Der liebe Text

Heute kam irgendwann über Twitter die nach “Content Usability”. Naja, so richtig vorstellen konnte ich mir darunter erstmal nichts. Schriftgröße und andere Faktoren sind ja schon weitestgehend besprochen, das war mir erstmal zu naheliegend. Aber eine Meinung hab ich natürlich schon dazu - in dem Fall eine intuitive.

Und dann die Frage, ob ich schon mal einen Text aufgrund von Unleserlichkeit missachtet hätte. Da kann ich einfach nur Jein sagen, aber was ist überhaupt Unleserlichkeit im Internet?

Die Schwierigkeit der deutschen Sprache

Ist das alles so schwer? Mein erster Impuls war Qualität. Klar, ich vergess auch mal ein Wort, bring auch mal einen Buchstabendreher rein. Meine Grammatik ist nicht immer korrekt, das ist aber dann auch meist so beabsichtigt. Und sicher würde mir auch Herr Sick so einiges erzählen über die korrekte Steigerung von Adjektiven oder die Nicht Verwendung von Sinn und Unsinn. Auch die Deutschlehrerin meines Sohns würde mich der bösesten Umgangssprache bezichtigen. Aber ich schreibe Standard nicht mit “t”, beherrsche die Regel mit dem “scharfen s” und kann einen Relativsatz korrekt mit “das” oder “dass” einleiten, je nachdem. Desweiteren haben ein paar Kommata (uff ja, die Kommaregeln…) an der richtigen Stelle noch keinem Text geschadet und ein vernünftiger Satzbau ebensowenig.
Zugegeben, das ist ein bisschen provokant, aber leider auch ein bisschen wahr…

Rechtschreibung und Sprache - hängt doch irgendwie zusammen. Und so bin ich denn auch rigoros und voreingenommen: wer die deutsche Sprache nicht beherrscht, kann auch inhaltlich nicht so sonderlich für voll genommen werden. Oder doch? Ich klick das jedenfalls weg. Mich wundert gleichzeitig übrigens, wie diese ganzen sprachlichen Unzulänglichkeiten dann doch in der totalen Selbstverständlichkeit immer wieder mal zu lesen sind. Wie gesagt: alles kann mal passieren, zieht sich das aber durch ein Blog oder eine Website wie ein roter Faden, dann läuft hier definitiv was falsch. Leute, wozu gibt es einen Duden!? Ich finde es eigentlich ganz spannend und  legitim, dort nachzuschlagen.

Meist wirkt nämlich auch schnell der Inhalt flach und fahl, gerne vergeht einem da schlicht die Lust aufs Lesen. Durchquälen mag sich da wahrscheinlich nur noch der, der irgendeine Information sucht, die anderswo nicht zu finden ist. Dass Seriosität und Kompetenzanspruch schon bei der Form beginnen, scheint sich mancherorts noch nicht so recht herumgesprochen zu haben.

Business: der etwas andere Text. Etwas anders und das muss ich vielleicht noch dazu sagen, verhält es sich mit “Business Text”.  Hier sind zwar die sprachlichen Katastrophen nicht so breit gestreut, dafür aber die unmöglichsten Werbeslogans. Phantasielos, abgelutscht, unverständlich, während sich genau diese Phantasielosigkeit dann auch in der gesamten Aufmachung zeigt auf der einen Seite. Plump und betont lifestylig mit ebenso penetrantem Layout auf der anderen Seite. Die seriöse Liga gibt sich betont sachlich und argumentiert mit Begrifflichkeiten, die entweder keiner mehr hören mag oder niemand versteht, die moderne hingegen ist oft nicht präzise genug.

Das Mittelding, ja vielleicht auch genau das, was wir eigentlich bräuchten: Hang zur Individualität und Mut zum Anderssein, trifft man hingegen selten.

Unleserlich - was könnte das sein?

Mein persönliches Empfinden von Unleserlichkeit liegt dann auch weniger an der Formatierung und Aufmachung eines Textes. Unleserlich könnte heißen: zu kompliziert (nicht zu verwechseln mit anspruchsvoll), zu seicht, zu falsch oder auch zu einseitig.

Natürlich gibt es aber auch Formatierungsmacken, die einen Text unleserlich machen.

Schriftgröße ist das eine, insbesondere gepaart mit Schriftart und Zeilenabstand. Auch ohne großes typographisches Wissen, sind gefühlte 3 Pixel einfach zu klein.
Absätze und Textstrukturierung sind das andere. Wer liest beispielsweise entspannt ein Buch, in dem es seitenweise keinen Absatz gibt? Das ist anstrengend und oft nur mit dem Wissen um den intellektuellen Anspruch des Autors überhaupt zu ertragen. (mitlesende Germanisten dürfen sich gerne echauffieren, aber ich denke, da ist was Wahres dran, auch wenn das niemand gerne offen zugibt).
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt ist der Satz an sich. Für mich sind viele Diskussionen hinsichtlich fließende Layouts hinfällig, wenn es um Text geht. Ein Textbereich darf eine bestimmte Breite einfach nicht überschreiten - das sieht. Er muss rechts und links genug Platz lassen, damit es übersichtlich bleibt.

Aber man verzeiht schon mal, oder? Insgesamt würde ich einem gekonnt geschriebenen Inhalt mit Aussage die ein oder andere Layoutpanne eher “verzeihen” als irgendeinem null und nichtigen “Gelaber”. So kann ich  gelegentlich auch einen in Comic Sans gefassten Artikel ertragen. Ab und zu allerdings kommt mir ein “schade” in den Sinn. Wäre es nicht einfach schön, wenn man diesen gelungenen Text auch optisch noch in Bestform präsentieren würde? Von der gesamten Website ganz zu schweigen. Ganz klar muss man ja sagen, dass die Präsentation des Inhalts meist mit dem Gesamterscheinungsbild einer Seite in Zusammenhang zu bringen ist.

Insbesondere gilt das wahrscheinlich für alles, das mit Werbung zu tun hat. Was mich nicht sofort in seinen Bann zieht, wird weggeklickt. Andererseits empfinde ich es nicht als störend, wenn jemand, der wirklich etwas zu sagen hat, mit einer -nennen wir es mal- schlichten Website daher kommt und seinen Text einfach “runterreißt”.

Und die Missachtung? Ein Beispiel

Hm, da hat mir schon das Wort Missachtung irgendwie Bauchschmerzen verursacht. Missachten kann ich Warnhinweise oder rote Ampeln. Bezogen auf Text würde dies bedeuten, wichtige Informationen zu übersehen oder nicht zu beachten. Das Kleingedruckte wäre da vielleicht ein klassisches Beispiel, auf das wir allerdings getrimmt sind, auch AGBs - wenn man sie denn überhaupt noch lesen möchte.

Ich weiß bis jetzt nicht, ob ich die Frage nun mit ja oder mit nein beantworten soll. Was mir wichtig ist, so stelle ich aus meiner Erfahrung heraus fest, das “kriege ich gelesen”.  Was mir nicht wichtig ist, das lese ich nicht. So einfach ist das. Und was das Missachten betrifft, so sehe ich das eigentlich ähnlich. Fassen wir uns an die eigene Nase, stellen wir vielleicht oft fest, dass wir einfach keine Lust haben, etwas zu lesen, es aber theoretisch natürlich könnten. Wie praktisch, wenn man seine Unlust auf mangelnde Usability schieben kann.

Mir fällt da aber ein Beispiel ein:

Ich hatte kürzlich eine Diskussion über eine sehr umfangreiche und auch sehr informative Website, bei der jedoch mit zunehmendem Inhalt die Benutzerfreundlichkeit deutlich abnahm. Die langen und zum Teil inhaltlich komplexen Texte führten dazu, dass auf mancher Seite um 300 Prozent gescrollt werden musste. Schrift und Textabstand waren seinerzeit für deutlich weniger umfangreiche Texte konzipiert. Insgesamt wirkte jede Seite daher in sich vollgestopft. Eine inkonsistente und semantisch nicht korrekte Nutzung von Überschriften tat das ihre, um die Inhalte eher abschreckend wirken zu lassen.

Leider ging es dabei um eine Seite mit durchaus wichtigen Inhalten, man könnte in diesem Fall also von einer Gefahr der Missachtung sprechen- es wäre mehr als wünschenswert, wenn die Informationen beim Besucher ankämen. Genau das eigentlich auch die Intention des Seitenbetreibers, nur die Botschaft “Usability” vermochte ich einfach nicht so recht anzubringen.

Nachdem ich mich längere Zeit mit der Fragestellung nach einer verbesserten Benutzerführung auseinandergesetzt habe, war klar: hier kann man am Text kaum etwas ändern. Aber es ist möglich, die gesamte Darstellung zu “entschlacken”, in Häppchen zum Thema zu führen und damit das wirklich Wesentliche wieder in den Vordergrund zu rücken.

Was die Usability von Text betrifft, so gilt es als Fazit dieser Geschichte, das gesamte Websitekonzept zu hinterfragen. Oft sind Text und dessen Darstellung untrennbar mit der Informationsarchitektur verbunden.

Und das Fazit

Für mich gibt es ganz klar Informationen und damit Texte, die mich interessieren, weil sie informativ sind oder gut geschrieben. Und dann gibt es Informationen, die würden mich interessieren, - stellen sich aber dann aufgrund diverser Unzulänglichkeiten als uninteressant heraus. Neben der Menge generell unwichtiger Informationen und Texte im Netz…

Wer also Spaß hat am Schreiben, am Lesen und an Sprache (vielleicht auch dem Spiel mit der Sprache, manchmal zumindest), so wie ich, der wird Text wahrscheinlich immer vorwiegend nach sprachlich-inhaltlichen Aspekten beurteilen und weniger nach Layout.

Besondere Beachtung verdienen Text und Information wo sie nicht “just for your interest” oder “just for fun” aufgerufen werden, sondern wirklich wichtige Information beinhalten.

 

Eine Antwort zum Beitrag “Der liebe Text”

  1. am 21 Mai 09 um 14:44 meint

    Du hast ja einen wunderbaren Aufsatz über Content Usability verfasst. Und ja, es hängt alles miteinander zusammen, es ist eng verzahnt: Das Informationsdesign und die Nutzbarkeit von Texten. Es spielt auch die Ästhetik eine gewisse Rolle. Aber dein Beispiel sagt schon vieles. Ein Text kann viel Informationen beinhalten, aber wird er auch gelesen, besonders in dem Medium, in dem er veröffentlicht wurde? Lesbarkeit und Leserlichkeit spielen eine große Rolle in der Usability von Texten. Eine Usability gibt es… da spielen Wortschatz, Wortverwendung, Worthäufigkeit, Textdesign und Aufbereitung eine wichtige Rolle… Danke für die ausführliche Antwort…

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