Der kleine, farbliche Unterschied

Derzeit bin ich nebenbei mit einem Relaunch beschäftigt. Auch wenn es für den Webdesigner ungewöhnlich klingen mag: mit der Farbgestaltung bin ich mir nicht so richtig sicher. Nachdem ich persönlich inzwischen genau weiß, wie es aussehen sollte, schoss mir plötzlich der Gedanke durch den Kopf: Gefällt das denn auch Männern?

Also habe ich ein bisschen recherchiert. Ein interessantes Thema: wie ist das Farbempfinden bei Männern und Frauen generell und im Internet im Speziellen? Nein, es geht übrigens nicht um medamind - hier wird Euch das Magenta noch eine Weile erhalten bleiben…

Hier geht es ebenso nicht um Farbenlehre im klassischen Sinn, es geht um das ganz persönliche, geschlechterspezifische Empfinden. Meine Recherche bisher ein wenig unausgegoren. Ich habe nicht wirklich viel Aufschlussreiches darüber finden können.

Es gibt anscheindend bereits eine zum Thema, die herausgefunden haben will, dass Männer eher dunklere, dezente Farben bevorzugen, Frauen dagegen eher bunt. Leider ist diese Studie nicht mehr ganz aktuell. Sie trifft aber meine Fragestellung auf den Punkt. Ich möchte nämlich “catchy colors” einsetzen. Freundliche, leuchtende, kräftige Farben (nicht zu verwechseln mit grell!). Am liebsten monochrom. Ein bisschen “sexy” darf es auch gerne sein. Die dunkle Farbe scheidet aus oder wird (derzeit in Form eines schlichten #333 als “Arbeitshypothese”) als weiteres Gestaltungselement eingesetzt.

When the factors were compared with other websites, 94% were found to display a “masculine orientation”.

heißt es übrigens noch und genau darum geht es: wahrscheinlich sind noch mehr Männer in den Entscheiderpositionen - wie so oft.

Eine der wenigen, vermeintlich informativen Aufschlüsselungen zum Thema Lieblingsfarbe (wobei das nicht ganz trifft, was ich suche) gibt es bei . Leider nämlich ohne Hinweis darauf, wie diese Daten zustande kamen (und daher für mich in gewisser Weise wertlos, ich bin der Meinung, Daten sind nur dann wirklich ernstzunehmen, wenn man deren Herkunft kennt). Interessant ist, dass sowohl Blau, Rot als auch Grün bei Männern und Frauen offenbar gleichermaßen beliebt zu sein scheinen.  Nimmt man die Daten trotzdem mal als “gegeben” hin, bliebe damit Blau. Rot und Grün zumindest in der “entschärften” Variante nicht die optimalen Webfarben, einmal natürlich aus Gründen der Rot-Grün Blindheit, andererseits empfinde zumindest ich Rot und Grün in kräftigen Tönen gelegentlich als aggressiv.

Blau… für mich die Verlegenheitsfarbe Nummer 1, die ich genau so empfinde, wie sie aus Sicht der Farbpsychologie ganz grob auch beschrieben wird: kalt und unnahbar, wenn auch klar.

Interessanterweise zeigt obiger Link auf die beliebtesten und unbeliebtesten Farben aber noch etwas anderes: Auch weitere “Verlegenheitslösungen” wie bräunliche Farbtöne oder Orange scheinen auszuscheiden, weil sie offenbar zu den weniger beliebten Farben zählen.

Was also tun? Wie unterscheidet sich das Farbempfinden von Männern und Frauen wirklich? Was gefällt dem einen und missfällt der anderen? Lässt sich der Unterschied überhaupt an der Farbe festmachen? Nur: wirken warme Farbtöne wirklich auf Männer und Frauen gleichermaßen warm, wird “unterkühlt” von beiden Seiten so empfunden? Gibt es (im Internet gebräuchliche) Farben, die Männer oder Frauen richtiggehend “abschrecken”? Gibt es Präferenzen hinsichtlich einer monochromatischen Farbgebung vs. “bunt und fancy”?

Und last but not least: ist das Ganze überhaupt überdenkenswert?

Vielleicht starte ich eine Umfrage, beispielsweise bei . Derzeit würde mich einfach mal Euere Meinung interessieren. Keine Angst übrigens: ich denke nicht darüber nach, eine pink-lila Schiene fahren…

 

4 Antworten zum Beitrag “Der kleine, farbliche Unterschied”

  1. am 27 Feb 09 um 13:44 meint

    Die Metacolor-Ergebnisse sind interessant, aber für mein Empfinden nicht handhabbar. Farben wirken im Zusammenspiel mit anderen Faktoren.

    Gut, im Gegensatz zur realen Welt fallen im Web stoffliche Farbträger weg (der exakt gleiche Farbton wirkt in Seide anders als in Baumwolle anders als auf Raufasertapete). Dennoch, selbst wenn Du eine einzelne Farbe wählst, wird diese nie alleine stehen. Sie interagiert mit der Umgebung, ob das der Schrifthintergrund, der White Space (ob weiß oder nicht), Buttons, Bilder oder andere grafische Elemente sind. Zudem ist die Wirkung abhängig von der Ausarbeitung en detail, z.B. von Stilen. Zur Veranschaulichung stell Dir rein blau auf weißem Grund vor: einmal große geometrische Flächen, einmal ein stark abstrahiertes Blüten- oder Rankenmuster, zur Abwandlung ein mehr naturalistisch interpretiertes, einmal ein kleinteiliges Tischdeckenkaro. Völlig unterschiedliche Anmutungen!

    Farbwirkungen sind zu komplex, als dass man sie durch das Herunterbrechen auf einzelne Faktoren ausreichend erfassen könnte. So eine Studie kann nur ein allererster, sehr, sehr grober Anhaltspunkt sein. Wenn überhaupt, und unabhängig davon, wie die Statistik entstanden ist.

    Praktisch würde ich eher assoziativ herangehen. Was soll die Seite rüberbringen, gibt es Stile, Beispiele, atmosphärische Bilder, die etwas Ähnliches für Dich vermitteln? Das als Informationshintergrund und Anregung. Dann kommt das Sammeln der praktischen Anforderungen und Ideen. Aus beidem kann man spielerisch ein neues Etwas zusammenbauen - und solange weiter experimentieren und verändern, evtl. auch im Dialog mit dem Kunden, bis die gewünschte Optik passt, sowohl für Dich wie für den Kunden. Das ist ein Prozess, und nicht immer ein blitzschneller. Irgendwann kommt aber der Moment, wo man spürt, das hier ist stimmig. Das geht aber nur aus dem Bauchgefühl, dafür gibt es kein Analysetool.

    Das nötige Auge dafür hast Du! Es geht letztlich darum, der eigenen inneren Stimme zu vertrauen.

  2. am 27 Feb 09 um 13:48 meint

    UschaSu

    Ach ja, und wenn es nur um den Zweifel geht, ob “das jetzt auch Männern gefällt”, ist wahrscheinlich Testen die beste Methode. Kleine Umfrage im Kundenunternehmen? Im Freundeskreis? Könnte halt nur sein, dass Du danach nicht mehr weißt als vorher, weil jeder was anderes sagt ;-)

  3. am 27 Feb 09 um 16:49 meint

    Anne-Kathrin

    Danke für dein ausführliches Feedback!

    Ich verstehe deine Überlegungen und sie sind richtig.
    Meine Seite ist wenig graphisch (nicht verwunderlich….). Alles, was Illustration betrifft, kommt im zweiten schritt.
    Wie es wirken und rüberkommen soll (lebendig, strahlend, peppig, aber nicht aggressiv), das weiß ich.
    Die Farben, die ich damit verbinde (es sind, ich sag es jetzt doch mal orange, rot… allerdings Töne, die doch recht catchy sind), mögen irgendwie zu “weiblich” sein.
    Zumindest habe ich hier so ein bisschen das Feedback bekommen. Mir gefallen sie und ich bin der Überzeugung, sie sind genau stimmig zu dem, was ich sagen und ausdrücken möchte.

    Die generelle Frage ist also: ungeachtet sämtlicher Farbenlehre: gibt es männliche und weibliche Farben (ich denke ja!). Farbkombinationen mit bestimmten Charakter gibt es genug. Wäre die männliche Variante meines Orange-Mixes dann vielleicht “Schlamm” oder “Khaki”? Mögen oder ertragen(!) Männer überhaupt leuchtende Farben? Und wie nähert man sich dieser Fragestellung?

    Meine Frage ist also eher: Gibt es etwas, wo Männer sagen würden: Das ist mir zu viel des Guten! oder Das ist mir zu schrill? … irgendwie so in diese Richtung.

  4. am 27 Feb 09 um 23:16 meint

    Ich habe starke Zweifel daran, dass es grundsätzlich männliche und weibliche Farben gibt. Das mag aber daran liegen, dass ich mit dieser m/w-Unterscheidung generell wenig anfangen kann. Ich denke, jeder Mensch hat, in unterschiedlicher Gewichtung, beide Anteile.

    Was es sicher gibt, sind Konventionen. Männliche und weibliche Farbkonventionen sind besonders augenfällig in der Kleidungsmode. Hier ist die männliche Variante zweifellos schlammiger, graustichiger, fahler, zumindest in unserer Zeit. Im Rokoko haben sich die Männer keineswegs vor Farben gescheut, die wir heute als feminin ansehen, sogar noch garniert mit Spitze und allerlei anderen Prächtigkeiten. Aber auch in der jüngeren Vergangenheit waren längst nicht immer alle Kater grau. Anfang der 70er z.B. kam das modische Mannsvolk ganz schön farbig daher, Ende der 80er gab es eine ganze Welle von Männerpastells usw.

    Die Frage ist vielleicht, inwieweit sind männliche Farbpräferenzen über die Kleidung hinaus von zeitgenössischen Konventionen geprägt. Meine Vermutung: je weiter weg das gefärbte Objekt von der eigenen Haut ist, desto weniger. Wenn man allerdings die eigene Website (bzw. die des eigenen Unternehmens) als Selbstrepräsentation und damit als dritte Haut versteht, mögen die Konventionen wieder relevant werden.

    Andererseits, im Web kann ich nicht schlüssig beobachten, dass Seiten, auf denen sich offensichtlich Männer austoben, keine “catchy” Farben oder verspielten Dekorationen hätten. Und die sind sicher nicht alle schwul :-). Klick Dich mal durch einen Schwung von von Männern “selbst gestrickten” Seiten, von Arztpraxis bis Schützenverein, da ist oft nichts mit grau in blau. Oder schau mal bewusst, wie viele verspielte Designerseiten es gibt, hinter denen Männer stehen (auf mich wirken z.B. die webdesignerwall und erst recht das ndesign-studio desselben Autors extrem feminin). Und auf der anderen Seite findest du genügend sehr reduzierte Designs und Farben bei Seiten von Frauen (Beispiel sprungmarker).

    Übrigens: Dein Pink ist zwar in der Tat intensiv, aber so klar abgegrenzt und sparsam angebracht, dass man wirklich nicht von extra weiblich sprechen kann. Nur damit wir uns nicht falsch verstehen, mir gefällt Dein Stil! Ich glaube, wir ticken ziemlich ähnlich.

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