Wenn es um die Wartung einer Website geht, ist der Kunde der User. Usability und User Centered Design spielt sich hier also auf anderer Ebene, unsichtbar im Hintergrund ab. Einen Großteil der Aufgabe erfüllt das Content Management System selbst. Es zeichnet sich idealerweise aus durch eine schnelle Lernkurve und eine intuitive Bedienbarkeit. Und es hat idealerweise die phantastische Eigenschaft, Layout und Inhalt wirklich zu trennen. Jede Seite fügt sich damit problemlos ins Gesamtlayout ein - so könnte man es werbeträchtig und auch nicht kritiklos formulieren. Das beste CMS hilft jedoch nicht, wenn das Layout ein Hingucker, das Seitenkonzept  auf den Websitebesucher hin ausgerichtet ist, und diesbezüglich die Frage nach der Usability keine Wünsche offen lässt, gleichzeitig aber dem Redakteur zu viel abverlangt.

Keep it simple

Keep it simple - ein Credo, das man zugunsten des Kunden,  von Beginn an im Hinterkopf haben sollte und einem schon zu Beginn Entscheidungen abverlangt. Richtige Entscheidungen. Vielleicht auch für oder gegen das CMS der Wahl. Insbesondere wird es interessant, wenn es um Module geht, um Navigation und um alle Elemente abseits des eigentlichen Texts. Auch um den Umgang mit Eyecatchern beispielsweise.

Es gibt mehrere denkbare Varianten, einen Internetauftritt “spannender” und auch benutzerfreundlicher zu gestalten:

  • dynamische Seiten Templates mit Bedingungen oder alternativ eine Auswahl an verschiedenen Layoutvorlagen
  • variantenreiche Inhaltsvorlagen
  • Klassen für die Einbindung von Eyecatchern, um einzelne Blöcke hervorzuheben, beispielsweise durch Farbe, Form, Graphik, Typo
  • kontextsensitive Information

Vorlagen für einzelne Seiten sind das eine. Sie können helfen, Layouts konsistent zu halten, Schwierigkeiten bei der Erstellung zu überwinden und die Websitepflege schlicht schneller und einfacher zu machen. Das andere sind Module. Hier mal eine Info, da mal eine Info - und das kontextsensitiv. Und gelegentlich erfordert das ein oder andere Konstrukt noch eine Erweiterung - ein kleines Helferlein, das fehlende Funktionalität des Core Produkt ergänzt. Zu guter letzt gibt es eventuell, - um das Design der Gesamtseite etwas spannender zu gestalten, verschiedene Seitenlayouts. Die allerdings müssen zugewiesen werden. Irgendwann wird das Konstrukt komplex und die Regeln, das Beachtenswerte, summieren sich.

Und die simple Realität?

Machen wir uns nichts vor. Der Nutzer wird experimentieren. Er wird sich nicht an die ein oder andere Vorlage halten, er wird trotz Anleitung gelegentlich überfordert sein, - und er wird eventuell die Existenz und Notwendigkeit eines Regelwerks generell in Frage stellen. Und er wird sich im Stress dann doch für den Weg des geringsten Widerstands entscheiden. Bleibt es dann, genau hier anzusetzen, beispielsweise durch:

  • konsistente Konstrukte, auch wenn sich die späteren Inhaltsstrukturen im Frontend optisch unterscheiden
  • Vermeidung von Sonderfällen
  • bevorzugter Einsatz der Stärken des CMS, nämlich der Automatisierung
  • Reduzierung von Regeln und Beachtenswertem, soweit möglich
  • Dokumentation aller Inhalte und veränderbarer Elemente

Natürliche Grenzen?

Ich bin der Überzeugung, genau diese Wartbarkeitsfragen führen zu natürlichen Grenzen beim Layoutentwurf und sind vielleicht auch mit ein Grund dafür, warum man fancy aufgemachte, individuelle Webdesigner oder  Agenturwebsites findet, große Websites und solche die vom Kunden selbst gepflegt werden, doch meist recht konventionell daher kommen.

Ist das “innovative Layout” mit flexiblen Positionen (ich sage bewusst nicht Spalten) überhaupt durchschaubar und wartbar? Haben sich nicht aus diesem Grund die typischen 2-3 spaltigen Designs etabliert, weil sie sich bewährt haben?

Meiner Erfahrung nach geht das Ganze sogar noch einen Schritt weiter: variable oder variierte Seitenlayouts inklusive kontextsensitiver Einblendung von Information werden kaum genutzt. Selbst das, was ich mal Eyecatcher nenne, wird kaum genutzt. Es macht durchaus Sinn, wichtige Informationen optisch in den Vordergrund zu stellen. Nur scheitert es in der Praxis nicht am Willen, am Engagement und vielleicht auch an der Disziplin, ein Konzept wirklich durchzuziehen?

Die Aufgabe des Webworkers besteht also nicht nur darin, wartbare, kundenfreundliche Konzepte zu entwickeln, sondern wieder einmal auch darin, zu sensibilisieren und aufzuklären. Design muss nicht nur “stehen” - es muss auch kommuniziert und erläutert werden, damit es ankommt. Ist der Websitebetreiber nicht bereit, sich selbst ausreichend zu engagieren, sind dem Look and Feel einer Website natürliche Grenzen gesetzt.

 

7 Antworten zum Beitrag “Architekturen, Wartbarkeitsfragen”

  1. am 13 Jun 09 um 07:49 meint

    cortex

    eine alternative zum engagement des seitenbetreibers: delegation der aufgaben an “jemanden, der sich damit auskennt” - möglicherweise der entwickler der website im sinne eines wartungsvertrages.
    solange jedoch das web - und vor allem die persönlichen voraussetzungen - als bunte bastelbude verstanden werden… schwieriges ding; vor allem bei kmu und privaten auftraggebern.

    cx

  2. am 13 Jun 09 um 07:58 meint

    Anne-Kathrin

    Den Einwand KMU sehe ich auch - genau so ist es. Leider.
    Thomas hatte kürzlich 2 Monate obligatorischen Support erwähnt. Das finde ich in jedem Fall gelungen.
    Wichtiger noch -aber ich glaube, darüber schreibe ich mal gesondert, ist die Frage nach der Einschätzung der persönlichen Kompetenz und der des persönlichen Engagements…

  3. am 19 Jun 09 um 07:21 meint

    [...] Architekturen, Wartbarkeitsfragen: Auch und vielleicht v.a. hier zeigt sich im späteren Betrieb die technische Qualität einer Website [...]

  4. am 19 Jun 09 um 10:38 meint

    @cortex:

    “delegation der aufgaben an “jemanden, der sich damit auskennt” - möglicherweise der entwickler der website im sinne eines wartungsvertrages.”

    –> Wozu dann ein CMS? Das ist nämlich genau das Problem von zu komplexen CM Systemen: Sie sind eigentlich dafür gedacht, Menschen OHNE Programmierkenntnisse die Möglichkeit zu geben, Webseiten zu pflegen und zu erweitern. Nur scheitern viele Kunden an der Komplexität der Administration (z.B. das gnadenlos überschätzte Typo3) und die Wartung der Seite wird dann wieder zurück an die Agentur gegeben, was zu extrem erhöhten Wartungskosten auf Seiten des Kunden führt! Da beißt sich doch der Fuchs in den Schwanz…

  5. am 19 Jun 09 um 10:44 meint

    Anne-Kathrin

    Ich glaube, es muss klar unterschieden werden zwischen denen, die die Wartung selbst übernehmen wollen und denen, die sagen, sie wollen damit gar nichts zu tun haben.
    Es führt aber dann irgendwie zur nächsten Frage…
    “Erfüllt das gängige CMS denn wirklich seinen Zweck?” -soll heißen: ist ein CMS ein “benutzerfreundliches Produkt”?

  6. am 19 Jun 09 um 12:07 meint

    “ist ein CMS ein “benutzerfreundliches Produkt”?”

    –> Ich will keine Werbung machen, aber es gibt durchaus sehr benutzerfreundliche CMS:

    Hoffe, daß ich jetzt keine “Was ist das beste CMS”-Diskussion lostrete… ;-)

  7. am 19 Jun 09 um 12:10 meint

    Anne-Kathrin

    Oh ich nutze mit Begeisterung TYPOlight und habe damit überhaupt kein Problem ;-)
    Übrigens gibt es hier unter entsprechenden Rubriken einiges zu TYPOlight und auch warum ich mich dafür entschieden habe.

Auch was dazu sagen?