Unter Müttern

Manchmal würde ich mich ja gerne mal mit Frau von der Leyen unterhalten. Mindestens zwei Gemeinsamkeiten haben wir: wir sind beide Mütter und wir sind beide berufstätig.

Ein gedanklicher Ansatz zu einem Gespräch unter Müttern?

Wir blicken also auf eine Legislaturperiode mit erfolgreicher Familienpolitik zurück. Gemacht von einer mehrfachen Mutter, die sich, so mag es manchmal scheinen, endlich mal für die Familie eingesetzt hat. Nur warum merke ich davon eigentlich nichts? Als Hintergrundinformation, Frau von der Leyen, ich bin alleinerziehend, habe drei Kinder und vergangenes Jahr dann auch noch familienintern einen demenzkranken Menschen versorgt (wissen Sie, was das der Pflegeversicherung, dem Staat oder sonstwem wert ist? Damit kann ich gerade mal den Kindergarten zahlen! -Ja, Sie sollten das eigentlich wissen) Selbstständig bin ich auch noch - nur so nebenbei.

Eines der ersten Dinge, die meine Mutter mir während meiner ersten Schwangerschaft, gerade nach abgebrochenem Chemiestudium im ersten Semester Mathematik, mitgab war: Kriegen ist das eine, haben ist das andere  (und sie meinte damit, wie sehr ich mir meiner Verantwortung für die nächsten 18 Jahre bewusst sein müsste. 15 davon habe ich hinter mir, inzwischen noch gut 13 vor mir, nach dieser Rechnung). Wie wahr!

Nun haben wir dank einer engagierten Familienministerin ein paar neue politische Erfolge, die das Kinderkriegen wieder attraktiv machen sollen. Elternzeit heißt das Stichwort. Und dann noch “Väterzeit” - endlich haben auch die was davon. Der Papa daheim ist nun endlich dank der Politik gesellschaftsfähig geworden. Wirklich? Ich glaube, die haben es ganz schön schwer…. Das ist das Kriegen inklusive der ersten Monate und Jahre, die - reden wir unter Müttern, Frau von der Leyen - doch eigentlich kein Problem sind. Wir wissen doch “kleine Kinder, kleine Sorgen…”, oder?

Und dann? Was ist mit dem Haben? Ich kann kaum Benefits für Eltern von Kindern entdecken, die nicht auch früher schon dagewesen wären. Auch früher habe ich ein paar Monate sowas wie Elterngeld bekommen (auf den Rest habe ich verzichtet, denn ich habe lieber studiert, als mich dann unter die Langzeitstudenten einzureihen und Sozialhilfe zu beziehen - wissend, dass es alleinerziehend nicht so einfach werden würde…). Auch früher gab es für die weniger betuchten, wie ich damals als Studentin, Zuzahlungen zu Krabbelstube und Kindergarten.

Ich hatte dank Alleinerziehendenbonus immer das Glück, sofort einen Kindergartenplatz zu bekommen. Hier vor Ort sind wir für dieses Jahr nicht abgedeckt, einige Kinder mussten abgewiesen werden. Was ich nicht habe, ist eine Betreuung, die mir, wie man so schön sagt, die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf so wirklich ermöglichen würde. Hätte ich einen dieser Stempeljobs, dann wäre ich aufgeschmissen mit meinem hiesigen Kindergarten, der von halb acht bis halb fünf geöffnet hat. Und auch in einer Klitsche mit lauter kinderlosen Freaks könnte ich nicht lange überleben… Und wär der Linus noch im Krabbelstubenalter, dann könnte ich mir die Beiträge nur in einer KiTa leisten, in der Elternengagement bis zum Anschlag gefordert ist. Nun gut, mögen Sie sagen, das sei die “soziale Komponente”, die man den Kindern dann schon schuldig sei. Nein, halte ich entgegen. Von berufstätigen Vätern ohne die zugehörigen, weniger berufstätigen Ehefrauen würden Sie das doch auch nicht verlangen, oder?

Wo bitte also ist die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf? Wo ist mein, mein ganz persönlicher (ja, ich nehme das durchaus ein wenig persönlich!) Bonus dafür, dass ich mich mit drei Kindern, das kleinste damals ein Jahr alt, selbstständig gemacht habe, - nicht nur, aber auch, um dem Staat nicht auf der Tasche zu liegen, insbesondere aber um mir irgendwie zu beweisen, dass es geht? Auch ohne “Familienpolitik”.  Mir fällt gerade ein, dass ich da ja noch einen Beitrag leiste: ich gebe nämlich diese Idee (in)direkt auch an meine Kinder weiter. Nur nicht jammern, anpacken! Leistung statt Abhängen! Eigeninitiative.

Sind wir doch mal ehrlich: die Geschichte mit der Elternzeit ist doch eine super Sache! Mal schnell den Geldbeutel aufmachen und alles ist gut. Wie simpel. Wie verkaufsträchtig. Was das Betreuungsangebot betrifft, so zählt sowieso nur eine Statistik. Nur darf ich Ihnen was sagen? Der Durchschnitt ist mir egal, wenn es bei mir in der Praxis eben anders aussieht! Es ist mir, da ich arbeiten will, vollkommen egal, ob in Berlin oder auch in Neunburg vorm Wald die Statistiken erfüllt sind. Ich kann Kinder und Beruf ausschließlich durch Selbstständigkeit unter einen Hut bringen. Teilzeit könne ich arbeiten? Naja, Sie gestatten, dass ich dann doch mein Studium gerne einbringen würde - und in den Branchen, in denen ich unterkäme, ist Teilzeit einfach nicht sonderlich gefragt. Sie wissen das sicher, oder? Da drängt sich mir die Frage auf, ob wohl Politik und Familie vereinbar wären, ohne zusätzliche private Maßnahmen oder eine gelungene Infrastruktur aus Omas und Tanten? Sie als Medizinerin, Politikerin und Mutter sollten um die Schwierigkeiten eigentlich wissen.

Aber gut, ich will mich nicht beschweren. Ich hab recht früh, schon vor Jahren, gelernt, dass man selbst schauen muss, wo man bleibt. Das einzige, das mir als bitterer Nachgeschmack bleibt ist, dass über das “Kinder haben” nach wie vor fast nur geredet wird. Organisation, Bildung beispielsweise. Stichwort, oder eher Unwort “Bildungsarmut”. Nur passieren tut nicht wirklich viel. Gedankliche, manchmal auch praktische Schnellschüsse (wobei die bildungspolitischen Entscheidungen ja Landessache ist, ich weiß schon…), bei denen ich nicht den Eindruck habe, sie hätten mein Leben und das meiner Kinder irgendwie schöner oder einfacher gemacht.

“Toll, wie Sie das alles hinbekommen” - das höre ich zwar oft, aber trotz allem hat sich gesellschaftlich noch nicht wirklich etwas bewegt, um daraus mehr als eine Floskel zu machen. Nein, - jeder, der mir das sagt, dem glaube ich das. Aber gesellschaftlich fühle ich mich tendenziell eher nicht akzeptiert.

Nein, ich erwarte keinen großen Familienbonus mehr vor der Wahl. Schließlich hat Frau von der Leyen ja im Moment genug damit zu tun, sich um den Schutz von Kindern vor pädokriminellen Wahnsinnigen zu kümmern und beharrlich auf Ihrem Standpunkt zu stehen, wider besseren Wissens und mit einer Überzeugungskraft, die wirklich bewundernswert ist. Eine gute Sache, da sind wir uns vollkommen einig. Mehr noch: eine wichtige Sache. Nur leider, leider einfach etwas unbedacht und halbherzig, wie wir wissen (Sie merken: ich rede hier nicht von Zensur!). Wir können ja alle weiteren Fragen dann in der nächsten Legislaturperiode angehen, oder? Erstmal zählen die Taten, die sich schnell und einfach realisieren lassen und möglichst publikumswirksam sind, oder?

Mir bleibt die Frage: Wollen wir - so unter Müttern, Frau von der Leyen, oder auch unter berufstätigen Frauen-, doch nicht einfach mal an einem Strang ziehen und eine praxisorientierte Familien- und Kinderpolitik auf den Weg bringen, insbesondere aber weiter an einer real existierenden familien- und kinderfreundlichen Gesellschaft arbeiten? Eine, wo auch eine Nerdine mit Kids, wie ich, ihren Platz findet und sich wenigstens mal wahrgenommen fühlt?

 

Auch was dazu sagen?