Gelesen: Andreas Feiningers hohe Schule

Nachdem ich mir schon vor einem Jahr Feiningers große Fotolehre gekauft hatte, habe ich mir kürzlich sehr spontan auch die “Hohe Schule der Fotografie” zugelegt. Eine richtige Entscheidung abseits jeglicher Werke zur Digitalfotografie,  - ein Klassiker

Eine Buchbesprechung? Mehr vielleicht ein Plädoyer dafür, sich  bei Gelegenheit auch mal  eines der alten Standardwerke “reinzuziehen”.

Gut möchte man meinen, ein Buch mit Erstauflage 1961 hätte heute längst ausgedient. Wer so denkt, liegt falsch und das gilt auch für die große Fotolehre.

Feininger selbst braucht man nicht rühmen - aber vielleicht sollte man das Lesen dieser alten Standardwerke wieder etwas schmackhafter machen. Hier geht es “Back to the Roots”, hier kann man die Theorie des Fotografierens wirklich lernen.

Wer sich heute eine digitale Spiegelreflex zulegt, ist ja leicht geneigt, einfach mal zu machen und irgendwann ein bisschen zu experimentieren. Die Kameras bieten eine Menge Funktionen und Programme, so dass für jeden irgendwas dabei ist. Die Theorie hinter dem Fotografieren steht da gerne etwas im Hintergrund,  - ein falscher Effekt, denn daran hat sich nicht wirklich viel geändert. Was noch dazu kommt, sind tolle Programme wie Lightroom, Aperture oder Photoshop, die einem zum einen helfen, noch das Letzte aus einem Foto zu holen, zum anderen aber auch, es über die Maßen zu manipulieren.  Glaube keinem Foto, das du nicht selbst geschossen hast, möchte man da eigentlich sagen - und macht begeistert mit, einfach, weil es Spaß macht.

Was Feininger heute sagen und wie er fotografieren würde, können wir nur mutmaßen.  Er starb 1999. Ein bisschen Verständnis aber schwingt bei mir beispielsweise schon mit, wenn ich Fotografen wie eher verständnislos(?) über die Digitalisierung der Fotografie reden höre - vielleicht sind wir alle im ersten Schritt erstmal nicht so richtig ernst zu nehmen?

Ich habe viel gelernt von Feininger. Theoretisch - ist klar. Da ist die große Fotolehre wirklich perfekt. Umfangreich und detailgenau. Wer sich später dann doch die hohe Schule der Fotografie (die ausdrücklich nicht als Anfängerwerk ausgewiesen ist) ansieht, wird einiges wieder finden. Übrigens sind auch die “Laborkapitel” durchaus interessant. Es ist das eine, mal schnell ein paar Regler im Programm zu verschieben. Das Wissen um das, was früher von Hand gemacht werden musste, hilft enorm, um einfach etwas “ehrfurchtsvoller” zu denken und auch das “digitale Negativ” zu überdenken. Vor allem aber habe ich gelernt, meinen Blick aufs Motiv zu hinterfragen. Nicht, dass das immer klappen würde oder immer haltbar wäre. Allein das Wissen um einiges, das Feininger schon in der Fotolehre zum fotografischen Blick schreibt, sollte man im Hinterkopf haben - und drückt dann nicht immer ab, wenn einem danach ist.

Die hohe Fotoschule geht einen Schritt weiter und beschäftigt sich im zweiten, leider aus Druck-Sicht nicht sonderlich qualitativ hochwertigen, bebilderten Teil vorwiegend mit Gestaltungsmitteln. Wie steht der Fotograf zum Motiv? Wie wirkt sich das auf den Bildaufbau aus? Welche Eigenschaften hat Licht? Mit welchen Methoden kann man Schärfe und Kontrast beeinflussen? Wie kann Raum auf unterschiedliche Weise dargestellt werden? Wie ist es mit Bewegung und wie ist es mit Zeit? Viele interessante Themen, mit denen der Fotograf, auch der Hobbyfotograf jeden Tag konfrontiert ist - viele Antworten auf Fragen, die er aber vielleicht gelegentlich schlicht nicht wahrnimmt? Hier ist alles übersichtlich und plausibel dargestellt. Mehr noch zeigt Feininger, wie man mit/am Motiv und der Situation spielen kann.

Was mir aber besonders gut gefällt - und das ist der große Unterschied zu vielem, was man in bunten Hochglanzbüchern zur Digitalfotografie, insbesondere aber häufig im Internet findet - ist die Tatsache, dass Feininger seine Überlegungen an ganz einfachen Beispielen, sprich Fotos, festmacht, die trotzdem und nochdazu “mal schnell hingedruckt” noch Spaß machen. Manchmal ist man fast ein wenig verwundert, wie simpel… und genau das ist genial. Und das macht dann wahrscheinlich Feininger auch aus.

Hoffentlich hab ich dem ein oder anderen Lust gemacht? Würde mich freuen. Das Buch ist mit knapp 9 Euro auch wirklich mehr als erschwinglich. Ich habe bisher in andere (analoge) Standardwerke nur reingeblättert - daher kann ich kaum Alternativen nennen. Aus meiner Sicht ist man mit den beiden Feiningers allerdings wirklich “komplett”. Wer also an Theorie und den Basics interessiert ist, sollte sich neben Werken zur Digitalfotografie auf jeden Fall mindestens eines dieser Bücher zulegen und immer mal wieder nachlesen. Ich glaube, man kann heute trotz aller digitalen Tricks und Finessen immer noch wertvolle Anregungen rausziehen und einiges lernen.

Ich weiß übrigens nicht, warum das Foto oben oft als Ausschnitt zu sehen ist - ich finde vor allem diese Variante wirklich bemerkenswert.

Andreas Feininger
Die hohe Schule der Fotografie
Heyne (2009)

 

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