Rezession: Würden Sie es immer noch tun?

Neulich fragte mich jemand, ob ich mich denn angesichts dieser wirtschaftlich schlechten Zeiten, immer noch selbstständig machen würde oder ob ich die Selbstständigkeit einer Festanstellung vorzöge. Trotz allen Bergabs.

Naja, so ganz leicht ist mir die Antwort nicht gefallen und ich weiß auch nicht, ob sie was mit der Rezession zu tun hat. Ich denke eher, sie hat mit mir zu tun. Um es kurz zu machen: Ja, ich würde es wieder tun und ich belasse es gerne so.

Gelegentlich, da überlege ich mir, wie schön das wäre in der Sicherheit einer Festanstellung. Die Rente ist zwar, naja, nicht unbedingt gesichert, das Einzahlen in den Topf gibt einem aber die trügerische Sicherheit, das ginge dann schon so in Ordnung. Nebenher tut man ja auch noch was für die Altersvorsorge. Und dann Arbeitslosengeld. Welch tolle Sache zu wissen, nicht sofort in Hartz IV Abgründen zu landen, wenn es dann doch irgendwie schief gehen sollte mit dem festen Job. Festanstellung gibt das Gefühl von Sicherheit und Sicherheit ist etwas, das sehr gut tut und für viele Menschen eine existenzielle Sache ist. Und jetzt, wo es wirtschaftlich nicht zum Besten steht, ist gerade diese Sicherheit etwas, was das Leben bestimmt um einiges leichter machen kann.

Ich habe als Freiberuflerin eigentlich kaum Sicherheit. Das, was ich in sämtliche Worst Cases investieren kann, ist geringer als ich es vielleicht mit einer Festanstellung könnte. Das, was mir eventuell bevorsteht, wenn alle Stricke reißen, ist nicht sonderlich erstrebenswert. Erst vor kurzem beispielsweise ist mein jahrelang “behüteteter” Arbeitslosenanspruch dann endgültig verjährt.

Eigentlich Wahnsinn, oder? Mag zumindest der mit dem Sicherheitsdenken sagen und der ohne Kinder vielleicht.

Ich gewinne durch mein Freelancerdasein. Ich habe Freiheiten, die ich anderenfalls nicht hätte. Insbesondere kann ich meinen Kindern gerecht werden.

Mit dem hiesigen Kindergarten käme ich beispielsweise nicht klar. Der schließt nämlich um 16.30 Uhr. Jeder kann sich ausrechnen, dass es schwierig ist, bei einem Fulltimejob noch 15km zu fahren, um pünktlich um halb fünf vor dem Kindergarten zu stehen. Ich bräuchte jeden Tag, insbesondere am Freitag, eine weitere Person, die sich gesichert kümmern würde. Oder einen anderen Kindergarten. Wie die sich das vorstellen, bleibt mir ein Rätsel. Ich habe mich mit dem Freelancerdasein den Gegebenheiten angepasst.

Ich kann auch die Kinder aus der Schule holen. Viel davon nimmt mir meine Mutter ab, das ist toll. Aber ich weiß, sie weiß, dass ich auch kann.

Ich kann mir in den Ferien weitestgehend Zeit freischaufeln. Nicht natürlich sechs Wochen im Sommer, aber ein bisschen geht da schon.

Alles in Allem: ich habe Zeit für die Kinder, natürlich auch den Hund und auch für mich. Ich weiß, was ich  arbeiten muss, um das Ganze geregelt zu bekommen und ich habe immer die Option, einen Zahn zuzulegen, wenn es nötig ist.

Und ich glaube, meine Entscheidung für meine Familie war damit auch die Entscheidung für meine Selbstständigkeit und ist es immer noch. Ich könnte ihnen anderenfalls nicht gerecht werden, nicht so, wie ich es gerne hätte.

Leicht ist das nicht, denn neben dem “Geld verdienen” gibt es auch Zeitpläne, die eingehalten werden wollen (das typische zeitliche Auf und Ab des Freelancen also, diese zeitliche Gratwanderung) und vielleicht zahle ich eines Tages einen hohen Preis. Aber vielleicht wird einfach auch nur alles irgendwie gut.

Irgendwann sagte mir mal jemand, es ginge in meiner Situation so als alleinerziehende Mutter mit drei Kindern, ja gar nicht anders. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: ich habe gelernt mich durchzubeißen und das ist gut so und macht auch weniger Angst vor “schlechten Zeiten”.

Derzeit also klares Ja zur Selbstständigkeit. Aber vielleicht sieht das ja morgen auch wieder anders aus? Mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten hat das eigentlich weniger zu tun. Ich versuche, das Beste draus zu machen. Und ich habe gelernt, meinen eigenen Weg zu gehen und Lösungen dafür zu finden, wie ich Familie und Kinder unter einen Hut bringe. Das ist wahrscheinlich das Entscheidende…

 

3 Antworten zum Beitrag “Rezession: Würden Sie es immer noch tun?”

  1. am 15 Mai 09 um 12:41 meint

    Verena

    Mit einer Selbstständigkeit als Webentwicklerin vier Personen zu ernähren ist schon ein ganz großes Abenteuer und wenn ich sehe, mit wieviel Freude und Engagement du hier Impulse weitergibst und deine Erfahrungen teilst, dann kannst du wirklich sehr, sehr stolz auf dich sein, wie du das alles schulterst! Also, das musste mal gesagt werden ;-)

    Bei der Selbstständigkeit empfinde ich, dass es enorm viel Spaß macht, irgendwie grundlegender verantwortlich zu sein. Von daher würde ich dieses klare JA auch so sagen. Die Frage ist aber, wie eine Anstellung denn aussieht - in DER Branche und in DIESER Zeit. Da mag es Branchen geben, in denen es durchaus spannende Aufgaben in der Festanstellung gibt … Aber in manchen Branchen versucht man es besser selber. Hättest du dir ohne Kinder denn eine Festanstellung gesucht? Gab es gute Angebote, die nur am Zeitmanagement scheiterten?

  2. am 15 Mai 09 um 12:51 meint

    Anne-Kathrin

    Was hier fehlt ist sicherlich - und das ist etwas Wesentliches: mein Spaß an der Freiberuflichkeit.
    Daher würde ich es ohne Kinder vielleicht auch gemacht haben.
    Aber weißt du, ich habe Kinder seit meinem ersten Semester an der Uni. Aus dem Grund kann ich mir Arbeiten ohne Kinder gar nicht vorstellen ;-)
    Ich weiß nur, dass ich damals, als ich noch an der Uni gearbeitet habe, echt Glück hatte mit meinem Job. Ich war sehr flexibel (Herzlichen Dank an meinen damaligen Chef!).
    Irgendwann hätt ich mal bei einem Unternehmen anfangen können, das inzwischen zu Conti gehört (und hab es nicht getan, zum Glück). Dort habe ich schon gemerkt: wir sind inzwischen familiär anders organisiert. Es war kaum zu stemmen und daher war auch klar, dass ich das nicht machen will. Neben einigen anderen Gründen.

    Das Problem ist ein anderes… mit den Angeboten. Ich könnte einiges machen, wenn ich räumlich flexibler wäre. Und das würd ich dann auch machen: mal 6 Monate hier oder da. Ich wäre auch sicher nicht in Regensburg… ;-)
    Aber die Kids werden größer und dann sieht vielleicht wieder alles anders aus.

    Danke für die Blumen - das wollte ich natürlich unbedingt sagen!
    Ich weiß nicht, ob ich stolz auf mich bin. Vielleicht ist es gut so, dass ich das nicht mal weiß. Meiner Mutter gebührt auf jeden Fall mein Dank - denn ohne sie könnte ich total einpacken. Das muss ich mal loswerden :-)

  3. am 15 Mai 09 um 14:33 meint

    Verena

    Ja, das hatte ich mir auch schon gedacht, dass da das soziale Umfeld stimmt und dafür kann man nicht genug dankbar sein. Auch die Kinder müssen gut drauf und alle einfach bereit sein, aus der Situation das Beste zu machen.

    Im Übrigen bin ich sicher, dass es immer normaler werden wird, nicht so einen nine-to-five-Job auszuführen, sondern Arbeitszeit flexibel zu gestalten, Home Office, etc. Also, dass mehr die Ergebnisse angesehen werden als die Zeit der Anwesenheit. Diese Tatsache kombiniert mit deinen größer/unabhängiger werdenden Kindern, das könnte eine gute Sache werden. :-)
    Viele Grüße aus Potsdam!

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