Neu auf meinem Schreibtisch: About Face
Neu auf meinem Schreibtisch: die frisch erschienene deutschsprachige Version von “About Face 3 The Essentials of Interface Design” von Alan Cooper et al. - der dritten Auflage eines Interface und Interaction Design Klassikers, der als “About Face” erstmals 1995 erschien und bereits 2003 als “About Face 2.0″ überarbeitet wurde.
Ich muss zugeben, dass Alan Cooper für mich in der Welt der Interface Designer, Konzepter und Ideenfinder etwas unterging, neben all den Größen, die uns sonst so unterkommen. Schade, denn sicherlich hätte man bereits mit der Erstauflage ein interessantes Referenzwerk zum Thema Interface und Interaction lesen können. Über Alan Cooper, den Hauptautor, findet man dann auch nicht sonderlich viel: er ist vor allem Buchautor und Inhaber von “Cooper”, einem Unternehmen aus Palo Alto, der als Autor vielleicht auch mangels Übersetzungen im deutschsprachigen Raum nicht so recht wahrgenommen wurde.
“About Face 3″ ist die erste deutschsprachige Übersetzung des Werks: 500 Seiten gespickt mit Information und Wissen, locker geschrieben, aber durchaus anspruchvoll. Ein Referenzwerk für alle, die wissen möchten, was es (mindestens?) zu beachten gilt.
Die Grundlagen: Goal Directed Design, User und Personas
Im Mittelpunkt: das “Goal Directed Design”, eine Begrifflichkeit, die die Übersetzer dann auch so stehen lassen: Im Gegensatz zu dem von Don Norman vorgeschlagenen Activity Centered Design (ACD), das, wie der Name bereits vermuten lässt, die Aktivitäten (und Aufgaben) eines Benutzers in den Mittelpunkt stellt, um Design-Konzepte zu entwickeln, geht Cooper mit der von ihm entwickelten Ansatz etwas weiter: das Ziel, so Cooper, sei als wesentlicher Faktor mit einzubeziehen, weil es die Frage nach dem Warum beantworten kann und zeitlich unabhängiger ist.
Ein großer Teil des Buchs widmet sich dem Thema Personas. Hier wird noch einmal aufgerollt, was sich hinter dem ein oder anderen Begriff eigentlich verbirgt, hier werden aber auch Modellierungsprozesse vorgestellt. Alles in allem also eine solides Basis für alle, die sich mit Usern und Personas auseinandersetzen möchten, egal ob sie es mit dem Design einer Software oder einer Website zu tun haben.
Coopers “About Face” bringt uns in vielerlei Hinsicht zurück zu den Anfängen: hier geht es um Grundsätzliches und nicht um Designfragen der neuesten Technologien. Es geht um die Umsetzung seiner Idee, des Goal Directed Designs, und ebenso um die Umsetzung eines Prozesses. Ein eher theoretisches Buch also. Manch einer mag das für eine Hypothek eines 15 Jahre alten Klassikers halten, ich halte genau das für einen Gewinn: Es gibt Theorien und Designkonzepte, die richtig schön zeitlos und allgemeingültig sind. Und es gibt auch Probleme und Hürden, die trotz technischer Weiterentwicklung an Zeitlosigkeit nicht verloren haben und Nutzer nach wie vor belasten.
Nicht mit allem, was Cooper schreibt, kann ich uneingeschränkt mit. Insbesondere das immer wiederkehrende Beispiel zum “Speichern eines Dokuments” enthält meines Erachtens dann doch zum Teil provokante, ja sogar spitzfindige Usability Bemerkungen. Andererseits aber zeigt es dann auch, dass seine ja seit 1995 bestehende und damit nicht neue Kritik immer noch aktuell ist und offenbar bisher nicht sonderlich gefruchtet hat: einige dieser typischen Bestätigungsdialoge, die wir da tagtäglich mit “OK” quittieren müssen, sind wirklich, wirklich schlecht gemacht.
Sehr schön gemacht finde ich die über das Buch verteilten “Designprinzipien”: kurze, knackige, am Beispiel hergeleitete Merksätze, die es auf den Punkt bringen und genau diese Allgemeingültigkeit widerspiegeln. Am Ende werden die auch im Anhang noch einmal zusammengefasst und wirken so ohne Kontext fast noch einmal prägnanter.
Kritik
Vielleicht hätte Cooper gut daran getan, sich bei seiner Neuauflage bei der Auswahl der Beispiele gleichzeitig auch ein bisschen auf neue Devices, Technologien und Trends einzulassen und irgendwie fehlt mir das dann ein bisschen in den Abbildungen, die mir persönlich zu Office-lastig sind. Die Allgemeingültigkeit der angesprochenen Design-Prinzipien ist zwar nach wie vor gegeben, auch liegt Coopers Fokus ganz bewusst nicht auf technologischer Entwicklung sondern vielmehr auf psychologischen Aspekten.
Hätte er der technologischen Entwicklung der letzten Jahre jedoch ein bisschen mehr Rechnung getragen und mehr Raum gegeben, hätte er der Neuauflage nach sieben Jahren vielleicht ein bisschen mehr frischen Anstrich und Pep verpassen können. So gesehen könnte ich mir gut vorstellen, dass dieses Buch vor allem Software Macher anspricht und die Welten des Internets ungewollt etwas außenvor lässt, obwohl sich auch hier einiges lernen und rekapitulieren lässt.
Alles in Allem
Man mag sich fragen, ob Bücher wie dieses heute noch aktuell sind. Cooper spannt den Bogen von den Anfängen (und 1995 war wohl aus heutiger Sicht noch sowas wie ein Anfang) bis heute und bietet mehr als Grundlagenforschung. Wer dieses Buch aufmerksam durchgelesen hat, kennt das interessante Prinzip des Goal-Directed Design (eine Sache, die es sicher lohnt, noch weiter unter die Lupe genommen zu werden) und gewinnt unter einem amüsanten, immer wiederkehrendem “sich selbst und seine Kunden” Wiedererkennungseffekt eine solide Basis für die Entwicklung benutzerfreundlicher Software-Produkte.
Ein (nach wie vor?) lesenswertes und inspiratives Buch mit umfangreichen Informationen und Tipps für alle, die Software entwickeln, aber durchaus auch für die, die sich vorwiegend mit Webentwicklung auseinandersetzen, - klassische Probleme bleiben einfach bestehen. Wer meint, das sei inzwischen alles längst überholt und sowieso “total klar”, liegt falsch. Coopers Buch zeigt genau das wirklich schön.
Ich persönlich würde es jetzt gerne noch im Original lesen, manche Übersetzung lies mich ein wenig stutzen und so wäre es doch interessant zu wissen, wie der Autor es tatsächlich gemeint haben könnte.
Alan Cooper, Robert Reinmann, David Cronin
About Face: Interface und Interaction Design
mitp Verlag (2010)