Ansichtssache?

Seit drei Tagen quäle ich mich durch meine persönlichen Entwürfe zum Thema “mein Selbstverständnis in der Welt des Webdesigns” oder so ähnlich, ich schreibe, ich ändere, ich lösche und schreibe neu. Kein einfaches Thema und eines, das natürlich gefärbt ist von meinen eigenen Erfahrungen.

Wer gelegentlich als externer Mitarbeiterin  Marketingagenturen unterstützt, - solchen mit Affinität zum Print oder anderen Medien abseits des Web, stellt unter Umständen fest, dass der eigene “Weg zur Website” ein anderer ist als der vieler Marketingagenturen. Mir geht das zumindest so.

Manchmal kommen mir die -durchaus konstruktiven und fruchtbaren- Diskussionen während des Entwicklungsprozesses vor wie Kompetenzgerangel. Handelt es sich dabei aber vielleicht einfach um eine andere Sichtweise der Dinge oder um zwei Ebenen, die entsprechend eines gemeinsamen Ziels gemappt werden müssen?

Das Ziel ist ein und dasselbe: es gilt ein Unternehmen, eine Marke, ein Produkt, eine Dienstleistung zu präsentieren, für die Marketingagentur unter anderem im Internet. Beispielsweise um zu verkaufen. Das Internet als der Laufsteg, das große Schaufenster und der Absatzkanal.

Meine Position

Leute, Ihr macht den zweiten Schritt vor dem ersten, denke ich mir manchmal. Da steht die Corporate Identity, da steht die Marke, da steht ein Konzept. Auf alledem wird dann die Website aufgebaut, die sich “zu fügen hat”. Fehlt nur noch ein CMS, denn komfortabel soll es sein und SEO soll auch nicht zu kurz kommen, natürlich noch das Template oben drauf, vielleicht noch ein paar nützliche Erweiterungen - und fertig ist die Website?

Ich kann mich nicht dafür engagieren lassen,  eine Layoutvorlage W3C konform und CMS-tauglich zu coden, ein CMS zu installieren mit einige Erweiterungen und vielleicht noch einer individuellen Programmierung. Es geht nicht und insbesondere liegt es an mir: ich kann es nicht, denn ich denke zu gerne.

Auf der anderen Seite, am Ende der Kette stehe also ich, der Webprofi, der durchaus begeistert ist bei all den strategischen Konzepten, sich aber angesichts seiner Überlegungen und Ideen eher kontraproduktiv fühlt und meint, den Querulanten zu spielen in einem fast fertigen(?) Prozess und mir manchmal nur denke, das müsse einfach anders laufen. Wo ist der User vor lauter Marke, beispielsweise?

Meine Herangehensweise verläuft zunächst (fast) fernab jeglichen Designs. Das einzige, das mich vorwiegend interessiert ist, welches Ziel die Website verfolgt, welche Messages kommuniziert werden sollen und an wen, wie die -zunächst- rudimentäre Seitenstruktur geplant ist und welche Funktionalitäten zusätzlich zum Einsatz kommen sollen (Shop, Downloadbereich, Bildergalerie und so weiter).
Kurz: Form Follows Function und nicht umgekehrt. Und alles hat einen Mittelpunkt, nämlich den Besucher der Website. Also nicht die unter Umstände abweichenden Interessen des Websitebetreibers, auch nicht die der Agentur und auch nicht meine. Also ergänzend vorab: Function Follows User.

Während ich mich da gelegentlich in der finalen Finetuning Phase befinde, - die ja in der Praxis manchmal absurderweise ins Pixelrücken abrutscht, ein ärgerlicher Prozess für alle Beteiligten, der oft bedeutet, dass noch schnell hier und da verschoben und doch noch mal probiert wird, wünsche ich mir, es wäre alles anders.

Kommunikativer. Interdisziplinärer. Von Beginn an.

Derzeitiger Denkstatus

Wenn ich das alles realistisch betrachte, so wage ich fast zu behaupten, das Konstrukt des externen Webspezialisten ist nicht oder nur bedingt praxistauglich, zumindest insofern nicht von Beginn mit einbezogen. Das Wissen um die Technik, um die Chancen und auch Grenzen des Systems sind wichtige Faktoren, die bereits sehr früh einfließen können und auch sollten. Dazu kommen eben jene “Gesetzmäßigkeiten” des Web.

Mein “spätes Verkaufen” von Konzepten wie Usability, Seitenarchitekturen - und generell dem, was eigentlich auch noch alles hinter dem großen Begriff Webdesign steht und so gerne mal schnell übersehen wird, -aber auch von Möglichkeiten, die ein CMS bietet, ist eine Arbeit, die ich als mühsam empfinde und vor der ich gerne resignieren würde- ganz besonders dann, wenn es mal nicht ankommen mag. Sofern es aber denn funktioniert, freue ich mich, denn dann haben wir - die Marketingagentur und ich- zur Qualität des “wir gehen (neu) online” beigetragen und von beiden Seiten etwas dazu gelernt. Wär das nicht was?

Bildnachweis:

Nachtrag: ich hatte  -schon während des zum Teil frustrierten Schreibens zum Thema- dieser Tage auch gelesen und inzwischen den Artikel gebookmarked unter “Remember for the next time”. Es hilft ungemein, nicht nur seine eigene Überzeugung so gut und professionell wie möglich rüberzubringen, sondern diese gleichzeitig noch mit weiteren Zitaten und Literaturhinweisen spicken zu können. Lesenswert!

 

2 Antworten zum Beitrag “Ansichtssache?”

  1. am 07 Dez 08 um 13:03 meint

    den Querulanten zu spielen in einem fast fertigen(?) Prozess und mir manchmal nur denke, das müsse einfach anders laufen. Wo ist der User vor lauter Marke, beispielsweise?

    Das geht auch mir oft so. Manchmal ist es auch unbequem, aber da muss man durch. Man muss als Webdesigner auch mal nach dem User fragen (dürfen), bzw. “sein” Anwalt sein.

    Ob intern oder extern. Der kritische Faktor ist Information. Umfassend und rechtzeitig/frühzeitig. Nur wenn man in den gesamten Prozess integriert ist, kann ein zufriedenstellendes Ergebnis dabei rauskommnen. Leider wird das oft genug noch vergessen. Als Webdesigner kann man dann fast nur noch verlieren, wenn man zu spät eingebunden wurde.

    Oft bleibt dann nur noch - aus Zeitgründen - die reine Umsetzung eines aus Nutzersicht bedenklichen Konzepts. Dabei sind dann aber auch die Projektziele in Gefahr. Deren Erreichung setzt nämlich u.a. auch benutzbare Oberflächen und zufriedene Nutzer voraus.

  2. am 07 Dez 08 um 19:38 meint

    Anne-Kathrin

    Danke für deine mentale Unterstützung. Ein schwieriges Thema, das mich mit Nachdenklichkeit, Skepsis, einer Menge Ärger und einer Portion Frust die letzten Tage begleitet hat…

Auch was dazu sagen?