Online Shop - ein harter Job?

Gerade wird mir wieder klar, wie viel Arbeit so ein Online Shop bedeutet. Nein, ich habe das natürlich gewusst, denn ich mache seit fünf Jahren Online Shops. Nur wird einem einfach gelegentlich bewusst, wie erschlagen manch ein frischgebackener Shopbetreiber irgendwann sein muss, wenn deutlich wird, was es alles zu beachten gibt.

Ich erinnere mich auch an ein recht unschönes Projekt, in dem der Umfang eines neuen Online Shops so falsch eingeschätzt wurde, dass das Unterfangen irgendwann zu den Akten gelegt wurde - richtig in diesem Fall, aber es wäre auch anders gegangen. Mir bleibt weniger ein bitterer Nachgeschmack als vielmehr das Wissen um die Notwendigkeit der “Aufklärung”, angefangen bei “Adam und Eva”.

Wie könnte also eine Checkliste für den Shopbetreiber aussehen und wie die dazugehörige Liste für den Dienstleister, also unsereins? Die Checklisten gehen Hand in Hand - denn die eine bedingt, dass eventuell die richtigen Fragen gestellt oder die richtigen Recherchen betrieben wurden.

Jeder dieser Punkte bedarf eigentlich eines eigenen Artikels, - hier mal gebrainstormt die Anfänge…

Zeit

Ein wirklich großes Problem ist ZEIT. Es funktioniert nicht, dass der Shopbetreiber mal einen Dienstleister sucht, kurz ein bisschen was zusammenschreibt und sich dann zurücklehnt… Im Allgemeinen gibt es auch für ihn viel zu tun, beispielsweise Produktinformationen sammeln, sich um Bilder kümmern oder administrativ-organisatorische Dinge zu klären wie Versandkosten, Logistik oder Payment. Die Buchhaltung macht der Webdesigner schließlich später nicht. - Naja, man kann auch im höheren fünfstelligen Budget- Bereich anfangen…

Zeit heißt also mehr als eine halbe Stunde in der Woche. Zeit heißt mehrere Wochen lang idealerweise ein paar Stunden am Tag, bis der Shop fertig ist, Zeit heißt aber auch später, mehrere Stunden in der Woche und eventuell ebenso am Tag (nicht zu vergessen ist schließlich der Versand!)

Ich habe irgendwann mal gehört “Wir haben da jemanden, der macht uns das in 10 Tagen…” - nein, tut mir leid, das entlockt mir nicht mal ein müdes Lächeln…

Daten: Produkte und mehr…

Wie sieht es aus mit den Produkten, mit deren Beschreibung und mit der Bebilderung. Information ist neben der gelungenen Aufmachung schließlich alles. Man sollte sich also Mühe geben bei Text und Bild. Nur: wo kommen diese Informationen her? Hier geht es übrigens auch um rechtliche Fragen (beispielsweise hinsichtlich der Verwendung von Bildern).

Der angehende Shopbetreiber sollte sich also  Gedanken gemacht haben zu folgenden Fragen:

  • Gibt es ein Warenwirtschaftssystem und wenn ja, können die Informationen von dort übernommen werden?
  • Gibt es Kontakt zu den Herstellern der Produkte , um an Bildmaterial und Beschreibungen zu kommen?
  • Ist klar, in welchem Datenformat die Beschreibungen und Bilder vorliegen  und in welchem Format sie vorliegen müssten?
  • Ist die Anbindung an eine WaWi gewünscht oder ein Muss?  Wer wird sich später um die Pflege kümmern ?

Aus Sicht des Dienstleisters kann ich aus meiner Erfahrung nur sagen: Fragt nach! Bohrt nach! Eine Antwort in Richtung “Ich weiß es noch nicht…” ist definitiv ungenügend und kann sich dauerhaft als Killer entpuppen, dann nämlich, wenn einfach nicht klar ist, wie man den Arbeitsaufwand einschätzen muss.

Strukturen

Eine meiner Standardfragen ziemlich am Anfang ist die Frage nach Produkten und nach deren Klassifizierung. Ein typisches Beispiel ist da ein T-Shirt, das es in fünf Farben und in verschiedenen Größen gibt. Und obwohl ich jedesmal den Eindruck habe, ich hätte alle Informationen abgegriffen, die ich für technisch und strategisch relevant halte, passiert es, dass plötzlich ein neue Produkttyp mit hinein genommen werden soll, an das vorher kein Mensch gedacht hat und das sich etwas widerspenstig in die bestehende technische Realisierung und das User Interface einpassen möchte…

Ein T-Shirt ist kein Schal und der Unterschied liegt nicht nur darin, dass das eine zwei Ärmel hat und das andere nicht.

Und auch nicht vergessen: Im Online Shop gibt es keine Regale, die man täglich umräumen kann.

Der Dienstleister kann Vorschläge machen und Konzepte erarbeiten. Das ist sein Job. Aber die Information liefert der angehende Shopbetreiber - ohne die geht es nicht. Das alles ist ein Dialog, für den beide Seiten, insbesondere aber der Auftraggeber, Vorarbeiten leisten kann.

  • Welche Produkte werden verkauft?
  • Welche Eigenschaften haben Produkte (Farbe, Größe, … Gewicht, Abmessungen, aber auch Bundles, Abhängigkeiten…)?
  • Mit welchem Warenbestand möchte man starten? Gleich in die Vollen oder lieber erstmal klein-klein?
  • Was gibt es hinsichtlich der Erweiterbarkeit zu bedenken?
  • Wie  sollen die Kunden finden, was sie suchen? Wie ist der virtuelle Laden “eingeräumt”? Und ist dieses Konzept dann auch flexibel?

Marketing und Strategien

Ohne Übertreibung ist dies leider häufig ein Punkt, der irgendwann zum Thema wird, nur leider nicht zu Beginn. Für viele angehende Shopbetreiber ist es fast unmöglich, den zu erwartenden Umsatz auch nur annähernd zu schätzen. Und weil das so schwer ist, bleibt dann auch mal das “wie mache ich mich bemerkbar” gerne unbeantwortet… Idealerweise weiß der Shopbetreiber

  • wie er Produkte im und außerhalb des Shops promoten möchte
  • ob und wie Social Media eine Rolle spielen sollen
  • dass Suchmaschinenoptimierung dazu gehört und auch, was das für die Aufmachung des Shops bedeutet

Immer wieder habe ich es erlebt, dass hier geradezu Beratungsresistenz vorherrscht - und damit ist eigentlich der Misserfolg des Shops schon vorprogrammiert, vor allem aber der Frust auf beiden Seiten (ich gebe frei zu: ich bin frustriert, wenn ich mir Gedanken mache und Strategien entwickle, die dann einfach nicht ankommen wollen - was nicht bedeutet, dass manches nicht noch diskussionswürdig ist).

Die Frage nach der Logistik

Auch wenn sich rein technisch die Frage nach der Logistik vorwiegend in Konfigurationen abspielt, finde ich es doch ausgesprochen wichtig, den Themenkomplex nicht hinten anzustellen, denn genau hier beantwortet sich die teilweise die wichtige Frage nach der Konkurrenzfähigkeit. Wie also soll bezahlt werden können, wie funktioniert die Bestellabwicklung nach Bestellungseingang und wie erfolgt der Versand. Es sieht ja immer alles recht easy going aus, wenn man selbst Kunde ist. Bezahlung per … was weiß ich, permanente Übersicht über den Stand der Bestellung, kostenfreie Lieferung ab Warenwert X und dann noch Trackingservice bei DHL oder UPS und wie sie alle heißen mögen.

Was wir nicht sehen, sind die Gebühren, die da so anfallen für Payment-Gateways. Und was wir nicht sehen ist, dass viele große Versender die guten Konditionen, die versandkostenfreie Lieferung überhaupt  rechnerisch möglich machen, erst ab einem bestimmten Bestellkontingent anbieten. Für den kleinen Neuling, der seine monatlichen Bestellungen noch nicht abschätzen kann, sich insbesondere aber auch erstmal hoch arbeiten muss, bedeutet  das alles erstmal Zusatzkosten, die sich hoffentlich irgendwann amortisieren. Wer diese Fragen also hinten anstellt, wird irgendwann total ernüchtert feststellen, dass erstens alles nicht so einfach ist und zweitens Kosten auf einen zukommen, die den eigentlich kalkulierten Budgetrahmen deutlich sprengen.

Für den Dienstleister spielt das Ganze aus zweierlei Gründen eine Rolle:

  1. der Dienstleister ist im Fall Online Shop nicht nur Webdesigner und Webworker sondern auch Berater
  2. der Frust, den man sich spart, weil alles bereits durchdacht oder wenigstens weitestgehend bekannt ist, wird sich auf das Projekt auswirken.

Fazit

Für mich sind das die Themen, die bereits klar, zumindest aber angesprochen sein sollten, bevor nur ein einziger Designentwurf gemacht wird (der Designentwurf ist für den Kunden ja ein wesentlicher Schritt, weil damit aus einem theoretischen Konzept eine fassbare Idee wird).

Stellt sich heraus, dass bei einem dieser Themen in irgendeiner Form Klärungsbedarf herrscht, dann ist es vielleicht sogar sinnvoll, den potenziellen Auftrag erstmal abzulehnen.

Eventuell werde ich hier demnächst zu den einzelnen Punkten noch Genaueres schreiben, auf dass eine (kommentierte) Checkliste dabei herauskommen mag, die ich gerne aus Sicht des Dienstleisters aufziehen würde - denn es gibt nichts Unerfreulicheres, als irgendwann festzustellen, dass man einfach die ein oder andere Frage vergessen hat zu stellen.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Online Shop - ein harter Job?”

  1. am 08 Sep 09 um 11:59 meint

    Hallo Anne-Kathrin,
    das ist ein schöner Artikel. Weist er doch darauf hin, dass sich der Auftraggeber nicht einfach nur zurücklehnen darf, wenn es denn ein erfolgreicher Shop werden soll. Wenn Du die Checkliste fertig hast, sag’ mir bescheid *g*

    Gruß aus Würzburg

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