CMS Auswahl ohne Favoriten

Gerrit van Aaken scheint mit seinem Beitrag zum ein wichtiges Thema aufgeriffen zu haben. Es wird vor allem eines klar: das Subjektive, das er schon in die Überschrift packt, ist das Kasus knacksus.

Liest man sich die Kommentare zum Thema durch, so wird die Auswahl der subjektiv besten Content Management Systeme eher länger als kürzer, wobei die Begründungen variieren, dazwischen mischt sich die Idee der Eigenprogrammierung, deren Sinn sich mir immer noch nicht recht erschließen mag. Hilft das? Nein.

Warum ich nicht für die “code it yourself” Lösung bin

Es fiel dort die Zahl von ca 800 Systemen, ich beschränke mich mal auf die PHP Welt, wobei ich nicht weiß, wie viele das sind. Es gibt eine Menge davon, soviel ist klar.

Wer heute ein begnadeter Programmierer ist, mag sein CMS selbst programmieren und dabei theoretisch alle Mängel aushebeln können, die andere Systeme eventuell mitbringen. Alle wird er nie erwischen. Und die erste Idee zum Selbermachen entsteht, da könnt ihr mir alles erzählen, aus einer individuellen Anforderung heraus und wächst dann sukzessive weiter. Und sicherlich sucht man sich da auch bereits bekannte Ansätze als Basis für das eigene CMS. Da man nie alle dieser unzähligen Systeme getestet haben kann, stehen die Chancen ziemlich gut, dass auch ohne Inspirationsquelle die Idee nicht neu ist.

Geschickter wäre es in meinen Augen ein bereits fast perfektes Produkt zu unterstützen. Durch Verbesserungen am Core oder durch nützliche bzw. ausgereiftere Erweiterungen. Eine Community bringt immer die Sicherheit der Nachhaltigkeit und Weiterentwicklung und damit auch die Chance für Verbesserungen. Bei einer kleinen Eigenproduktion ist diese Sicherheit nicht gegeben.

Diese (mangelnde) Sicherheit betrifft in diesem Fall weitestgehend den Kunden. Der bekommt vielleicht zunächst genau das, was er braucht und ist hochzufrieden. Er wird sicherlich noch zufriedener, wenn Änderungen und Erweiterungen schnell programmiert sind, denn Coder kennt schließlich seinen Code. Gleichzeitig ist er damit aber auch an seinen Dienstleister gebunden. Hat der irgendwann keine Lust mehr, hat der Kunde ein Problem. Das eigene CMS ist damit eine hunderprozentig proprietäre Lösung.

Warum das Bauchgefühl so wichtig ist

Jeder, der schon mal kommerziell eine Website erstellt hat, wird bald wissen, wo die gängigen Anforderungen liegen. Da gibt es welche auf technischer Seite, aber vorwiegend natürlich auf funktionaler Seite. Ich meine hiermit nicht die Spezial Applikation sondern Grundfunktionen.

Beginnt man bei Null, so wie es Gerrit van Aaken vorschwebt (ich weiß nicht, wie er das bisher gemacht hat, aber das Problem ist natürlich auch mir als CMS Wechsler mehr als bekannt), dann bleiben bei Tests auf und anderen im Idealfall noch eine Handvoll Systeme übrig, die es sich lohnt anzusehen. Mein Tipp ist dabei aus bekannten Gründen, sich nicht nur das anzusehen, was derzeit in aller Munde ist.

Man muss die Systeme installieren, auch wenn es 10 Stück sind. Man muss sich das Ganze ansehen, muss an den Basics rumprobieren und ich bin mir ganz sicher, dass es mit der Chemie stimmen muss zwischen einem CMS und einem selbst. Das ist ganz einfach: man hat selbst seine Idee, von dem, was man verkauft und wie man es verkauft. Die eigene Philosophie.
Und da müssen die Werkzeuge eben auch dazu passen. Alles aus einem Guss. Wenn einem das Werkzeug nicht gefällt, auch wenn es zum Großteil funktional den Ansprüchen genügt, dann kann man das auch nicht guten Gewissens weiterverkaufen. Dann nämlich stimmt es wahrscheinlich an anderer Stelle nicht und beeinflusst dabei den ersten Eindruck: Bedienung, Modell und Konzept oder irgendetwas anderes. Umgekehrt wird ein System, bei dem genau die Faktoren stimmen, die einem selbst wichtig sind, einen positiven Eindruck hinterlassen, den man genau so an den Kunden weitergeben kann: Begeisterung!

Wenn also das Bauchgefühl klar “Nein” sagt, obwohl der Rest der Welt so begeistert ist, so lohnt sich sicherlich noch ein zweiter Blick, aber dann muss es auch schon passen.

Oder wären wir mit der Philosophie wieder bei Marke Eigenbau?

Ein kleines Beispiel: TYPO3 hat mir noch nie gefallen. Unübersichtlich, alles viel zu klein, für mich undurchschaubares Konzept. TYPOlight wirkt an einigen Stellen ähnlich (nein, es gibt hier keinen Grund, denn die beiden haben wirklich nichts miteinander zu tun, außer dass Herr Feyer wohl in einigen Aspekten meine Meinung zu TYPO3 geteilt haben mag). Und da lernte ich plötzlich Prinzipien verstehen und lieben, die auch TYPO3 mitbringt. Hätte ich nun endlich ein Anwendungsszenario für TYPO3, so würde ich es sofort einsetzen und dann würde wohl auch mein Bauchgefühl in die richtige Richtung lenken.

Community

Meine Erfahrungen mit der Joomla Community waren ja nun nicht gerade die besten. Bei Joomla und Forensupport denke ich heute unwillkürlich an Feuerwehr oder an Party. Sehr schade. Trotzdem ist die Community so wichtig und ich weiß inzwischen, dass es auch anders geht.

Es macht Spaß, sich selbst einzuarbeiten und ich halte es für unabdingbar, sich den Code eines CMS mal eingehend angesehen zu haben, trotzdem muss man nicht mit allem Zeit vertrödeln, kann selbst Wissen weitergeben und theoretisch bringt die Community auch mit, dass sich ein System weiterentwickelt. Die Community trägt also als Ganzes aktiv durch Weiterentwicklung oder weniger aktiv durch Feature Requests zur Optimierung bei. Ein gutes Entwicklerteam nimmt sich den Wünschen der Nutzer an.

Übrigens können in meinen Augen auch kommerzielle Lizensierungsmodelle zur Qualitätssicherung beitragen: so wird der Nutzerkreis eingeschränkt, die Supportforen werden zu einer wirklichen Hilfe anstatt zu einem Pool zum Teil ziemlich nutzloser Fragen. Man hilft dann auch lieber mit.

Noch ein Punkt übrigens, was eine Eigenentwickung nur schwer leisten kann, denn hier ist der Input der Masse wesentlich geringer.

Warum ein Einkaufswebsite so schwer zu realisieren ist

Das wurde wahrscheinlich schon klar. Zum Hintergrund wurde zusätzlich zu Angeboten wie CMS Matrix innerhalb der Kommentare auf Prägnanz gewünscht, eine detaillierte Vergleichsmöglichkeit zu bekommen.
Es gibt wenige Leute, die objektiv urteilen können. Nicht weil sie es nicht könnten, sondern aus Befangenheit.

Man wird bei vielen Systemen nicht umhin kommen, sich mehr als eingehend damit zu beschäftigen. Code lesen, Foren ansehen, vielleicht auch mitschreiben, Support bieten und so weiter. Communityarbeit eben, mit dem Fokus auf Arbeit. Das für mehrere Systeme leisten zu können, ist schon fast unmöglich. Man wird sich immer einem System im Besonderen verschreiben. Wenn also einige oder auch mehrere Profis sich zu verschiedenen Systemen äußern, dann wird es so ähnlich gehen wie bei mir: ich kann kaum objektiv bleiben.

Trotzdem fände ich eine unabhängige und etwas detailliertere Vergleichsmatrix enorm begrüßenswert, denn eines halte ich nach meinen Joomla Jahren dann doch wieder für fatal auf der anderen Seite: eben jene Spezialisierung. Ein Teufelskreis also.

Und komme zu dem etwas unbefriedigenden Ergebnis, dass so ein Versuch nur unter einem kommerziellen Mäntelchen möglich wäre bzw. unbefangen ohne jegliche Verbindung zu irgendeiner Community.

Ich bin an dieser Stelle übrigens gespannt auf die Ergebnisse des Packt Award. Denn dessen Gewinner werden ja von den Communities mitbestimmt und hier vermute ich mal das Prinzip: Wer am lautesten schreit, ist der Sieger.

 

4 Antworten zum Beitrag “CMS Auswahl ohne Favoriten”

  1. am 29 Sep 08 um 20:05 meint

    Genau dieser Kasus-Knacksus macht deutlich, wie wichtig eine sauberer Evaluation von Optionen ist. In größeren Projekten, oder wenn es um eine Zukunftsentscheidung im Unternehmensumfeld geht, muss man seine konkreten Anforderungen genau kennen. Aber auch im kleineren Rahmen, bis hin zum persönlichen privaten Projekt kann man mit einem Anforderungskatalog arbeiten. So sollte man den Favoritenkreis deutlich einschränken können. Auf zwei bis drei Systeme. CMS-Matrix ist übrigens ein guter Einstiegspunkt, mit dessen Hilfe man schnell viele Alternativen ausschließen kann, um sich dann auf weniger Kandidaten konzentrieren zu können.

    Und dann kommt evtl. sogar noch das von Dir angesprochene Bauchgefühl ins Spiel.

    Wem vorschwebt, was eigenes zu stricken muss zu viel Zeit haben. Oder aber man sollte dabei noch weitreichendere Hintergedanken haben. Nämlich dann diese Eigenentwicklung irgendwann dem Markt zur Verfügung zu stellen (kostenlos oder -pflichtig sei hier mal außen vor). Also auch mit dem Gedanken spielen, irgendwann mal selbst Systementwickler und -anbieter zu sein.

    Die Community spielt eine mit entscheidende Rolle. Bei Fragen findet man bei stark verbreiteten Systemen wohl schneller Hilfe und Anregungen. Auf dem Markt sind Entwickler und Agenturen eher leichter zu “beschaffen”.

    Zu Gerrits Eintrag muss man sagen, dass dieser in sich schon sehr interessant ist. Nicht nur sucht er ein System. Vielmehr spricht er über seine Für und Wider und die anschließende Dikussion ermöglicht gleichzeitig eine Orientierung für andere. Er beginnt seine erste Evaluationsphase öffentlich. In dieser Hinsicht ein sehr interessanter Beitrag von ihm.

  2. am 29 Sep 08 um 20:26 meint

    Anne-Kathrin

    Ich empfinde es als etwas schade, bisher nicht konkret erfahren zu haben, wo denn nun die Motivation der “do it yourself” Leute ist.
    Du hast vollkommen recht damit, dass eine eingehende Evaluation unabdingbar ist. Mit dem Wissen darum, wie es zu Eigenentwicklungen kam und was denn da nun fehlte, könnte man bestehenden Lösungen besser auf den Zahn fühlen. Gute Entwicklerteams orientieren sich in meinen Augen ebenfalls an sowas.

    Ich hoffe, die Diskussion bei Gerrit geht noch etwas weiter. Wenn ich auch sagen muss, es ist schwierig, in der Anzahl der Kommentare den Faden nicht zu verlieren.

  3. am 29 Okt 08 um 16:12 meint

    Hallo,

    ein wirklich spannender Beitrag. Ich selbst beschäftige mich sehr viel mit dem Themenfeld Content-Management-Systeme und habe mir auch einmal die Mühe gemacht, einen Beitrag zum Thema “Pflichtenhefterstellung für ein CMS” zu schreiben. Zwar lag hier der Fokus mehr auf kommerziellen Content-Management-Systemen, doch vielleicht hilft der Artikel denen, die sich mit der Auswahl einer CMS-Lösung beschäftigen. Hier der Link:

    Gruß

    Matthias Steinforth

  4. am 29 Okt 08 um 17:11 meint

    Anne-Kathrin

    Danke für den interessanten Link, das werde ich mir auf jeden Fall noch genauer ansehen.
    Ein Satz stößt mir jetzt schon ins Auge “Bei der Erstellung eines umfangreichen Pflichtenheftes sollten Personen aus unterschiedlichen Abteilungen mitwirken” -hier liegt oft das Problem zwischen Theorie und Praxis.

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